Korruption in Tschechien: Ein Dauerthema ohne Entwicklung
Vor wenigen Tagen wurde - nicht nur in Tschechien, sondern zeitgleich noch in 158 anderen Staaten - eine Studie veröffentlicht, die einen Überblick über die Entwicklung der Korruption in den einzelnen Ländern geben soll. Korruptionswahrnehmungsindex heißt das Papier etwas spröde, und es gibt Aufschluss darüber, wie dieses Problem von Unternehmern, Analytikern und Wissenschaftlern eingeschätzt wird. Die tschechische Zweigstelle der Organisation "Transparency International", die sich weltweit im Kampf gegen Korruption engagiert, hatte diesbezüglich auf ihrer Prager Pressekonferenz keine guten Nachrichten zu verkünden. Mehr dazu hören Sie im nun folgenden "Schauplatz" von Gerald Schubert:
"Der Trend ist im Wesentlichen gleich bleibend, wir sind schon viele Jahre lang in der ungefähr selben Position. Das einzig Positive, das man anmerken kann, ist, dass wir die Abwärtsbewegung stoppen konnten, die Ende der neunziger Jahre bzw. am Beginn des neuen Jahrtausends eingesetzt hat", sagt Sticka.
Der Korruptionswahrnehmungsindex liegt jeweils zwischen null und zehn. Zehn ist der theoretisch beste Wert, er würde bedeuten, dass es in dem betreffenden Land so gut wie keine Korruption gibt. Auf Platz eins liegt hier Island, mit einem Wert von 9,7, dicht gefolgt von Finnland und Dänemark. Null wiederum heißt maximale Korruption. Mit einem Indexwert von 1,7 teilen sich Bangladesch und Tschad den letzten Platz.
Doch zurück nach Europa: Die Tschechische Republik bekam mit der Note 4,3 einen Wert, der zwar knapp besser ist als der weltweite, jedoch viel schlechter als der europäische Durchschnitt. Deutschland bekam übrigens 8,2 Punkte, Österreich sogar 8,7 und damit mehr als doppelt so viele wie Tschechien. Woran krankt es also hierzulande? Michal Sticka von Transparency International:"Die Ursache liegt vor allem am Unwillen der Politiker, wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption wirklich durchzusetzen. Im Gegenteil: Man kann sagen, dass die Politiker sogar der Hauptgrund dafür sind, dass es beim Thema Korruption in Tschechien so aussieht, wie es aussieht."
Adriana Krnacova, die Direktorin der tschechischen Zweigstelle von Transparency International, gibt ihrem Kollegen Recht. Andere Staaten, die voriges Jahr ebenfalls der EU beigetreten sind, hätten nämlich eine weit positivere Entwicklung hinter sich. Probleme mit der Korruption könne man also auch, aber längst nicht mehr nur auf die Altlasten des ehemaligen kommunistischen Regimes zurückführen, sagt Krnacova:
"Die Erklärung könnte in der Vergangenheit liegen. Oder aber auch darin, dass viele von den Abgeordneten oder von anderen, die über diese Dinge entscheiden, selbst Firmeneigentümer sind, im öffentlichen Vergabewesen tätig sind oder vielleicht auch heftige Interessenkonflikte haben."
Was also wären die geeigneten Maßnahmen, um die Korruption in Tschechien wirksam zu bekämpfen? Michal Sticka von Transparency International nennt einige Forderungen an den Bereich der Legislative:
"Die Verabschiedung des Gesetzes über Interessenskonflikte, das eines der grundlegenden Instrumente im Kampf gegen die Korruption ist, zieht sich schon viel zu lange dahin. Was andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung und des Staates betrifft, so muss man in erster Linie sagen: Wir warten immer noch auf ein gutes Insolvenzgesetz. Und auch die Situation rund um öffentliche Auftragsvergaben ist nicht gerade rosig."
Vor allem das erstgenannte Gesetz sei besonders wichtig und derzeit in einer entscheidenden Phase der Beschlussfassung:
"Zurzeit wird das Gesetz über Interessenskonflikte im Abgeordnetenhaus in zweiter Lesung verhandelt. Ich glaube, die Regierung sollte die Gelegenheit nutzen und wirklich Druck machen, um dieses Gesetz im Abgeordnetenhaus und auch im Senat durchzusetzen", sagt Sticka. Und er nennt noch einen wichtigen Punkt:
"Ein gutes Gesetz über staatliche Dienstleistungen ist ebenfalls nach wie vor ein frommer Wunsch. Ein wichtiges Instrument im Kampf gegen die Korruption besteht nämlich auch in einer funktionierenden Zusammenarbeit mit den Bürgern, in einem hochwertigen Management in der öffentlichen Verwaltung. Und darauf wartet nicht nur die staatliche, sondern auch die Verwaltung auf Landkreis- und Gemeindeebene immer noch."
Soweit also die frommen Wünsche an die Politik. Was aber können die Bürgerinnen und Bürger tun, um selbst bei der Bekämpfung der Korruption mit anzupacken? Wie können sie sich schützen?
"Das wichtigste, was die Bürger tun können, ist keine Angst zu haben, wenn sie etwa auf der kommunalen Ebene mit Korruption konfrontiert werden. Sie sollen sich ruhig trauen, sich zur Wehr zu setzen. Wir wollen den Leuten entgegenkommen und ihnen auch Rechtshilfe anbieten, wenn sie direkt oder indirekt zu Korruptionsopfern werden. Also wie man auf Tschechisch so schön sagt: Nebat se a nekrast. Keine Angst haben und nicht stehlen!" sagt Michal Sticka von Transparency International.
Was die weitere Entwicklung angeht, so ist Sticka übrigens nicht besonders optimistisch. Im Gegenteil: Es gäbe einige aktuelle Trends, die der Korruption sogar neue Wirkungsfelder eröffnen. Sticka gibt ein Beispiel:
"Es existieren bereits jetzt Netzwerke aus Unternehmern und Politikern auf der kommunalen und regionalen Ebene, die in nicht geringem Ausmaß Mittel aus der öffentlichen Verwaltung abziehen. Dazu kommt nun aber ein weiteres Problem, nämlich die so genannten Public-Private-Partnerships, also Kooperationen des öffentlichen und des privaten Sektors. Das wurde hauptsächlich von den angelsächsischen Ländern übernommen. Es geht dabei im Wesentlichen darum, dass der Staat bestimmte öffentliche Dienstleistungen an private Subjekte delegiert, die diese dann im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit anbieten. In Tschechien droht, dass es dabei zu massivem Missbrauch kommt, denn es existiert dafür noch kein ordentlicher Rahmen. Und auch das, was derzeit im Stadium der Vorbereitung ist, lässt kaum hoffen, dass sich die Situation bessert."Adriana Krnacova, die Direktorin von Transparency International Prag meint außerdem, dass sich der Unwille, die Korruption im Land wirklich in den Griff zu bekommen, quer durch das Parteienspektrum zieht:
"Das Phänomen liegt hier in der Tat sehr tief. Und es hängt nicht davon ab, welche Partei momentan die regierende Partei ist."
Mehr zum Thema Korruption und zu der genannten Studie hören Sie übrigens am Montag. Adriana Krnacova wird dann in der Sendereihe "Heute am Mikrophon" unser Gast sein.