Auch in der Vogelwelt kriselt es

Schwalbe

Auch in der Vogelwelt kriselt es Das Wort "Krise" ist ein geläufiger Begriff unserer Zeit: Die Rede ist von einer Krise in der Politik, einer Krise in der Wirtschaft, einer Krise in der Landwirtschaft. Ja auch von einer Krise der Kultur spricht man immer wieder. Des Öfteren wird nun seit einiger Zeit auch die Krise der Natur als Resultat, genauer gesagt als Schattenseite der fortschreitenden Zivilisation thematisiert. Eines der Teilgebiete der Natur, nämlich das der Vogelwelt, wollen wir im nun folgenden Regionaljournal ins Auge fassen. Einige Beispiele dafür, dass sich mittlerweile auch in diesem Bereich mehr als genug Anzeichen für einen kaum erfreulichen Zustand manifestieren, hat für Sie Jitka Mladkova parat:

Von den gegebenen klimatischen Zonen der Erde und deren typischer Fauna und Flora abgesehen kann man behaupten, dass die Pflanzen- und Tierwelt im Prinzip keine Grenzen kennt. Die zunehmende Zahl negativer Erscheinungen sowohl im Pflanzen- als auch im Tierreich, haben - zumindest im europäischen Raum - viele Länder gemeinsam. Gleichzeitig aber gibt es landeseigene Spezifika und regional bedingte Unterschiede, die auf die Entwicklung in Ost- und Westeuropa in der 2.Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen sind.

Im Laufe der 1950er Jahre wurde in der damaligen Tschechoslowakei der Großteil der bis dahin privaten Ackerbodenflächen zwangsweise kollektiviert und anschließend von den gegründeten Agrargenossenschaften bewirtschaftet. Um die Erträge ihrer Riesenfelder kontinuierlich zu steigern, galt die umfangreiche Anwendung von Düngemitteln und aggressiven Chemikalien als selbstverständlich. Erst etwa zehn Jahre später konnte man die ersten Folgen beobachten. Zunächst per Zufall wurden extrem hohe Werte des Pflanzenschutzmittels namens DDT in den Körpern mehrerer Falken gefunden. Als dann auch ein rapider Rückgang der regionalen Bestände dieser Vogelart festgestellt wurde, lag schon eine Erklärung auf der Hand. Nun, ähnliche Signale über den aktuellen Stand der Natur entsenden die Vögel durch kontinuierliches Schwinden ihrer Bestände bis heute.

Feldlerche,  foto: Daniel Pettersson,  Creative Commons 2.5
Man könnte glauben, dass die extensiven Methoden der sozialistischen Landwirtschaft in der Ex-Tschechoslowakei ein Desaster ohnegleichen angerichtet hätten. Paradoxerweise ist aber der ältere Teil der Europäischen Union in dieser Hinsicht noch schlimmer dran. Nach den Ursachen fragten wir Petr Vorisek von der Tschechischen Ornithologischen Gesellschaft mit Sitz in Prag:

"In den neuen EU-Ländern, neben Tschechien vor allem auch in Polen und Ungarn, sind die Vogelbestände zwar auch geschrumpft, doch im Prinzip sind sie besser dran als die alten EU-Länder wie z.B. Frankreich, Großbritannien oder Deutschland. Dies ist insbesondere auf die Entwicklung in 1980er Jahren zurückzuführen. Nach der Wende um die 80er und 90er Jahre, als das alte sozialistische Landwirtschaftssystem in Ostmitteleuropa infolge des politischen Umbruchs einen Kollaps erlebt hatte, konnte sich die Vogelpopulation in unserer ostmitteleuropäischen Region sozusagen aufrappeln. Dies hing eindeutig damit zusammen, dass die Verwendung von Chemikalien und Düngemitteln in der Landwirtschaft in diesem Zeitraum deutlich reduziert wurde. In einigen Gebieten hat man ganz auf die landwirtschaftliche Produktion verzichtet. Das alles hat sich auf die Situation der Vögel positiv ausgewirkt."

Schwalbe
Der positive Effekt war aber leider kurzfristig. Durch die gemeinsame Landwirtschaftspolitik der EU, derzeit noch ausgerichtet auf hohe Produktionsquoten, setzt sich nun der negative Trend wieder auch in den ostmitteleuropäischen Ländern durch. Muss man also erneut mit einer Verschlechterung der Lage rechnen? Petr Vorisek:

"Das hängt davon ab, ob es gelingen wird, die gemeinsame Landwirtschaftspolitik der EU zu reformieren. Die meisten Subventionen, die derzeit in diesen Bereich fließen, haben jedoch die Produktionserhöhung zum Ziel. Die Intensivierung macht sich mittlerweile auch in der tschechischen Landwirtschaft bemerkbar. Zu diesem Zeitpunkt wäre jedoch jede Bewertung verfrüht, in drei bis fünf Jahren werden wir aber im Klaren darüber sein, wie es um die Vögel bestellt ist."

Die Tschechische Ornithologische Gesellschaft verfügt vorläufig nicht über genaue Daten, die die regionalen Unterschiede innerhalb der Tschechischen Republik dokumentieren. Über bestimmte Trends in einigen Regionen sei man aber schon im Bilde, sagt Vorisek und fügt hinzu:

Wildente
"Dort, wo intensive Landwirtschaft betrieben wird - das sind in der Regel Gebiete mit fruchtbarem Ackerboden wie z.B. die Elbelandschaft - dort sind die Vögel wesentlich schlimmer dran. Positiv hingegen wirkten sich auf die Vogelbestände die Extensivierung der Landwirtschaft und einige nach dem Wendejahr 1989 eingeführten Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität aus. Hierfür ein konkretes Beispiel: In Tschechien verfügen wir derzeit über einen sehr guten Bestand an Wachtelkönigen, ein Tier, das ansonsten zu den weltweit bedrohten Vogelarten zählt. Bei uns geht es ihm gut, vor allem in den Vorgebirgsgegenden."

Dass es sich tatsächlich um eine gefährdete Vogelart handelt, das zeigt die Tatsache, dass der Wachtelkönig eigentlich ein - man könnte sagen - "subventionierter" Vogel ist. Im Rahmen eines Schutzprogramms erhalten nämlich Landwirte, die bereit sind, die Präsenz des Wachtelkönigs in der jeweiligen Gegend zu berücksichtigen und auf eine entsprechende Art und Weise wirtschaften, Fördergelder.

Eine Landschaft ohne Vögel ist zweifelsohne eine tote Landschaft. Darüber hinaus gelten die Vielfalt und der zahlenmäßige Bestand der gefiederten Wesen als verlässlicher Indikator des aktuellen Zustandes unserer Umwelt. Und dieser ist in mancher Region unseres Kontinents recht allarmierend.

Lachmöwe
Während in Großbritannien oder Belgien z.B. der Feldspatz oder der Mauersegler eher als rare Einzelexemplare erscheinen, sind hierzulande wiederum andere Vogelarten in ihrer Existenz höchst bedroht. Die gilt landesweit z.B. für die Wachtel und die Schwalbe. In Südböhmen sind ganze Kolonien der Lachmöwe bereits verschwunden, von flächendeckendem Aussterben ist auch in Bezug auf die Wildente die Rede, die bis vor kurzem aus dem Bild der südböhmischen Teiche kaum wegzudenken war. Experten zufolge habe sich die Mehrheit der Teiche in Jauchegruben verwandelt, in denen selbst das Baden für die Menschen nicht ungefährlich sei. Als Ursache werden die intensive Karpfenzucht und die damit zusammenhängende Nachfütterung der Fische angegeben. Als höchst gefährdet gilt in Tschechien mittlerweile auch die Feldlerche, die seit Jahrhunderten das Entstehen so vieler Gedichte und Lieder hierzulande inspiriert hat. Allein im Vergleich zu den 1980-er Jahren beläuft sich ihr derzeitiger Bestand auf 60 Prozent. Die Feldlerche wurde in Tschechien zum Vogel des Jahres 2005 erklärt.

"Die Feldlerche haben wir deshalb gewählt, weil dieser Vogel teilweise typisch für die landwirtschaftlich genutzten Gebiete und gleichzeitig auch dem Großteil der Bevölkerung bekannt ist. Die Feldlerche gilt für viele als Symbol des kommenden Frühjahrs. Es ist ein recht beliebter und zugleich auch durch die Intensivierung der Landwirtschaft gefährdeter Vogel. Mit seiner Hilfe sind wir bemüht, auf allgemein gültige Probleme aufmerksam zu machen."

Eine unerfreuliche Feststellung, nicht wahr? Um aber nicht mit einer ganz so pessimistischen Note unser Treffen mit Vögeln ausklingen zu lassen, hier ein Gruß der Feldlerche höchstpersönlich.

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