Im Zeichen des Grünen Punktes - Abfalltrennung in Tschechien

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Gelbe Tonne und Dosenpfand gelten weithin als Eigentümlichkeiten der Deutschen im Umgang mit ihren Abfällen. Eines der Markenzeichen der Wiederverwertung und das zugehörige System hat sich jedoch mittlerweile in ganz Europa durchgesetzt: Der Grüne Punkt und die Sammlung von Verpackungsmüll. In Tschechien ist der Grüne Punkt, wortgetreu übersetzt als "Zeleny Bod", seit 1997 präsent. Mit welchem Erfolg, danach hat sich Thomas Kirschner erkundigt.

Die deutsche Verpackungsverordnung war Anfang der 1990er Jahre die Geburtsstunde des Grünen Punktes. Sie verpflichtet Herstellerfirmen, ihre Verkaufsverpackungen zurückzunehmen und einer Verwertung zuzuführen. Diese Aufgabe hat für die Unternehmen die Duales System Deutschland AG übernommen, die von den Verpackungsproduzenten anteilig finanziert wird. Als Lizenzzeichen dient der Grüne Punkt - und das mittlerweile europaweit von Schweden bis Zypern, da das deutsche Modell 1994 in der Europäischen Verpackungsrichtlinie übernommen wurde und in jedem Land eigene Verwertungsgesellschaften entstanden. Drei Jahre später hielt der Grüne Punkt auch in Tschechien offiziell Einzug. Vor allem in der jüngeren Generation und in den Städten ist es inzwischen ganz selbstverständlich geworden, Verpackungsmüll zu den Wertstoffcontainern zu bringen, wie auch eine Umfrage unter jungen Pragern bestätigt:

"Ja, ich trenne Abfall. Ich trenne Plastik, Glas und TetraPaks. Es ist ganz einfach für mich, weil ich die Sammelcontainer direkt vor dem Haus habe.""Ich probiere, Plastik und Papier zu trennen. Ich denke, man ist einfach abhängig davon, welche Sammelcontainer man in der Nähe seiner Wohnung hat.""Früher habe ich versucht, auch Aluminium zu sammeln. Aber ich hatte keine Möglichkeit, das irgendwo abzugeben, also mache ich das nicht mehr. Aber die Sachen, bei denen es keine Probleme gibt, wie etwa Papier, Plastik und Glas, die trenne ich ganz selbstverständlich."

Für die Sammlung und Verwertung der Verpackungsabfälle ist in Tschechien die Gesellschaft Eko-Kom verantwortlich, die als gemeinnütziges, nicht gewinnorientiertes Unternehmen etwa 21.000 tschechische Verpackungshersteller vertritt. In Zusammenarbeit mit den Kommunen hat Eko-Kom seit 1997 rund 116.000 Wertstoffcontainer in Tschechien aufgestellt; etwa 96 Prozent der Bevölkerung können nach Angaben des Unternehmens damit erreicht werden. Das Sammelsystem wird weiter ausgebaut und von den Bürgern immer stärker angenommen, erläutert die Firmensprecherin Katerina Sarounova:

"Momentan trennen rund 65 Prozent der Tschechen ihren Abfall. Als wir 1997 angefangen haben, hat praktisch niemand den Abfall getrennt und es gab auch fast nirgendwo Sammelstellen. Allein in den letzten drei Jahren konnten wir den Anteil der Menschen, die ihren Abfall trennen, um 11 Prozent steigern; das ist ein schönes Ergebnis."

Wenn auch kein absolut ausreichendes: Bis 2008 sollen nach den Europäischen Richtlinien mehr als 85 Prozent der Tschechen ihren wieder verwertbaren Müll zum Sammelcontainer tragen. Keine unerreichbare Marke: In Deutschland trennen derzeit etwa 90 Prozent der Haushalte ihren Abfall. Dass aber ein langer Anlauf nötig ist, um eine solche Quote zu erreichen, ist keine tschechische Besonderheit, meint Katerina Sarounova.

"Wir wissen, dass das zum Beispiel in den westlichen Ländern ganz genauso war. Wenn die Quoten heute in Deutschland besser sind, dann liegt das daran, dass die Mülltrennung dort eine längere Tradition hat. Aber es lässt sich sagen, dass die Tschechen schnell lernen, dass die Mülltrennung in letzter Zeit als etwas wahrgenommen wird, was ´in´ und modern ist und dass es nichts Peinliches mehr ist, den Müll zu trennen."

Eine Internetseite mit Informationen für die Bürger, verschiedene Aktionen für Kinder und Jugendliche und vor allem Werbespots im Fernsehen sollen dazu beitragen, die Mülltrennung in Tschechien selbstverständlicher werden zu lassen, erläutert Firmensprecherin Sarounova.

"Die erste Phase der Kampagne hieß ´Sei nicht faul - trenn´ den Abfall´. Das war vor allem ein Appell, sich an der Abfalltrennung zu beteiligen. In diesem Jahr steht die Kampagne unter dem Slogan ´Sei nicht faul - trenn´ richtig´. Wir wollen die Bürger dazu bringen, das System richtig zu benutzen, keine vermischten Abfälle in die Sammelcontainer zu werfen und zum Beispiel die Metallverschlüsse von dem Altglas zu entfernen."

Illustrationsfoto
So entfalten die Wertstoffcontainer derzeit in Werbespots im tschechischen Fernsehen ein beträchtliches Eigenleben. Sie geben Fersengeld wenn jemand mit schmutzigem Papier kommt oder retournieren halbvolle Altölflaschen schnurstracks auf das blankpolierte Auto des bedenkenlosen Entsorgers. Ziel der Spots: Die Qualität der Mülltrennung zu steigern, damit eine größere Menge der gesammelten Wertstoffe auch dem Recycling zugeführt werden kann. Nicht nur die Statistiken, sondern auch der subjektive Eindruck unter jungen Leuten bestätigt, dass die Mülltrennung in Tschechien an Akzeptanz gewinnt:

"Das denke ich auf jeden Fall! Dabei haben sehr stark die Medien geholfen. Es wird auch viel mehr diskutiert und auch in den Schulen bekommen die Kinder viel mehr Informationen." "Meiner Meinung nach geht diese Änderung sehr langsam vor sich, aber trotzdem ist ersichtlich, dass sich in den Köpfen der Menschen etwas ändert."

Also alles auf dem richtigen Weg bei der Abfallverwertung in Tschechien? Das nun doch nicht, zumal der Verpackungsmüll nur einen Teil des kommunalen Abfallaufkommens ausmacht. So ist etwa die Verwertung von Biomüll, der etwa 40 Prozent der Haushaltsabfälle ausmacht, noch kaum entwickelt. Und gerade in ländlichen Regionen landet vieles auch im häuslichen Allzweckofen - die schweren Rauchfahnen über den Dörfern legen im Winter ein Zeugnis davon ab. In gewisser Hinsicht können die Kommunen auch von den Wertstoffsammlungen während des kommunistischen Regimes lernen, an die sich auch die Generation der heute Dreißigjährigen noch gut erinnert:

"An der Grundschule hatten wir ab und zu die so genannten Sammeltage, wo man Altpapier sammeln musste. Die besten haben dann eine Belohnung bekommen, zum Beispiel ein Eis oder so etwas."

Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung gibt es bei der Wertstoffsammlung heute nicht mehr - derzeit setzen die Kommunen nur auf die Einsicht ihrer Bürger. Die Abfallgebühren bleiben die gleichen, unabhängig davon, ob man die Wertstoffe zum Container trägt oder in den Hausmüll wirft.

Was aber fällt den mülltrennungsverwöhnten Deutschen in Tschechien auf? Frauke Wetzel lebt seit mehr als einem Jahr in Prag. Sie stört sich vor allem an der Allgegenwärtigkeit von Wegwerfplastik. Aber dann gibt es da noch eine Kleinigkeit bei der Altglassammlung:

"Eines ist auffällig: Man wirft alle Flaschen in einen Container und trennt nicht nach Farben. Ich habe das erst für merkwürdig gehalten, aber dann hat mir jemand erklärt, dass daraus braunes Glas wird, und das sind natürlich Bierflaschen! Und das ist klar: die braucht man hier in Tschechien! Flaschen sammeln macht also Sinn in Tschechien!"