"Univerzalni silikon" - der weibliche Körper in der tschechischen Werbung
"Jako facka" - "Wie eine Ohrfeige" heißt eine Fotoausstellung, die derzeit im historischen Prager Rathaus zu sehen ist. Sie soll die Diskussion eröffnen über die Darstellung der Frau in der tschechischen Reklame. Grelle Sexualisierung ist hierzulande ein übliches Stilmittel der Werbung. Über Reklame als Spiegel der Gesellschaft berichtet Thomas Kirschner.
Das Dekolleté einer jungen Dame füllt den größten Teil der Plakatwand. Zwischen den Brüsten hängt an einem Samtband ein übergroßer Schlüssel. Es geht keineswegs um Reklame für den kaum zu sehenden BH: "Auf eine schöne Frau ist schwer aufzupassen", heißt es in dem nebenstehenden Slogan, der die Dienste einer Sicherheitsagentur anpreisen soll. Beispiele wie dieses finden sich in der tschechischen Werbung zuhauf: Schrille Sexualisierung und das Hinwegsteigen über die Grenzen des guten Geschmacks gilt in Tschechiens Werbebranche weithin als probates Mittel im Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten. Es ist dabei nicht einmal die freizügige Bildsprache, die die tschechische Werbung kennzeichnet, meint der Soziologiestudent Sanan Phutrakul, einer der Mitorganisatoren der Aktion "Jako facka / Wie eine Ohrfeige":
"Die Bilder sind überall gleich - in Tschechien, in den USA, in Europa. Eine Besonderheit der tschechischen Reklame ist aber, dass die Botschaft der Werbung hier oft besonders - ich würde sagen: riskant ist, besonders aggressiv. Und das Bild der Frau, das dabei vermittelt wird, ist nicht so, wie es sein sollte."
Die Fotoausstellung im Altstädter Rathaus zeigt, wie sexualisierte Reklame und fragwürdige Darstellungen der Frau den öffentlichen Raum in Prag erobert haben. Zusammen mit einer nachfolgenden Expertenkonferenz soll die Ausstellung einen Anstoß geben, solche Formen der Werbung nicht hinzunehmen, erklärt Phutrakul weiter.
"Wir leben in einer Umgebung, die von Reklame sehr stark beeinflusst ist. Doch einige von diesen Reklamen sind einfach unangemessen und unannehmbar - zum Beispiel solche, die das Bild der Frau erniedrigen. Und mit dieser Aktion wollen wir den Menschen zeigen, dass sie dagegen etwas machen können, wenn sie auch meinen, dass das schlecht ist - man muss so etwas nicht schweigend hinnehmen."
Unterstützt wird die Aktion von der Stadt Prag, die sich um ihr Image als Metropole der Kultur und Geschichte sorgt. Der Magistrat hat bereits eigene Maßnahmen ergriffen, um überbordende Nacktheit von den Reklametafeln der Stadt zu verbannen, erklärt der stellvertretende Bürochef des Magistrates, Miroslav Sklenar.
"Unsere Standards den westeuropäischen Standards anzugleichen, darum bemühen wir uns nach Kräften. Ein Beleg dafür ist die städtische Verordnung, die erotische Reklame im Stadtzentrum und eigentlich in ganz Prag verbietet - mit Ausnahme der Müllkippen."
Auf der Müllkippe sieht allerdings Pavel Brabec, der Präsident der Assoziation der tschechischen Werbeagenturen (ACRA), die erotische Reklame in Tschechien noch lange nicht. Er räumt ein, dass Sexualität ein bevorzugtes Stilmittel der tschechischen Werbung ist, weist allerdings auch darauf hin, dass Reklame sich immer an den Wünschen und Normen der Umgebung orientiert, in der sie wirken soll.
"Sexuelle Motive kommen in der tschechischen Reklame verhältnismäßig häufig vor. Das hängt natürlich mit der Einstellung der Gesellschaft zusammen, denn davon hängt es ja ab, wie die Reklame wirkt. Man kann sagen, dass die Tschechen eine gelassene und positive Einstellung zu Sex und zu sexuellen Motiven in der Reklame haben und diesem Thema recht zugeneigt sind."
Wie hoch tatsächlich die Toleranz in einigen Teilen der tschechischen Gesellschaft ist, zeigt die Reaktion eines Besuchers der Fotoausstellung, der den kritischen Blick der Ausstellungsmacher nicht nachvollziehen kann.
"Ich habe hier auf keiner einzigen Fotografie einen Geschlechtsverkehr gesehen. Um sexuell orientierte Reklame geht es hier also auf keinen Fall. Das ist hier vielleicht erotische Reklame, aber keine sexuelle."
Auffällig ist: Die Initiative zu der gegenwärtigen Aktion gegen den Missbrauch des weiblichen Körpers in der Reklame geht nicht von Tschechen aus. Die Fotografin Beth Lazaroe, von der die Bilder der Ausstellung stammen, kommt aus Irland; die Leiterin des Projektes ist die Kanadierin Suzanne Formanek. Einige der ausgewählten Beispiele offenbaren ein konservatives bis puritanisches Verhältnis der Ausstellungsmacher zur Nacktheit - etwa wenn es um Werbung für Körperpflegeprodukte geht, bei der der nackte Körper dezent inszeniert ist und in einem inhaltlichen Verhältnis zum Produkt steht. Auch Pavel Brabec von der Assoziation der tschechischen Werbeagenturen räumt aber ein, dass es in der tschechischen Werbung auch zahlreiche Beispiele gibt, bei denen die ethischen Grenzen überschritten werden.
"Jeder, der etwas verkaufen will, bewegt sich bei der Reklame an der Grenze. Aber allgemein gilt: Nacktheit oder der weibliche Körper soll in der Werbung nicht als Selbstzweck eingesetzt werden. Ein wirklich schlechtes Beispiel ist hier die Kampagne eines Herstellers für Bauprodukte. Auf den Plakaten war ganz klein das Produkt abgebildet, daneben eine nackte Frau mit dem Slogan ´Ich hab´s mir selbst gemacht!´"
Eine solche Werbung gehört nicht mehr zu der Welle der naiven Billig-Erotik, mit der in den Nachwendejahren in Tschechien auch in der Reklame die neuen Freiheiten und Möglichkeiten ausprobiert wurden. Hier geht es vielmehr um ein kalkuliertes Überschreiten von Grenzen - und das wird in Zukunft noch zunehmen, meint der Werbefachmann Pavel Brabec.
"Die Werbebotschaften werden immer härter. Das hängt mit der größeren Konkurrenz und dem unüberschaubaren Angebot zusammen. Ich denke daher, dass allgemein aggressive Werbemethoden zunehmen werden - nicht nur im Bereich der erotischen Reklame, sondern allgemein wird es mehr Verstöße geben."
Zwar gibt es auch in Tschechien einen Reklamerat, der die Einhaltung des juristischen und ethischen Kodexes in der Werbung überwachen soll. Sanan Phutrakul von der Aktion "Jako facka / Wie eine Ohrfeige" hält das System aber für unzureichend - insbesondere deshalb, weil sich der Kontrollrat aus Mitgliedern der Werbebranche zusammensetzt.
"Die Reklameagenturen in Tschechien brauchen eine Polizei, eine funktionierende Aufsichtsbehörde, die ihnen sagt: Das ist in Ordnung, aber das dürft ihr nicht."
Derzeit sieht das Amtsethos des Reklamerates anders aus: "Wo die Öffentlichkeit nicht protestiert, da schreiten auch wir nicht ein", bekennt der Vorsitzende des Rates Radek Pokorny freimütig und unbefangen gegenüber der Tageszeitung Mlada fronta Dnes. Insofern zielt die Ausstellung "Jako facka" in die richtige Richtung. Sanan Phutrakul gibt sich allerdings keinen Illusionen hin: Bis sich das Bild der Frau in der tschechischen Werbung ändert, wird noch einige Zeit vergehen.
"Das ist ein langer Weg. Das werden wir nicht in ein paar Wochen ändern, und mit dieser Aktion ganz sicher nicht. Das braucht womöglich eine ganze Generation."