Korruption bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Tschechien

David Ondracka
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In der heutigen Folge unserer Sendereihe Schauplatz befassen sich Sara Bartholome und Robert Schuster mit dem Phänomen der Korruption und Ungereimtheiten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Tschechien.

Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Tschechien ist schon seit Jahren mit vielen Geheimnissen umhüllt. Immer wieder tauchen in den Medien Berichte auf, wonach der Staat für den einen oder anderen Auftrag weitaus mehr bezahlen musste, als etwa nach dem klassischen Bestbieter-Prinzip notwendig gewesen wäre. Die Zeche dafür müssen natürlich die Steuerzahler begleichen.

Dass die Korruption zu den größten Problemen Tschechiens gehört, ist schon lange bekannt. So richtig thematisiert wurde jedoch dieses Phänomen erst im Zusammenhang mit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union, als die Europäische Kommission in ihren regelmäßig veröffentlichten Fortschrittsberichten dieses Problem stets an erster Stelle erwähnte.

Die Regierung ergriff nicht zuletzt anhand dieses äußeren Drucks erste konkrete Maßnahmen, wobei einige - wie etwa der Einsatz von Provokateuren - nicht unumstritten sind. Die meisten dieser Instrumente waren fast ausschließlich auf die staatliche Verwaltung gemünzt; der Bereich der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung blieb aber lange Zeit eher unbeachtet.

Dass aber gerade auf den unteren Verwaltungsebenen ein ebenso großer Handlungsbedarf besteht, zeigte nicht zuletzt eine kürzlich veröffentlichte Studie der weltweit tätigen Organisation Transparency International, die bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Tschechien große Regelwidrigkeiten feststellte und erstmals auch Zahlen über den entstandenen Schaden präsentierte.

Die wichtigsten Ergebnisse dieses Berichts fasst im folgenden David Ondracka, vom tschechischen Büro von Transparency International zusammen:

"Wir sind zu ziemlich alarmierenden Ergebnissen gelangt und zwar, dass im vergangenen Jahr die Verluste im Zusammenhang mit der regelwidrigen Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf insgesamt 32 Milliarden Kronen geschätzt werden können, wobei diese Summe sich relativ gleichmäßig auf die lokale wie die gesamtstaatlichen Ebene verteilt. Wir sind dabei von öffentlich zugänglichen Quellen ausgegangen, d.h. von Zahlen, über die das Finanzministerium, das Statistikamt oder der Rechnungshof verfügen. Diese Summe ist sehr hoch und man kann sagen, dass dieses Geld aus öffentlichen Mitteln auf diese Weise völlig unnötig verloren geht."

Einer der Gründe, warum gerade im kommunalen Bereich die Vergabepraktiken sehr undurchsichtig sind, ist sicherlich auch der Umstand, dass Tschechien zu den wenigen Länder in Europa gehört, wo die Bürgermeister und Ratsmitglieder nicht direkt von den Wählern, sondern von den Gemeindevertretungen bestellt werden. Während aber die Gemeindeparlamente öffentlich tagen, verlaufen die Sitzungen der Gemeinderäte hinter verschlossenen Türen. Zum anderen würden laut David Ondracka für die Politiker bislang keine scharfen Unvereinbarkeitsregeln gelten, die zum Beispiel die Politiker auf allen Ebenen dazu verpflichten würden ihre Eigentumsverhältnisse regelmäßig offen zu legen.

Wie sind in der Vergangenheit die Reaktionen der Politiker auf die Berichte und Studien von Transparency International zum Stand der Korruption in Tschechien ausgefallen? Dazu meint David Ondracka:

"Die Reaktionen fielen ganz unterschiedlich aus. Wir befassen uns mit einem Thema, dass sehr sensibel ist. Natürlich gibt es einige Politiker, die sich persönlich betroffen fühlen. Deshalb sind natürlich die Wortmeldungen dieser Politiker nicht immer positiv und entgegenkommend. Aber unser Ziel ist nicht, Untersuchungen gegen konkrete Politiker zu führen, sondern Veränderungen im System vorzuschlagen, die eine Verbesserung der Lage bringen könnten. Deshalb glaube ich auch, dass wir für die Politiker eher Partner oder Berater sind, nicht aber Gegner. Natürlich, in einigen Fällen ist dem nicht ganz so, aber dennoch lässt sich sagen, dass in den vergangenen sieben Jahren doch einige unserer Vorschläge letztendlich in verschiedener Weise angenommen wurden."

Die Korruption ist in Tschechien nicht nur ein Problem der letzten Jahre und hängt nicht ausschließlich mit dem Transformationsprozess der vergangenen 15 Jahre zusammen, sondern ihre Wurzeln reichen bis tief in die Zeit des Kommunismus. Seit sieben Jahren wird die Lage in Tschechien von der weltweit tätigen Nichtregierungsorganisation Transparency International, die im Jahr 1993 in Berlin gegründet wurde, regelmäßig unter die Lupe genommen. Jährlich wird von Transparency zum Beispiel ein Staaten-Index veröffentlicht, wie salonfähig Korruption in den einzelnen Ländern ist. Dabei rangierte Tschechien im vergangenen Jahr auf einem Verzeichnis von 145 Staaten im oberen Mittelfeld - nämlich auf Rang 51, was gegenüber früher eine leichte Verschlechterung bedeutet.

Auf diesem Verzeichnis belegten unter den neuen EU-Mitgliedsländern aus Mittel- und Osteuropa die Slowenen und Esten mit Rang 31 die beste Platzierung. Besser als die Tschechen schnitten noch die Ungarn mit Platz 42, sowie die Litauer auf Platz 44 ab.

Gesetzt den Fall, alle wichtigen Forderungen und Vorschläge von Transparency International im Kampf gegen die Korruption, wie zum Beispiel eine bedeutend engere und allgemein verbindliche Definition des Geschäftsgeheimnisses, oder die Offenlegung aller Protokolle bei Auswahlverfahren, würden früher oder später zu Gesetzen, wie lange würde es dauern, bis die positiven Konsequenzen eintreten würden? David Ondracka:

"Ich glaube, dass diese positiven Folgen sofort eintreten würden. Natürlich wäre es eine Illusion zu glauben, dass Korruption gänzlich ausgemerzt werden könnte - die wird es wohl in der einen oder anderen Form immer geben. Aber das Hauptaugenmerk sollte darauf gerichtet sein die Vorraussetzungen für Korruption zu minimalisieren. Wenn die meisten der von uns präsentierten Forderungen in die Praxis umgesetzt würden, wären die positiven Auswirkungen schon im Horizont von einigen wenigen Jahren zu spüren, was nicht zuletzt auch eine großen Verringerung der öffentlichen Ausgaben führen würde."

Sind die Maßnahmen, die Transparency International für Tschechien empfiehlt, durch irgendwelche Beispiele im Ausland inspiriert, also in Ländern, die in einer ähnlichen Situation wie Tschechien waren? Dazu meint David Ondracka:

"Transparency International ist, wie der Name schon sagt, eine internationale Organisation, die in 80 Ländern tätig ist. So versuchen wir die Erfahrungen aus den verschiedenen Ländern zu berücksichtigen. In den einzelnen Bereichen, wie bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, bei politischer Korruption, Korruption im Bereich der Justiz und auf kommunaler Ebene versuchen wir das zu übernehmen, was wo anderswo Erfolg brachte. Was zum Beispiel die öffentlichen Aufträge angeht, hat uns das deutsche Modell mit "schwarzen Listen" inspiriert, das heißt, dass Unternehmen, die hier nicht korrekt gehandelt haben, für eine gewisse Zeit von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden können."

Die Korruption ist im wahrsten Sinne ein globales Phänomen, das nicht nur in Tschechien noch eine Zeitlang für Aufmerksamkeit sorgen wird. Gibt es aber Länder, die zum Beispiel auf Grund des Ausmaßes der dort herrschenden Korruption zu den Sorgenkindern gehörten, sich aber mittlerweile deutlich verbessert haben? Hören Sie dazu abschließend noch einmal David Ondracka von der tschechischen Zweigstelle von Transparency International:

"Da lassen sich natürlich keine sprunghaften Veränderungen von Jahr zu Jahr feststellen, aber ein relativ positives Beispiel bildet Südkorea. Auf Grund von sehr konsequenten, aber auch harten Maßnahmen und einer konsequent durchgeführten Elektronisierung der Verwaltung ist das Korruptionsklima sehr wesentlich eingeschränkt worden. In Europa nehmen natürlich die skandinavischen Ländern schon seit Jahren die Vorreiterrolle ein, indem sie mit ihrer Offenheit die Vorraussetzungen für Korruption beseitigen, oder zumindest wesentlich einschränken."