"Prague Jazz Open" Summer Festival 2005

Paolo Fresu
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Vom 23. Juni bis 1. Juli 2005 fand in Prag das erste "Prague Jazz Open" Festival mit nationaler und internationaler Beteiligung statt Was hinter der Non-Profit-Organisation "Prague Jazz Open", was ihre Ziele sind und einen auch kritischen Stimmungsbericht mit Musik, all das hören Sie im nun folgenden Kultursalon. Unser freier Mitarbeiter Alexander Schneller war für Sie ganz Ohr.

Seit einiger Zeit existiert "Prague Jazz Open" (www.praguejazzopen.org), eine kulturelle Non-Profit-Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, in Prag zwei jährlich stattfindende internationale Jazzfestivals zu etablieren. Ein ambitioniertes Projekt also. Der Gründer und Präsident der Organisation Alain Ouandji, ein Franzose mit familiären Wurzeln in Kamerun, hat seit zwei Jahren in der Prager Jazzszene recherchiert. Schon letztes Jahr organisierte er verschiedene sogenannte Preview-Konzerte, also eine Art musikalischer Vorschau, mit bekannten einheimischen Bands wie dem Bohemia Saxophone Quartet oder dem Barock Jazz Quartett des virtuosen Bassisten Frantisek Uhlír. Aber auch ein Piano-Summit mit so erlesenen Pianisten wie Karel Ruzicka sen., Milan Svoboda oder Emil Viklický fand statt. Dabei war es für Ouandji auch wichtig, seinen Vorstellungen entsprechende Lokalitäten zu testen. Es ist ihm, wie er betont, ein Anliegen, dass der Jazz nicht nur an den gewohnten Orten, also etwa in den Klubs, stattfindet. Damit meint er, dass Jazz auch in sonst vor allem der klassischen Musik vorbehaltenen Konzertsälen, aber auch in Kirchen zu Gehör gebracht werden sollte. So fanden die Preview-Konzerte zum Beispiel in der Betlemské Kaple (Betlehems Kapelle), im Martinu-Saal der Musikakademie am Kleinseitner Ring oder im Nostitz Palast statt. Hauptveranstaltungsort fürs Festival war gar der Suk Saal im Rudolfinum. Eher ungewohnte Orte also für Jazz. Aber auch geeignete? Da seien einige Zweifel angebracht. Für klassische Musik ausgerichtete Konzerträume, noch mehr gilt das für Kirchen, sind akustisch eher problematisch für die

Jazzmusik. Vor allem schnelle Passagen, wie sie im Jazz nun mal vorkommen, verflüchtigen sich gern in den Höhen der Räume oder ein Schlagzeugsolo zerschmettert, rsp. verhallt an den Wänden. Wie dem auch sei. Grundsätzlich ist die Idee, den Jazz nicht nur dem Insider-Publikum nahe zu bringen, unterstützenswert. Ob aber die Idee Realität werden kann? Dazu später mehr.

Am Donnerstag, 23. Juni, war es dann soweit: das erste "Prague Jazz Open" Sommer Festival konnte beginnen. Und das tönte dann so.


Der kubanische Pianist Ramon Valle gehörte zu einem der sogenannten Windows (Fenster), die die Programmstruktur des Festivals prägten. Das heisst, es traten jeweils eine internationale Jazzband und eine osteuropäische, vorab tschechische und slowakische Gruppe auf. So gab es ein Karribisches und Südamerikanisches Fenster. Oder ein Skandinavisches Fenster. Ein sogenanntes "EU-Western Window" umfasste so bekannte Namen wie den italienischen Spitzentrompeter Paolo Fresu oder den österreichischen Saxofonisten Sigi Finkel mit seiner Band "African Heart", einer powervollen Gruppe vom schwarzen Kontinent.

Apropos Sigi Finkel. Leider zeigte sich bei diesem Anlass ein Problem, das so nicht vorauszusehen war, aber dennoch eintrat. Wer am Dienstag zum Nostitz Palast pilgerte, um die Afrikaner zu hören, stand vor verschlossenen Türen. Das Konzert war kurzfristig abgesagt worden, weil die Musiker aus Afrika kein Visum für die Einreise nach Tschechien erhalten haben sollen. Allerdings war am vorgesehenen Ort des Geschehens keinerlei Hinweis zu finden. Nur zwei Wärter versicherten uns, dass auf jeden Fall kein Konzert stattfinden werde.


"Sicher werden wir im Winter das zweite Festival organisieren", sagt Alain Ouandji in einem Gespräch, "aber wir müssen manches verbessern." Zweifellos ist das der Fall. Zu verbessern ist zum Beispiel die Informationspolitik ganz allgemein. Es darf nicht passieren, dass Konzerte ausfallen, und niemand weiss davon. Die PR fürs Festival war gelinde gesagt sehr diskret. So sah man kaum Plakate in der Stadt, ausserdem waren sie, was das Format angeht, viel zu klein. In den Printmedien fand der Anlass kaum statt. Mit Ausnahme der englischsprachigen Wochenzeitung "The Prague Post" fand es keine Zeitung für angebracht, auch nur eine Zeile oder gar einen Text geschweige denn eine Kritik zu veröffentlichen. Dass unter anderem deshalb der Publikumszuspruch zum Teil eher gering ausfiel, mag nicht verwundern. Was sicher auch überdacht werden muss, ist, wie schon anfangs erwähnt, die Wahl der Lokalitäten. Die meisten Konzerte fanden im Suk-Saal des Rudolfinums oder eben im Nostitz Palast statt. Das ist wohl noch gewöhnungsbedürftig. Nur zum Teil eben kamen die Leute zum Jazz in klassischen Konzertsälen.

Man darf bei aller Kritik nicht vergessen, dass aller Anfang auch in Hinsicht eines neu initiierten Jazzfestivals schwer ist. Prag verfügt über eine solide, historisch gewachsene und anerkannte Jazzszene mit verschiedenen grösseren Anlässen. Nicht zu vergessen die täglichen Konzerte in den Jazzklubs. Und so ist es nicht einfach, von aussen kommend sofort Fuss zu fassen und schlagartig erfolgreich zu sein. Die Veranstalter von "Prague Jazz Open" wissen das sicher spätestens jetzt, und mit potenten Sponsoren im Rücken (Hauptsponsor ist eine namhafte französische Automarke) und den nötigen Verbesserungen ist zu hoffen, dass dieses Festival in Zukunft im grossen Konzert der Jazzveranstaltungen mithalten kann.

Hören wir zum Schluss den italienischen Trompeter Paolo Fresu in einer Eigenkomposition mit dem Titel "Ton Kohz". Vorher verabschiedet sich mit swingenden Grüssen Ihr Alexander Schneller.