Fehlende Regierungsstrategie zur Schuldenkonsolidierung
Die tschechische Regierung hat kein ausreichendes Konzept, um ihr Haushaltsmanko und die Staatsschulden zu senken. So lautet eine Einschätzung, die die Ratingagentur Moody’s am Montag veröffentlicht hat.
Laut Moody’s geht die Konsolidierung des Haushaltsloches zu langsam voran. Die tschechische Regierung hätte sich diesbezüglich keine ausreichenden Ziele gesetzt, heißt es weiter. Tatsächlich ist die Staatsverschuldung im vergangenen Jahr um 410 Milliarden Kronen (15,9 Milliarden Euro) angestiegen. Das Finanzministerium rechnet zudem damit, dass sich dieser Trend noch einige Jahre fortsetzt. Jakub Seidler ist leitender Ökonom der ING Bank und Mitglied des Ausschusses für Haushaltsprognosen. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks zeigte er sich von dem Standpunkt von Moody’s wenig überrascht:
„Das kürzlich veröffentlichte Konvergenzprogramm zeigt, dass mit relativ hohen Defiziten auch noch nach 2022 gerechnet werden muss. Damit steigen die Regierungsschulden schnell an, von etwa 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes im Jahr 2019 bis auf fast 55 Prozent im Jahr 2024.“
Nach dieser Einschätzung droht den öffentlichen Finanzen im Jahr 2024 die Schuldenbremse. Diese definiert die Grenze, bei deren Erreichen die Regierung einen ausgeglichenen oder überschüssigen Haushaltsentwurf vorlegen muss. Das Finanzministerium hält dagegen. Es hätte bereits einen Alternativplan zur Verminderung des Schuldenstandes ausgearbeitet, kündigt sein Sprecher Michal Žurovec an:
„Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Maßnahmen sowohl auf der Einkommens-, als auch auf der Ausgabenseite. Damit sollte die Verschuldung im Jahr 2024 um zwei Prozent niedriger liegen, als es die Bewertung der Agentur Moody’s vorhersagt. In diesem alternativen Szenario wird die Höhe der Verschuldung 52,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes betragen.“
Der Kritik von Moody’s schließt sich die konservative Opposition an. Die Bürgerdemokraten etwa bemängeln, dass die Regierung für dieses Jahr nicht die Betriebsausgaben gesenkt hat. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jan Skopeček sagte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:
„Bei den Verhandlungen zum Staatshaushalt haben wir Einsparungen von fast 100 Milliarden Kronen vorgeschlagen. Das betraf verschiedene Subventionsgelder und auch Betriebskosten.“
Anfang Februar hatte Moody’s Tschechien noch eine stabile Bonität auf dem Niveau Aa3 bestätigt. Zum gleichen Zeitpunkt ließ sich die hiesige Regierung vom Abgeordnetenhaus ein Haushaltsdefizit von 500 Milliarden Kronen (19,3 Milliarden Euro) für das laufende Jahr genehmigen. Finanzministerin Alena Schillerová (parteilos) ist zuversichtlich, dies trotz anhaltender Corona-Krise nicht weiter erhöhen zu müssen:
„Ich rechne damit, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder voll anläuft. Dann renkt sich das sicher wieder ein.“
So Schillerová im Tschechischen Fernsehen. Ganz so einfach sei es nicht, entgegnete aber Mikuláš Ferjenčík von den Piraten, Der Vizevorsitzende des Haushaltsausschusses im Abgeordnetenhaus bezeichnete die Warnung von Moody’s als „großen Schlamassel“ und wies drauf hin, dass nur eine Hälfte der neuen Schulden auf die Corona-Krise zurückgeführt werden könne:
„Die zweite Hälfte des Defizits geht auf rasante Steuersenkungen zurück, die auf Pump gemacht werden und keinen Sinn ergeben. Es wird schwierig, dieses Problem allein durch Wirtschaftswachstum zu lösen. Eher muss es Einsparungen auf Seiten des Staates geben sowie mehr Steuereinnahmen. Hoffen wir, dass wirklich ein großer Aufschwung kommt. Ich denke aber, dass auch neue Einnahmequellen gefunden werden müssen.“
Schon Ferjenčíks Parteichef Ivan Bartoš hat in den vergangenen Tagen offenherzig von umfassenden Steuererhöhungen gesprochen, die nach den Wahlen im Oktober nötig werden. Nach aktuellen Umfragen hat Bartoš solide Chancen, der nächste tschechische Premierminister zu werden.