Das Zeitalter der Aufklärung im Fokus – zur neuen Saison der tschechischen Burgen und Schlössern
Mehr als 100 Burgen, Schlösser und weitere Baudenkmäler verwaltet das Nationale Institut für Denkmalpflege in Tschechien. Wegen der Corona-Pandemie sind bisher nur Parks, Gärten und weitere Außengelände der Residenzen für die Öffentlichkeit zugänglich. Aber die Verwalter der Baudenkmäler rechnen damit, Ende Mai wieder öffnen zu können.
Der Start für die Besuchersaison der Burgen und Schlösser musste wegen der Corona-Pandemie hinausgeschoben werden. Die Leiterin des Nationalen Instituts für Denkmalpflege, Naďa Goryczková, sagte auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag, sie habe erfahren, dass die Residenzen vermutlich am 31. Mai öffnen könnten.
„Wir sind darauf vorbereitet, unverzüglich zu öffnen, sobald das Regierungskabinett uns wieder erlaubt, Führungen anzubieten. Wir haben ein schweres Jahr hinter uns. Aber wir freuen uns schon auf die Besucher, nachdem die Baudenkmäler sieben Monate lang geschlossen waren. Ich bin in dieser Hinsicht optimistisch. Die Residenzen waren zwar lange geschlossen, dafür aber konnten wir in einigen Fällen die Restaurierungsarbeiten an einigen Gebäuden beschleunigen. Wir möchten unseren Besuchern möglichst bald neue Programme und Projekte vorstellen.“
Für einen der Touristenmagnete hält Goryczková in dieser Saison die mährische Burg Pernštejn / Pernstein. Dort wurde der verwüstete große Garten samt einigen Bauten vollständig restauriert und wiederbelebt. Aber die Institutsleiterin macht noch auf weitere Baudenkmäler aufmerksam, die nun in neuem Glanz erstrahlen:
„Wir öffnen bald den restaurierten Teil der Burg Kunětická hora nahe Pardubice. In den 1920er Jahren beteiligte sich der renommierte slowakische Architekt Dušan Jurkovič an der Gestaltung des Burgareals. Wir haben nun den Jurkovič-Palast in Stand setzen lassen. Dort werden zwei interaktive Dauerausstellungen gezeigt. In der einen wird das Werk von Jurkovič in Ostböhmen präsentiert. So hat sich der Architekt unter anderem an der Neugestaltung des Schlosses in Nové Město nad Metují beteiligt. Die zweite neue Dauerausstellung dokumentiert die Bauentwicklung der Burg Kunětická hora.“
Traditionelle Architektur in Pilsen
Nach einer Restaurierung wird ebenso der Bauernhof „U Matoušů“ wiedereröffnet. Es ist ein Beispiel traditioneller Architektur, das sich in Pilsen-Bolevec befindet. Der Bauernhof sei ein nationales Kulturdenkmal, betont Goryczková.
„Wir haben den Bauernhof vor etwa zwölf Jahren übernommen und uns damals verpflichtetet, ihn zu erneuern. Dort wird das Leben einer Bauernfamilie an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert dokumentiert. Ich hoffe, dass die Öffnung dieser Sehenswürdigkeit das kulturelle Leben in der Region befördern kann.“
Eröffnet wird im Juni auch das inzwischen zum Teil restaurierte Schloss Vimperk / Winterberg im Böhmerwald. Im Laufe der Saison rechnet Naďa Goryczková zudem mit neuen Besichtigungstrassen im restaurierten Teil des Renaissanceschlosses Uherčice / Ungarschitz nahe Znojmo / Znaim in Südmähren.
Das Barockschloss Veltrusy liegt etwa 25 Kilometer nördlich von Prag. Die frühere Residenz der Adelsfamilie Chotek befindet sich inmitten eines ausgedehnten einzigartigen Parks, in dem viele Empire-Bauten stehen. Das Areal wurde 2002 vom Hochwasser stark beschädigt. Schritt für Schritt hat man das Schloss wieder in Stand gesetzt und zugänglich gemacht. Das Hauptgebäude werde erst in den folgenden Tagen eröffnet, sagt Naďa Goryczková.
„Es ist vollständig restauriert. Die Besucher können unter zwei Besichtigungsrouten auswählen. Im Rahmen der Instandsetzung der Gebäude wurden auch rund 2000 Stück Mobiliar erneuert. Zudem denke ich, dass Veltrusy unweit von Prag zu einem Schlager der Besuchersaison werden könnte.“
Bei den Führungen durch die Burgen und Schlösser rechnen die Verwalter mit kleineren Besuchergruppen als noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie...
„Die Besucher sowie die Mitarbeiter der Schlossverwaltungen müssen FFP-2-Masken tragen. Zudem sollen strenge Hygiene-Maßnahmen eingehalten werden. Darauf sind wir vorbereitet, wir haben damit Erfahrung aus dem vergangenen Jahr. Für alle Sehenswürdigkeiten werden die Tickets online verkauft. Im Falle der meistbesuchten Baudenkmäler wird jedoch immer die Hälfte der Eintrittskarten für den Verkauf direkt an der Kasse reserviert sein. Dies gilt für Karlstein, Krumau, Hluboká und Konopiště. Wir fordern die Besucher jedoch dazu auf, vorrangig den Online-Verkauf zu nutzen.“
Seit einigen Jahren läuft in den vom Denkmalschutzinstitut verwalteten Burgen und Schlössern ein Programm- und Ausstellungszyklus mit dem Titel „Auf den Spuren der Adelsfamilien“. Jedes Jahr hat dieser einen anderen Schwerpunkt. In diesem Jahr steht laut Goryczková das Vermächtnis des Adels im Zeitalter der Aufklärung im Fokus.
„In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts breiteten sich die Gedanken der Aufklärung auch in Mitteleuropa aus. Unser Projekt ist sehr vielfältig. Beteiligt daran sind vor allem viele Sehenswürdigkeiten in Mähren, darunter die Schlösser Uherčice und Lednice. Von den böhmischen ist es beispielsweise das Schloss Slatiňany, in dem Ausstellungen zu sehen sein werden.“
Landschaft der Stille
Das Projekt „Der Adel im Zeitalter der Aufklärung“ wurde von der Regionalen Denkmalverwaltung im mährischen Kroměříž / Kremsier konzipiert. Dagmar Šnajdarová ist Sprecherin der Behörde:
„Unser Ziel ist es, die bedeutendsten adeligen Persönlichkeiten vorzustellen, die mit der Aufklärung verbunden sind. Dazu werden Ausstellungen organisiert, Bücher herausgegeben und Bildungsprogramme zusammengestellt. Wir wollen die Öffentlichkeit mit dem Schicksal, den Residenzen, den Sammlungen sowie persönlichen Gegenständen dieser Persönlichkeiten bekannt machen. Als erstes ist ein Buch erschienen, in dem die 50 bekanntesten Aufklärer aus adeligen Kreisen vorgestellt sind.“
Auf der Burg Pernštejn wird im Rahmen des Projekts eine neue Ausstellung eröffnet. Sie trägt den Titel „Wege in die Landschaft der Stille: mährische Adelsgärten in den Zeiten der Aufklärung“. Sie bezieht sich auf den Garten „Vrchnostenská zahrada“ (zu Deutsch etwa „Obrigkeitsgarten“), der über mehrere Jahre hinweg restauriert wurde. Dagmar Šnajdarová:
„Den Garten, der sich unterhalb der Burg befindet, öffnen wir am 28. Mai. Angelegt wurde er vom namhaften Aufklärer Ignaz Schröffel, Freiherr von Mannsberg. Der Garten besteht eigentlich aus vier Teilen: dem formalen Garten, dem Barockgarten, dem anglo-chinesischen Garten und einem Wald. Wir rechnen mit großem Interesse am Besuch des Gartens, denn er weckt Emotionen. In den ersten drei Gärten erlebt der Besucher das Wohlgefühl, genießt die Sonne, das Licht. Anschließend betritt er den dunklen Teil des Areals, den Wald, in dem ein Kenotaph steht, und der andere Befindlichkeiten hervorruft.“
Da der Garten völlig neugestaltet sei, können die Verwalter nicht aschätzen, was die Besucher am meisten interessieren dürfte...
„Die Wege sind dort sehr verflochten. Es gibt dort Hauptwege, die gekennzeichnet sind, sowie unbefestigte Nebenwege. Wir werden sehen, wo die Besucher am liebsten spazieren. Ursprünglich bestand dort nur der Barockgarten. Erst Baron Schröffel hat das Areal erweitert und grundlegend umgestaltet.“
Afrikaner in Wiener Adelskreisen
An das Zeitalter der Aufklärung wird auch auf der Burg Veveří / Eichhorn nahe Brünn erinnert.
„Dort wird eine völlig neue Besichtigungsroute eröffnet. Gezeigt werden die restaurierten Empiresalons und der Rokoko-Salon. Dort werden die Wandmalereien aus dem 18. Jahrhundert vor den Augen der Besucher restauriert. Diese haben die Möglichkeit, die feinfühlige Arbeit der Restauratoren zu beobachten und ihnen Fragen zu stellen.“
Der letzte Besitzer von Veveří aus königlicher Familie war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gustav Gustavsson, Prinz von Vaasa, der Sohn des abgesetzten schwedischen Königs war. Er lebte dort zusammen mit seiner Frau, der Prinzessin Luise Amelie Stephanie von Baden, und der Tochter Carola, die später sächsische Königin wurde.
In der Zeit der Aufklärung wurde die Idee der Toleranz über das Religiöse hinaus erweitert – in Richtung einer allgemeinen Toleranz. Im Rahmen des Projektes über den Adel im Zeitalter der Aufklärung wurde eine Wanderausstellung zusammengestellt, die an das Schicksal von Afrikanern erinnert, die in den Diensten der Habsburger Monarchie in den Böhmischen Ländern tätig waren. Dagmar Šnajdarová:
„Es handelt sich um die Ausstellung mit dem Titel ,Erinnerungen an eine schwarzweiße Welt‘. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht die Persönlichkeit von Angelo Soliman, der sich in Wiener Adelskreisen bewegte. Die Schau wird im Garten des Schlosses Lednice eröffnet. Anschließend soll sie in Jindřichův Hradec und in Slatiňany gezeigt werden.“