Tschechien setzt Sanktionen gegen Belarus um – Kritiker fordern härteres Vorgehen
Nach der erzwungenen Landung eines Flugzeugs in Belarus hat auch Tschechien reagiert – und zwar mit Flugverboten, wie diese beim EU-Sondergipfel vereinbart worden sind. Doch politische Beobachter hierzulande und Exil-Weißrussen können sich noch deutlichere Maßnahmen vorstellen.
Am Mittwoch hat die tschechische Regierung erste Konsequenzen gezogen aus der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Minsk. So hat sie der staatlichen weißrussischen Airlines Belavia Landungen in Tschechien verboten. Vizepremier und Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček (parteilos):
„Das Verbot gilt ab Freitag – und zwar in der Form, dass der geltende Flugplan für Belavia für die Saison 2020/21 ausgesetzt wird. Dies hat so lange Bestand, bis die Zwangslandung des Flugzeugs von Ryanair untersucht ist.“
Bereits seit Mittwoch umfliegen die Czech Airlines den Luftraum von Belarus. Beide Maßnahmen hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs am Montag bei ihrem Gipfel empfohlen.
Grund ist das Vorgehen des weißrussischen Regimes vom Sonntag. Ein Linienflug von Ryanair war auf dem Weg von Athen nach Vilnius in Litauen. Beim Flug über Belarus wurden die Piloten gezwungen, in Minsk zu landen. Dazu war eine MIG-Kampfmaschine in die Luft geschickt worden. Am Boden wurden dann der oppositionelle weißrussische Blogger Roman Protassewitsch und seine russische Freundin Sofia Sapega verhaftet. Protassewitsch lebt seit einigen Jahren im Exil, weil er sich in seiner Heimat nicht mehr sicher fühlt.
Am Montag berieten die politischen Spitzen der EU über Sanktionen gegen das weißrussische Regime unter Staatspräsident Alexander Lukaschenko. Der tschechische Premier Andrej Babiš (Partei Ano) sprach dabei von einem „Akt des Terrorismus“ vonseiten Belarus. Die stellvertretende EU-Kommissionschefin Věra Jourová fasste am Dienstag in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks die Stimmung in Brüssel zusammen:
„Man konnte bei dem Gipfel sehen, wie geschockt die europäischen Spitzen davon sind, wie weit Lukaschenkos Regime gewillt ist zu gehen. Ihre Stellungnahmen waren eindeutig. Das passiert nur selten. Meist warten die Staats- und Regierungschefs die gemeinsamen Beschlüsse ab, bevor sie sich äußern. Ich selbst unterstütze auch ein möglichst hartes Vorgehen gegen Belarus. Die Sanktionen müssen dem dortigen Regime vor allem auch wirtschaftlich wehtun.“
Laut Jourová sind aber auch weitere Sanktionen der EU gegen Russland denkbar, denn der Kreml unterstützt Lukaschenkos Vorgehen. Der Politologe und ehemalige Diplomat Vladimír Votápek wies im Tschechischen Rundfunk ebenfalls auf diese Verbindung hin. Er forderte, dass nicht nur weißrussische Flugzeuge in der EU ein Landeverbot erhalten sollten, sondern alle Maschinen, die in Belarus starten.
„Für Lukaschenko dürfte es kein Problem sein, die Flugzeuge von Belavia durch solche von russischen Gesellschaften zu ersetzen. Ökonomisch werden das die beiden Diktatoren problemlos miteinander aushandeln. Formal wäre dann möglich, dass die weißrussische Flotte etwa durch Ural Air oder Aeroflot ersetzt wird“, erläuterte Votápek.
Deswegen sollte Tschechien sehr genau beobachten, welchen Effekt die derzeitigen Sanktionen tatsächlich haben, empfahl der Experte.
Am Mittwoch wurde auch im tschechischen Abgeordnetenhaus über das weißrussische Vorgehen debattiert. In einer Erklärung, die verabschiedet wurde, fordern die Abgeordneten eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls. Zugleich wurde die Regierung in Minsk aufgerufen, den Blogger Protassewitsch und seine Freundin sofort freizulassen. Der weißrussische Oppositionelle Vladislav Jandjuk, der seit 1997 in Tschechien im Exil lebt, glaubt jedoch nicht an eine Rettung des Aktivisten. Er befürchte, dass Protassewitsch zu Tode gefoltert werde, sagte er im Tschechischen Rundfunk – und empfahl ebenfalls eine Verschärfung der Sanktionen:
„Man muss die Geldströme stoppen. Das heißt, es müssen die Vermögen jener Menschen eingezogen werden, die unmittelbar mit dem Regime in Minsk verbunden sind. Die Namen dieser Personen lassen sich problemlos ausfindig machen.“
Bereits am Montag haben die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass schon demnächst der Handelsaustausch mit bestimmten weißrussischen Unternehmen innerhalb der Europäischen Union beschränkt werden soll.