Neue Initiative will Position und Bekanntheit von Baudenkmälern stärken
In diesen Tagen werden hierzulande nach der Corona-Pause allmählich wieder die Innenräume der Burgen und Schlösser für die Öffentlichkeit geöffnet, wenn auch unter strengen hygienischen Maßnahmen. Ein Teil der historischen Baudenkmäler ist in Tschechien in staatlichem Besitz. Dieser wird vom Nationalen Institut für Denkmalpflege verwaltet. Hunderte von Sehenswürdigkeiten gehören wiederum Privatpersonen, Kirchen, Städten und Gemeinden. Diese Eigentümer gründeten vor kurzem einen Verband.
Wegen der Corona-Pandemie waren sämtliche Museen, Burgen, Schlösser und Galerien hierzulande lange geschlossen – zunächst im Frühjahr letzten Jahres und dann seit dem Herbst bis in den Mai hinein. Zugänglich sind seit einigen Wochen nun die Außenbereiche der Residenzen. Den Eigentümern der Baudenkmäler fehlen darum finanzielle Mittel, die sie normalerweise mit den Eintrittskarten einnehmen. Kateřina Šrámková ist Vorsitzende des neuen Verbands der nicht staatlichen offenen Sehenswürdigkeiten (Anopa):
„Wir haben zu Jahresbeginn Umfragen durchgeführt, um die Verluste beziffern zu können. Es gelang uns, Daten von 38 Sehenswürdigkeiten zusammenzutragen, die nicht in staatlichem Besitz sind. Sie haben im vergangen Jahr um rund zwei Millionen Besucher weniger verzeichnet als ein Jahr zuvor.“
Der neue Anopa-Verband präsentierte seine Ziele vorige Woche auf einer Pressekonferenz in Prag. Petr Lukas gehört zu den Mitbegründern des Verbandes:
„Während die Baudenkmäler, die in staatlichem Besitz sind, gleich zu Beginn der ersten Pandemie-Welle eine Kompensation für ihre finanziellen Verluste bekamen, haben die Eigentümer anderer Sehenswürdigkeiten bisher nichts erhalten. Dank Tomáš Prouza (Vorsitzender des Verbandes für Handel und Fremdenverkehr, Anm. d. Red.) und weiteren Beamten konnten wir aber über mögliche Unterstützungszahlungen verhandeln. Die ökonomischen Probleme waren unter anderem der Beweggrund für die Gründung des Verbandes nicht staatlicher offener Sehenswürdigkeiten. Dazu kam es im Januar dieses Jahres auf Schloss Kroměříž. Neben den Verhandlungen über eine finanzielle Unterstützung möchten wir unseren Mitgliedern auch in anderen Bereichen unter die Arme greifen – bei der Werbung, beim Marketing und im Public Relations-Bereich.“
Motivationsprogramm für Besucher
Petr Lukas ist Initiator eines Projektes mit dem Titel „Entdecke historische Sehenswürdigkeiten“. Dieses gibt es seit vier Jahren. Das Internetportal bietet laut Lukas derzeit Informationen über rund 130 Baudenkmäler in ganz Tschechien:
„Darunter befinden sich Kulturdenkmäler sowie technische Sehenswürdigkeiten. Diese gehören Privatpersonen, Firmen, Kirchen, Städten oder Gemeinden. Für die Besucher haben wir ein Motivationsprogramm zusammengestellt, an dem 65 Sehenswürdigkeiten teilnehmen. Ziel ist es, die Öffentlichkeit auch auf weniger bekannte Residenzen aufmerksam zu machen und zu ihrem Besuch anzuregen. Oft handelt es sich um Gebäude, die erst in letzter Zeit eröffnet wurden. Das Programm läuft vom 1. Juni bis 31. Oktober. Mit einer Spielkarte sammelt der Besucher in den einzelnen Residenzen Stempel. Immer wenn er zwei Stempel vorweisen kann, bekommt er 50 Prozent Ermäßigung für die dritte Eintrittskarte. Sobald er sechs Stempel gesammelt hatte, gibt es freien Eintritt in das siebte Baudenkmal.“
Bisher hat der neue Verband nicht staatlicher Baudenkmäler 20 Mitglieder. Unter den Mitbegründern sind die Eigentümer der Schlösser Karlova Koruna / Karlskron, Kroměříž / Kremsier und Loučeň / Lautschin sowie der Burgen Kašperk / Karlsberg, Kost und Valdštejn / Waldstein. Petr Lukas dazu:
„Ich denke, die Arbeit unseres Verbands ist gut angelaufen. Ich bin davon überzeugt, dass sich weitere Schlossbesitzer anschließen, sobald sie konkrete Ergebnisse sehen werden. Das Projekt ,Entdecke historische Sehenswürdigkeiten‘ wurde zwar unter bescheidenen Bedingungen ins Leben gerufen. Aber schon im ersten Jahrgang bekundeten rund 65 Kollegen ihr Interesse, daran teilzunehmen. Dabei handelt es sich um Kastellanen, Eigentümer und Verwalter von verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Sie waren genauso wie ich damit unzufrieden, dass in den Medien immer wieder die gleichen Baudenkmäler präsentiert werden. In diesem Jahr haben sich schon 106 Baudenkmäler dem Projekt ,Entdecke historische Sehenswürdigkeiten‘ angeschlossen.“
Laut Lukas gibt es in Tschechien einige Hundert Sehenswürdigkeiten, die nicht in staatlichem Besitz sind. Er selbst verwaltet das Lustschloss der Familie Mitrovský in Brno / Brünn. Das romantische Schlösschen wurde Ende des 18. Jahrhunderts in Altbrünn erbaut. Heute sind dort seinen Worten zufolge zwei Ausstellungen zu sehen: Die erste trägt den Titel „Geschichte des Naschens“ und konzentriert sich auf die Herkunft bekannter Süßwaren sowie die berühmten Brünner Konditoreien. Die zweite Schau über die Welt der Kobolde und Zwerge ist für Kinder bestimmt.
Der neue Verband historischer Sehenswürdigkeiten hat inzwischen die Zusammenarbeit mit der staatlichen Agentur Czech Tourism aufgenommen. Veronika Janečková leitet die Abteilung für Management und regionale Zusammenarbeit:
„Wir begrüßten die Initiative der Besitzer von Residenzen, die nicht vom Nationalen Institut für Denkmalpflege verwaltet werden. Denn einen Touristen interessiert kaum, wer der Verwalter eines Baudenkmals ist. Er will vielmehr gern neue oder weniger bekannte Sehenswürdigkeiten besichtigen. Wir wollen die Aktivitäten der Mitglieder des Verbands unterstützen. Während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass derartige Vereinigungen wirklich Sinn haben. In der Zeit der Krise war eine starke einheitliche Stimme erforderlich. Wenn ein Unternehmer allein dasteht, kann er nichts erreichen. Die Verbände waren imstande, ihren Mitgliedern unter die Arme zu greifen.“
Kurz vor Redaktionsschluss informierte das Kulturministerium darüber, dass auch nicht staatliche Museen, Galerien und weitere Sehenswürdigkeiten unter bestimmten Bedingungen eine finanzielle Kompensation wegen der Corona-Pandemie für das vergangene Jahr beantragen können. Die Summe kann bis zu 80 Prozent der anerkannten Betriebskosten für das Jahr 2020 decken.