Fairtrade-Markt in Tschechien: Aufwärtstrend hält trotz Corona-Krise an
2020 war auch ein schwieriges Jahr für den Handel mit Fairtrade-Produkten. Mit den Folgen der Corona-Pandemie hatten und haben die Produzenten von Kaffee oder Bananen in den Ländern des Globalen Südens zu kämpfen, ähnlich wie ihre Handelspartner in Europa. Die Organisation Fairtrade Tschechien und Slowakei konnte in ihrer alljährlichen Pressekonferenz dennoch einen wachsenden Absatz von fair hergestellten Waren hierzulande präsentieren. Und sie hatte weitere positive Neuigkeiten zu verkünden.
Lebensmittel und Verbraucherprodukte, die das Fairtrade-Logo tragen, lassen sich in Tschechien schon seit 20 Jahren kaufen. Inzwischen sind hierzulande nun auch Rosen zu bekommen, die in Ländern des Globalen Südens unter würdevollen Arbeitsbedingungen gezüchtet werden und für die den Plantagenarbeitern ein fairer Lohn ausgezahlt wird. Diese Neuigkeit auf dem tschechischen und slowakischen Markt stellte Hanka Malíková im Juni in einer Pressekonferenz vor. Die Direktorin des Länderbüros von Fairtrade International erläuterte dazu:
„Ein wichtiges Fairtrade-Produkt sind Schnittblumen, die eine der Marktneuheiten des vergangenen Jahres darstellen. Wenn man ganz knapp sagen will, mit welchen Problemen die Arbeiter auf konventionellen Plantagen konfrontiert sind, dann sind das am häufigsten sehr schlechte Arbeitsbedingungen. Im Blumengewerbe arbeiten viele Frauen, und nicht selten sind sie dem Missbrauch und weiteren negativen Bedingungen ausgesetzt. Oft haben sie keine Arbeitsverträge, und es ist schwierig für sie, etwa Mutterschaftsurlaub zu beanspruchen.“
Eine Fairtrade-Rose hingegen garantiert bessere Bedingungen für die Plantagenarbeiter. Hinzu kommt eine finanzielle Unterstützung in Form einer Prämie, die ergänzend zum Mindestpreis für eine einzelne Blume ausgezahlt wird. Malíková kann dies genau beziffern:
„Ungefähr Mitte des vergangenen Jahres hielten Fairtrade-Rosen Einzug auf dem tschechischen und slowakischen Markt, und dies mittels der beiden Supermarktketten Kaufland und Lidl. In Tschechien wurden 2020 insgesamt 668.000 Stück verkauft, was einer Produzenten-Prämie von 256.000 Kronen (10.000 Euro, Anm. d. Red.) entspricht. In der Slowakei liegen die Zahlen etwas niedriger. Dort wurden im vergangenen Jahr 81.000 Stück Rosen verkauft und damit eine Prämie von 1177 Euro eingenommen.“
Fairtrade oder auch fairer Handel, das ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Produzenten aus dem Globalen Süden und Verbrauchern im Globalen Norden. Im tschechischen Sprachgebrauch wird, ähnlich wie im Deutschen, häufig die englische Bezeichnung verwendet, zumeist in der getrennter Schreibweise „Fair Trade“. Fair gehandelte Produkte sind mit verschiedenen Siegeln und Zertifikaten gekennzeichnet. Das bekannteste von ihnen ist das blau-grüne Logo mit einer schwarzen, winkenden Figur. Eben dies wird von Fairtrade International vergeben, deren Trademark der Begriff „Fairtrade“ ist – geschrieben in einem Wort.
Marktneuheiten: Rosen und Bananen
Den Absatz von eben diesen zertifizierten Produkten hierzulande koordiniert das Länderbüro Fairtrade Tschechien und Slowakei. Alljährlich gibt es Auskunft über die Marktentwicklung. Einen angestammten Platz in diesen Statistiken hat Kaffee, mit dem die Geschichte der Organisation in Europa einst ihren Anfang nahm. Auch in Tschechien würden viele Menschen vor allem Kaffee mit dem fairen Handel verbinden, so Malíková:
„Für uns ist sehr interessant und natürlich auch erfreulich, dass sogar im vergangenen Jahr, als die Situation für Cafés und Kaffeehäuser wegen der Corona-Pandemie sehr schwierig war, ein Anstieg von neun Prozent beim Verkauf von Fairtrade-Kaffee verzeichnet werden konnte. Dies ist der Tatsache zu verdanken, dass Kaffee heute auch in einer Reihe von Supermarktketten angeboten wird. Sein Absatz ist nicht mehr so stark abhängig vom Umsatz in Kaffeehäusern.“
Konkret wurden 2020 in Tschechien 968 Tonnen grüner, das heißt ungerösteter Kaffeebohnen verkauft. In der Slowakei waren es 415 Tonnen, was einen Anstieg von 34 Prozent darstellte. In beiden Ländern gibt es mittlerweile auch Röstereien, die fair gehandelten Kaffee verarbeiten. Solche Handelspartner zu gewinnen, ist das Hauptanliegen des Fairtrade-Länderbüros. Gegründet wurde diese tschechische NGO im Jahr 2004 unter dem Namen „Asociace pro fair trade“ (Fair-Trade-Verband). Dort hatten sich mehrere Organisationen zusammengeschlossen, die das Prinzip des fairen Handels in Tschechien einführen und unterstützen wollten. Auch nach dem Anschluss an die Dachorganisation Fairtrade International blieb das Büro als Mitgliederverband strukturiert. 2014 dehnte es seine Tätigkeit auf die Slowakei aus.
Dort wie auch in Tschechien wurden 2020 als zweite Marktneuheit Fairtrade-Bananen eingeführt. Hana Malíková:
„Auf dem tschechischen und slowakischen Markt wurden im vergangenen Jahr insgesamt 508 Tonnen Fairtrade-Bananen verkauft. Interessant daran ist, dass sie erstmals im Juni angeboten wurden und die Zahlen also nur für ein halbes Jahr gelten. Der Hauptanbieter ist die Supermarktkette Kaufland. Dank dieses Absatzes konnte den Bananenbauern eine Fairtrade-Prämie von 638.000 Kronen ausgezahlt werden.“
Umgerechnet sind dies etwa 25.000 Euro. Die Rede von Fairtrade-Bananen als Marktneuheit im Jahr 2020 könnte so manchen Konsumenten irritieren. Denn tatsächlich war es schon vorher möglich, dieses Obst mit einem Siegel des fairen Handels in Tschechien zu bekommen, etwa in Bio-Läden. In diesem Falle haben die Betreiber die Bananen aber bei Zwischenhändlern zum Beispiel in Deutschland oder in Österreich eingekauft. Was Fairtrade Tschechien und Slowakei nun als Neuheit präsentieren konnte, ist die dauerhafte und vertraglich geregelte Einfuhr dieser Früchte in direkter Abnahme von den Produzenten. Dafür hat sich die Kette Kaufland als offizieller Fairtrade-Handelspartner zertifizieren lassen.
Fairtrade-Prämie spielte 2020 wichtige Rolle
Auf der anderen Seite verfügen auch die Genossenschaften der Kleinbauern und Plantagenarbeiter, die die Bananen, den Kaffee, aber auch Rohrzucker oder Baumwolle zu fairen Bedingungen anbauen, über diese Fairtrade-Zertifizierung. Nach Auskunft von Hana Malíková sind in diesem Handelssystem derzeit 1,7 Millionen Kleinbauern in 72 Ländern zusammengefasst. Mit den Verkäufen aller Fairtrade-Produkte in Tschechien und der Slowakei seien 2020 Prämiengelder von insgesamt 27 Millionen Kronen (eine Million Euro) generiert worden. Zur Bedeutung dieser Finanzmittel sagte Malíková:
„Es handelt sich um eine Bonuszahlung, die die Produzentengenossenschaften über den Rahmen der festgelegten Mindestpreise hinaus bekommen. Wichtig ist, dass über die Verwendung dieser Prämie in einer gewählten Kommission demokratisch abgestimmt wird. Jeder, der in die betreffende Fairtrade-Organisation involviert ist, kann sich an dieser Entscheidung beteiligen. Allgemein gilt, dass diese Gelder den Kleinbauern eine Qualitätssteigerung im Anbau ermöglichen sollen oder eine Weiterentwicklung ihrer Gemeinde, etwa durch Investitionen in Schulen oder in den Bau von Gesundheitszentren.“
2020 hätten die Prämienzahlungen zudem eine besondere Rolle bei der Bewältigung der Corona-Krise gespielt:
„Das vergangene Jahr war extrem anstrengend für die Kleinbauern. Durch die Fairtrade-Prämie konnten sie besser auf die Pandemie reagieren. Eine Reihe von Genossenschaften kaufte damit etwa Schutz- und Desinfektionsmittel ein oder organisierte Corona-Tests. Außerdem wurden Lebensmittelpakete für die Arbeiter zusammengestellt. Vielen Menschen half das also, mit der Situation klarzukommen.“
Die höchste Prämiensumme für ein Produkt wurde 2020 mit dem Verkauf von Kakaobohnen eingenommen. In Tschechien waren dies 15 Millionen Kronen (590.000 Euro), in der Slowakei 315.000 Euro. Schokoladenprodukte sind laut Malíková eben die Fairtrade-Artikel, die auf dem hiesigen Markt am sichtbarsten sind und das schnellste Wachstum aufweisen. Einen entsprechend hohen Anteil haben sie also am steigenden Bekanntheitsgrad des Fairtrade-Prinzips in den beiden Ländern. Fairtrade Tschechien und Slowakei lässt diesbezüglich seit zwei Jahren eine regelmäßige Umfrage durchführen über das Kaufverhalten und das Konsumbewusstsein der Verbraucher hierzulande.
Tomáš Bílý, der in der Organisation für die Finanzen zuständig ist, präsentierte auf der Pressekonferenz die Haupterkenntnis des dritten Umfragejahrganges. Demnach erkennen bereits 63 Prozent der Tschechen und 52 Prozent der Slowaken das Fairtrade-Logo wieder, wenn man es ihnen vorlegt. Für den tschechischen Markt zieht Bílý folgende Bilanz:
„Im Jahresvergleich heißt das, dass der Bekanntheitsgrad des Fairtrade-Logos stetig steigt. 2021 haben nur noch 37 Prozent der Befragten angegeben, dass sie dieses Logo nicht kennen. Das Wissen um seine Bedeutung ist signifikant höher bei Personen mit Hochschulbildung sowie bei den Einwohnern von Prag.“
Wesentlich niedriger liegt die Trefferquote allerdings bei einer geforderten Spontannennung. Werden Menschen nach einer Kennzeichnung oder einem Logo gefragt, das über die Herkunft eines Produktes Auskunft gibt, wurde Fairtrade in elf Prozent der Fälle genannt. Es liegt damit an vierter Stelle nach zwei Siegeln für tschechische Produkte und der Bio-Kennzeichnung. In der Slowakei haben sogar nur sechs Prozent der Befragten eine entsprechende Antwort gegeben.
Es gibt also noch einiges an Potential in der Arbeit von Fairtrade Tschechien und Slowakei. Diese besteht freilich nicht nur im Verkauf von fair gehandelten Produkten oder klassischen Werbekampagnen. Unterstützer hat die Organisation in Partner-Städten, -Schulen und -Kirchen. Zu den ersten beiden Fairtrade-Städten in Tschechien wurden 2011 Litoměřice /Leitmeritz und Vsetín / Wsetin ernannt. Inzwischen tragen 13 Städte im Land diesen Titel, und vier weitere gelten derzeit als Anwärter.