Selbst Goethe war damals begeistert von Mariánské Lázně / Marienbad. Denn der Kurort entstand vor etwas mehr als 200 Jahren inmitten eines Sumpfgebiets. In der Folge entwickelte sich eine mondän wirkende Kleinstadt. Inmitten der Atmosphäre des 19. Jahrhunderts werden heute insgesamt 40 Quellen für unterschiedliche Behandlungen genutzt. Mehr zu Geschichte und Gegenwart von Marienbad nun im dritten Teil unserer Serie über tschechische Kurbäder.
Die „Singende Fontäne“ ist eine der Attraktionen von Marienbad. Jeweils zur vollen Stunde sprudelt und spritzt an dem Springbrunnen das Wasser, begleitet von höchst unterschiedlicher Musik – von Verdi und Dvořák bis zu Karel Gott und Céline Dion.
Das gab es natürlich noch nicht, als Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts der reguläre Kurbetrieb begann. Jaromír Bartoš leitet das städtische Museum:
„Marienbad ist die jüngste Stadt des berühmten Bäderdreiecks. Dass es hier in der Gegend aber Mineralquellen gibt, war schon viel früher bekannt. Der erste Beleg dafür ist ein Schreiben von Kaiser Ferdinand I. aus dem Jahr 1528. In diesem bat er den Abt des Klosters Tepl darum, eine Probe der Mineralwässer nach Prag zu schicken. Diese Probe sollte darauf analysiert werden, ob sich nicht Salz gewinnen ließe. Einige Hundert Jahre lang gab es immer wieder solche Versuche. Aber das Ergebnis war immer dasselbe: Kochsalz ließ sich nicht gewinnen, sondern nur Glaubersalz, das abführend wirkt.“
Marienbad heißt nach einer der Quellen, um die sich wiederum eine Legende rankt. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schilderte der Museumsleiter diese Geschichte so:
„Es ist die Marienquelle, die in ihrer Art als außergewöhnlich bezeichnet werden kann. Sie beinhaltet sehr reines Kohlendioxid. Dieses entsprechende Wasser sprudelte früher in einem Moorweiher, sodass es auf märchenhafte Weise wie kochendes Wasser in einem Topf aussah. In früheren unruhigen Zeiten zogen auch viele Soldaten durch die hiesige Gegend, die nach den heilenden Quellen suchten. Einer dieser Soldaten soll seine wunden Füße in das sprudelnde Wasser des Moorweihers gesteckt haben. Da Kohlendioxid die Durchblutung fördert, heilten seine Wunden schnell. Aus Dankbarkeit zog der Soldat ein Marienbild aus seinem Tornister und befestigte es mit einem Messer an einem nahen Baum. Weitere Reisende sahen das Bild und benannten die Quelle auf Deutsch Marienquelle.“
Und daraus wurde dann der Name für die gesamte Stadt abgeleitet. Die Marienquelle befindet sich in der Nähe des heutigen Zentralbades. Weil sie unter anderem Schwefelwasserstoff enthält, wird sie auch „Stinker“ genannt.
Sprudelndes Wasser im Moorweiher
Dass Marienbad als Kurort entstand, ist vor allem dem Orden der Prämonstratenser zu verdanken. Diese saßen im nahen Stift Teplá / Tepl.
„Der Erste, der beim Abt in Tepl um den Bau von Marienbad warb, war der Stiftsarzt Johann Josef Nehr. Ab 1797 war er in dem Kloster beschäftigt und fuhr häufig zu den Heilquellen. Dabei überzeugte er sich selbst von der Wirkung sowohl der Marien- als auch der Kreuzquelle. Geduldig erläuterte er jedem Abt, warum eine Investition in dem Bereich sinnvoll wäre – bis er bei Karl Prokop Reitenberger Gehör fand“, erläutert Jaromír Bartoš.
Auf Initiative des Abtes Reitenberger wurde 1818 dann Marienbad gegründet. In der Folge ließen die Prämonstratenser auch die Sümpfe vor Ort trockenlegen, sodass Parkanlagen entstehen konnten. Als Johann Wolfgang von Goethe 1820 das erste Mal dort war, lag der Kurbetrieb praktisch noch in den Windeln. Bis 1824 besuchte der Dichter insgesamt vier Mal den westböhmischen Kurort. Dazu der Museumsleiter:
„Die gesamte Entwicklung hier hat Goethe beeindruckt. Er war verwundert darüber, wie mitten in den Sümpfen eine wunderschöne Stadt entstand. Deswegen zog er später von Karlsbad auch hierher.“
Zudem entflammte in Marienbad Goethes letzte intensive Liebe – und zwar zur jugendlichen Ulrike von Levetzow. Gerade dem deutschen Dichterfürsten und seinen Besuchen ist der ganze erste Stock des Stadtmuseums gewidmet.
Aber Goethe war bei Weitem nicht der einzige VIP-Gast. Die Komponisten Frédéric Chopin und Richard Wagner zog es ebenso in das Kurbad sowie die Schriftsteller Nikolaj Gogol, Iwan Turgenjew und Mark Twain oder auch den Philosophen Friedrich Nietzsche.
Als Goldene Ära von Marienbad gelten allerdings die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg…
„Damals kamen die Herrschergeschlechter hierher. 1904 fand in Marienbad ein Treffen der Monarchen statt – und zwar des Habsburger Kaisers Franz Joseph I. und des britischen Königs Edward VII.“, so Jaromír Bartoš.
Letzterer weilte übrigens sogar neunmal im Kurort.
Goethes Besuche
Noch heute trifft man Marienbad so an, wie es schon König Edward VII. erlebt hat. Denn der größte Teil der Gebäude in historisierenden Stilen ist erhalten geblieben – und wurde 1992 unter Denkmalschutz gestellt. Eingefasst ist das alles in eine äußerst grüne Umgebung. Die Marienbader Kurärztin Růžena Vaňková sieht dies als ein großes Ganzes:
„Es ist eine wunderschöne Stadt mit großen Parkanlagen, Wäldern und natürlichen Heilquellen. Insgesamt 40 Quellen sprudeln hier, die sich durch unterschiedliche chemische Zusammensetzungen auszeichnen.“
Daher sind die Ärzte in Marienbad auf die Heilung zahlreicher Beschwerden spezialisiert…
„Hier werden viele gesundheitliche Probleme behandelt. Dazu gehören vor allem Nierenleiden, Rückenschmerzen und Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats. Derzeit sind es aber vor allem Erkrankungen der Atemwege“, so Vaňková.
Deswegen ist die Kurstadt auch zu einem Zentrum geworden für die Behandlung von „Long Covid“, also den anhaltenden Symptomen nach einer Corona-Infektion:
„Long-Covid-Patienten haben meist Atemprobleme, leiden unter Schlaflosigkeit und unter Rücken- oder Gelenkschmerzen. Gerade für eine Behandlung dieser Probleme bieten wir hier die besten Voraussetzungen. Durch die Lage des Ortes am Rand des Kaiserwaldes sind die Luft sauber und frei von Allergenen sowie das Klima kräftigend. Dabei hilft auch die sogenannte Waldquelle, weil sie die Bronchen und die Atemwege befreit. Dazu kommen Sauerstoffprozeduren, Massagen und Elektrotherapie. Am Wichtigsten ist aber für Long- und Post-Covid-Patienten die Atemtherapie. Dazu haben wir speziell geschulte Physiotherapeuten.“
Im Übrigen liegt Marienbad auf angenehmen 630 Metern Meereshöhe. Dadurch ist es hier auch etwas kühler als beispielsweise in Prag. Laut Kurärztin Vaňková bieten sich im Falle von Long oder Post Covid noch weitere Marienbader Heilquellen an:
„Das ist zum Beispiel die Rudolfquelle, sie hat eine harnfördernde Wirkung – denn Long- oder Post-Covid-Patienten haben häufig auch Nierenerkrankungen. Außerdem lässt sich von der Kreuzquelle trinken. Sie hilft bei Verdauungsproblemen. Aber natürlich ist es immer besser, sich zunächst mit einem Arzt zu beraten. Nur so erfährt man, wie viel Wasser man von welcher Quelle trinken sollte.“
Die Kreuzquelle eignet sich laut den Aussagen von Fachleuten zum Beispiel nicht unbedingt für Menschen mit Bluthochdruck oder Herzpatienten. Das Wasser der Rudolfquelle mit seinem hohen Gehalt an Kalzium und Magnesium, aber wenig Natrium, gilt hingegen als so etwas wie das Universalheilmittel in Marienbad.