Tschechien setzt Evakuierungsflüge aus Afghanistan fort
Auf dem Prager Flughafen Kbely ist am späten Dienstagabend ein zweites Militärflugzeug gelandet, mit dem tschechische Diplomaten, Soldaten sowie Ortskräfte aus Afghanistan evakuiert wurden. Eine dritte Maschine ist noch in der Nacht nach Kabul geflogen.
87 Passagiere waren an Bord der Maschine, die Kabul am Dienstagnachmittag in Richtung Tschechien verlassen hat. Außenminister Jakub Kulhánek (Sozialdemokraten) machte in einer Pressemitteilung Angaben über die Zusammensetzung der Gruppe, Zitat:
„Neben unserem Botschafter (Jiří Baloun, Anm. d. Red.) sowie Soldaten sind dies vor allem unsere afghanischen Mitarbeiter und ihre Familien, einschließlich kleiner Kinder, denen in Kabul eine große Gefahr drohte. Nach sehr anstrengenden Verhandlungen des Krisenstabs fühlte ich eine große Erleichterung, als das Flugzeug endlich abhob. Wegen der Präsenz der Taliban auf dem Flughafen war es für alle ausgewählten Personen extrem schwierig, dorthin und auch an Bord des Flugzeuges zu gelangen.“
Zitatende.
Laut Angaben von Premier Andrej Babiš (Partei Ano) transportierte die Militärmaschine auch zwei polnische Staatsangehörige. Was die afghanischen Passagiere nach ihrer Ankunft in Prag nun erwartet, darüber gab Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) am Dienstag vor Journalisten Auskunft:
„Alle Personen, die nun einfliegen, müssen zunächst für zehn Tage in Quarantäne. Während dieser Zeit werden wir ihren Aufenthaltsstatus in Tschechien diskutieren. Dann führen wir mit ihnen noch individuelle Gespräche, um zu erfahren, wie sie sich selbst ihre Zukunft vorstellen.“
Zur Frage eines möglichen Asyls wird Hamáček am Donnerstag Verhandlungen mit den Kreishauptleuten führen. Der Prager Magistrat hat bereits seine Bereitschaft signalisiert, Menschen aus Afghanistan aufzunehmen, wie Oberbürgermeister Zdeněk Hřib (Piraten) im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen bestätigte:
„Ich habe eine ähnliche Zusammenarbeit angeboten, wie sie zwischen Prag und dem Innenministerium schon im Falle der belorussischen Dissidenten bestand. Damals haben wir sechs Wohnungen zur Verfügung gestellt.“
Noch in der Nacht zum Mittwoch hat die tschechische Armeeführung ein drittes Flugzeug nach Afghanistan geschickt. Nach einem Zwischenstopp im aserbaidschanischen Baku ist es sicher in Kabul gelandet. In einer Twitter-Nachricht der Armee ist von anhaltendem „Chaos und Durcheinander“ die Rede, das in der Hauptstadt herrsche. Filmaufnahmen aus den sozialen Netzwerken bestätigen dies. Währenddessen trat ein Sprecher der Taliban am Dienstag erstmals in einem TV-Interview auf. Er rief die Bevölkerung zur Rückkehr zur Normalität auf und schloss Racheaktionen an Amerikanern und andere Ausländern im Land aus.
Neben Tschechien fahren auch weitere Staaten mit der Evakuierung ihrer Diplomaten sowie der Ortskräfte fort. Ihr ungehinderter Abflug sei nun die Hauptaufgabe der Nato, gab deren Generalsekretär Jens Stoltenberg bekannt:
„Die Taliban müssen die sichere Ausreise all jener respektieren und gewährleisten, die das Land zu verlassen wünschen.“
Der tschechische Präsident Miloš Zeman sieht in der aktuellen Entwicklung seine Warnungen vor dem Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan bestätigt. Im Interview mit dem Nachrichtenportal „Parlamentní listy“ beschrieb er seine Erwartungen, dass die Taliban nun ein „terroristisches Zentrum“ in Afghanistan bilden würden und es erneut Anschläge in der ganzen Welt geben könnte. Hingegen unterstütze er die Hilfeleistungen Tschechiens gegenüber seinen afghanischen Mitarbeitern, so Zeman weiter. Dies seien schließlich keine illegalen Migranten, sondern Menschen, denen der Staat genauso wie den eigenen Soldaten verpflichtet sei.
Bereits am Montag war in Kbely das erste Militärflugzeug mit 46 Menschen an Bord gelandet. Genauere Angaben zu den Umständen der Evakuierung sollen am Donnerstag auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden. An ihr nehmen den Ankündigungen nach Außenminister Kulhánek, Premier Babiš und der gerade zurückgekehrte Botschafter Jiří Baloun teil.