Interaktiver tschechischer Geschichtsatlas weckt sofort großes Interesse
Pünktlich zum Beginn des neuen Schuljahres ist in Tschechien auch eine Neuheit herausgebracht worden, die den Unterricht im Fach Geschichte in gewisser Weise revolutionieren könnte: der erste interaktive tschechische Geschichtsatlas. Das Lernmittel ist aber nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern gefragt, sondern auch bei vielen Erwachsenen bis ins hohe Alter.
Als der tschechische Geschichtsatlas vergangene Woche erstmals im Internet veröffentlicht wurde, war das Netz sofort überlastet. So groß war das Interesse, mehr über die Geschichte der tschechischen Nation und ihres Ursprungs zu erfahren. Dazu bietet der Atlas mehrere Themenbereiche an. Gleich beim ersten, das Grenzen und Gebiete in 19 Zeitetappen von der Besiedlung der Slawen bis zur Gegenwart abbildet, kann man minutenlang verweilen. Dabei kann man die jeweiligen Gebiete mit den Grenzen des heutigen tschechischen Staates vergleichen:
„Aus kartografischer Sicht ist die Abbildung der Grenzen eine der schwierigsten Disziplinen in den historischen Karten. Ganz einfach aus dem Grund, weil sich die Grenzverläufe während der gesamten Zeit oft verändert haben“,
erläutert Jiří Cajthaml vom Geomatik-Lehrstuhl der Technischen Hochschule in Prag. Und für das neue Projekt, das die Hochschule in Zusammenarbeit mit dem Historischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften erstellt hat, war eben die Darstellung der Grenzverläufe besonders wichtig, ergänzt Cajthaml:
„Sie müssen so abgebildet sein, dass sie keinen störenden Einfluss auf die thematische Skizze haben, die man gerade betrachtet. Doch die als Untergrund dieser Karten dargestellten Grenzen zeigen nicht nur deren ehemaligen Verläufe, sondern beispielsweise auch die Gewässer auf, die Gebiete voneinander trennten. Der Untergrund soll dem Betrachter indes den räumlichen Kontext vor Augen halten, der zum jeweiligen Themenbereich gehört.“
Genau dieses Detail aber ist es, welches die elektronische Variante des tschechischen Geschichtsatlas‘ zu einem sehr interessanten Lernmittel für den Nutzer werden lässt. Während der vierjährigen Subventionierung des Projektes durch das Kulturministerium ist auch eine Druckausgabe des Atlas entstanden. Das Hauptziel aber war von Anfang an, die tschechische Geschichte auf ein einzigartiges digitales Kartenportal zu projizieren, verrät Eva Semotanová von der Akademie der Wissenschaften:
„Uns war klar, dass besonders die junge Generation, mit fortschreitender Zeit aber ebenso die mittlere und ältere Generation lieber im Internet nach Informationen sucht als in gedruckten Publikationen. Gleichzeitig soll der interaktive Atlas ausländischen Interessenten die tschechische Geschichte näherbringen. Deshalb ist er auch in englischer Sprache aufrufbar. Zudem werden Darstellungen unserer Geschichte, die in fremdsprachigen Portalen aufgezeigt werden, oft nur verzerrt oder mit Fehlern wiedergegeben.“
Das Team um Professorin Semotanová hat für die Schaffung des Atlas‘ unzählige Unterlagen zusammengestellt, bevor diese von den Kartografen in das Endprodukt verarbeitet wurden. Dazu mussten jedoch noch viele Dinge programmiert werden, erläutert Jiří Cajthaml:
„Wir mussten etliche Funktionen selbst programmieren, wie zum Beispiel die Zeitleisten, die Abbildung der Legenden, die Aufteilungen in die jeweiligen Unterkapitel. Zum Letzteren gehört das aufspringende Fenster, aus dem man weitere Informationen entnehmen kann.“
Sowohl die Historiker als auch die Kartografen bestätigten unisono, dass ihre Kooperation die eigene Arbeit bereichert habe. Ebenso das Wissen, dass sie sich neu aneignet haben. Kartograf Cajthaml:
„Mich hat beispielsweise ein Thema fasziniert, das ich bis zu dieser Zeit noch in keiner historischen Karte einschließlich der von uns gedruckten Atlanten vorgefunden habe: Es ist die Problematik der Gefangenenlager in Russland nach dem Ersten Weltkrieg.“
Das neue Portal ceskyhistorickyatlas.cz wird nun auch in den Unterricht der tschechischen Schulen verstärkt Einzug halten. Insbesondere aber in jenen für die Neuntklässler, wo es eine der Quellen für den Forschungsunterricht Geschichte sein wird.