Simulierte Schülerwahlen: Oppositionsparteien liegen klar vorne
In gut zwei Wochen finden in Tschechien die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Tausende von Schüler_innen hatten in den vergangenen Tagen die Möglichkeit, schon einmal den Gang an die Wahlurne auszuprobieren.
Fast 41.000 Schülerinnen und Schüler von 312 Gymnasien und Fachschulen nahmen in den vergangenen zwei Tagen an den Schülerwahlen teil. Saskie Dobešová besucht den zweiten Jahrgang des Gymnasiums in Třebíč / Triebsch. Sie gab am Montag im improvisierten Wahllokal der Schule einem der Mitschüler die nötigen Anweisungen:
„Du kreuzt die Nummer auf dem Zettel an, legst ihn in den Umschlag und dann wirfst ihn in die Urne.“
Im Gymnasium in Třebíč werden die Schülerwahlen regelmäßig durchgeführt, bestätigte Dagmar Honsová. Sie unterrichtet Politologie:
„An den vergangenen Wahlen haben wirklich viele Schüler teilgenommen, und wir haben vermutlich einen Rekord im ganzen Kreis Vysočina aufgestellt. Die Wahlbeteiligung war hoch, trotzdem die Teilnahme wie immer freiwillig war.“
Gewählt wurde auch an der Fachschule für Industrie, Hotelwesen und Medizin in Uherské Hradiště / Ungarisch Hradisch. Eine der Schülerinnen begründete, warum sie zur Wahlurne geht:
„Ich bin gespannt, wie die echten Wahlen ausgehen. Und darum interessiert mich auch, wer siegen würde, wenn alle diese Jugendlichen wählen könnten.“
Eine der Mitschülerinnen bedauerte, dass sie leider noch nicht 18 sei und deswegen an den Abgeordnetenhauswahlen in diesem Jahr nicht teilnehmen könne:
„Denn sonst könnte ich einiges beeinflussen. Jede Stimme zählt. Ich wäre dafür, dass man schon mit 16 Jahren wählen könnte. Denn ich denke, dass die jüngere Generation eine gute Übersicht über die Politik hat. Sie könnte ihre Meinungen durchsetzen.“
Pavlína Mikulcová unterrichtet in Uherské Hradiště Sozialwissenschaften. Sie sagt, das Interesse der Schüler an den Wahlen sei gestiegen:
„In den letzten zwei Jahren, die von der Corona-Krise beeinflusst waren, merke ich, dass sich die Schüler unter 18 Jahren viel mehr für das Geschehen interessieren. Denn ihr Leben wurde von den Politikern und deren Entscheidungen stark beeinflusst. Es wurde bestimmt, ob die Kinder zur Schule gehen sollen oder wie sie ihre Freizeit verbringen durften. Jetzt haben die Jugendlichen die Möglichkeit, ein Feedback zu geben.“
Bei den simulierten Schülerwahlen siegte diesmal die Koalition aus Piraten und Bürgermeisterpartei Stan. 30,4 Prozent der Jugendlichen gaben ihr ihre Stimmen. Das Bündnis gewann knapp vor der Koalition „Spolu“ (Gemeinsam) aus Bürgerdemokraten, Christdemokraten und der Partei Top 09. Diese erhielt nur ein Prozent weniger Stimmen als der Sieger. Mit großem Abstand belegte die Regierungspartei Ano den Rang drei mit 8,5 Prozent. Die Grünen, die in Tschechien nicht im Parlament vertreten sind, erhielten 7,1 Prozent der Schülerstimmen.
Die Schülerwahlen werden seit 2010 von der Menschenrechtsorganisation
Člověk v tísni (Mensch in Not) durchgeführt. Karel Strachota hat das Bildungsprogramm entwickelt. Seinen Worten zufolge zeigt sich in den Wahlpräferenzen der Schüler eine langfristige Perspektive für die Resultate der echten Wahlen:
„Mit den Schülerwahlen wollen wir darauf aufmerksam machen, wie die Jugendlichen und damit alle Bürger die Verwaltung des öffentlichen Lebens beeinflussen können. Aus den Untersuchungen geht hervor, dass immer mehr junge Menschen sich der Bedeutung der Wahlen bewusst werden. Aber eine nicht geringe Prozentzahl schenkt den Wahlen auch keine Aufmerksamkeit. Ich würde ihnen dies nicht vorwerfen. Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen, was das Bildungssystem und die Politiker dafür tun, um den Jugendlichen diese Thematik näherzubringen.“