Nach den Wahlen in Tschechien: Traditionelle linke Parteien fehlen im Abgeordnetenhaus

Wahlstab der Sozialdemokraten mit Jan Hamáček

Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte sind im tschechischen Parlament keine kommunistischen Abgeordneten vertreten. Und auch die älteste Partei des Landes, die sozialdemokratische ČSSD, ist bei den Wahlen am Freitag und Samstag an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

Wahlstab der Kommunisten | Foto: Kateřina Šulová,  ČTK

Das Wahlergebnis mischt die bisherige Zusammensetzung der unteren Parlamentskammer deutlich auf. Im Falle des Scheiterns der kommunistischen KSČM sprechen viele der hiesigen Kommentatoren vom Ende einer Ära, die 1948 ihren Anfang genommen hatte. Die Sozialdemokraten hingegen sind erstmals seit Gründung der eigenständigen Tschechischen Republik nicht im Parlament vertreten.

Beide Parteien waren in der abgeschlossenen Legislaturperiode in die Regierung von Andrej Babiš und seiner Partei Ano einbezogen – die ČSSD als kleinerer Koalitionspartner, die KSČM als duldender Stimmenlieferant. Die Sozialdemokraten haben mit dem Ergebnis von 4,65 Prozent der Wählerstimmen wohl dafür bezahlt, dass sie ihr eigenes Programm im Kabinett nicht ausreichend durchsetzen konnten. Jan Hamáček kündigte noch am Samstag an, seinen Chefposten bei der Sitzung der Parteiführung am 25.Oktober zur Verfügung zu stellen:

Jana Maláčová | Foto: Michaela Říhová,  ČTK

„Wenn man versprochen habe, im Falle einer Niederlage zurückzutreten, dann ist es nur logisch, dieses Versprechen auch zu erfüllen.“

Bei den Wahlen 2017 konnte die ČSSD noch 7,27 Prozent einfahren. Die derzeitige stellvertretende Vorsitzende Jana Maláčová glaubt aber, dass die Partei bald ins Abgeordnetenhaus zurückkehren wird:

„Ich habe keine Angst um die Zukunft der Partei. Die Sozialdemokraten agieren hierzulande seit 140 Jahren, und für weitere mindestens 140 Jahre ist mit uns zu rechnen. Ich erinnere nur an die KDU-ČSL, die auch schon einmal zurückgekehrt ist.“

Spolu-Koalition | Foto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

Damit verweist die noch amtierende Arbeitsministerin auf die christdemokratische Partei, die im Jahre 2010 aus dem Parlament gewählt wurde, in der nächsten Legislaturperiode dort aber wieder vertreten war – und aktuell eine der drei Parteien der siegreichen Spolu-Koalition ist. Ob Maláčová selbst als neue ČSSD-Vorsitzende kandidieren will, ließ sie offen.

Noch weniger Stimmen als die Sozialdemokraten konnten die Kommunisten diesmal auf sich vereinigen. Mit 3,6 Prozent verzeichnet sie ein historisch schlechtes Ergebnis. Am Samstag gab dann auch die gesamte Parteiführung ihren Rücktritt bekannt. Noch-Parteichef Vojtěch Filip zeigte sich angesichts der Niederlage einigermaßen ratlos:

Vojtěch Filip | Foto: Radek Petrášek,  ČTK

„Mich hat das wirklich sehr überrascht, denn die Meinungsumfragen sagten etwa fünf Prozent vorher. In den persönlichen Gesprächen mit den Bürgern während des Wahlkampfes hat auch nichts darauf hingedeutet.“

Die Kommunistische Partei war seit Kriegsende in jedem tschechischen und tschechoslowakischen Parlament vertreten. Die Zäsur der Wahlniederlage fällt zufällig ins Jahr 100 nach der Parteigründung.

Knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb zudem die neugegründete Bewegung „Přísaha“ (Der Eid) des ehemaligen Polizeibeamten Robert Šlachta. Dieser wertet das Ergebnis von 4,68 Prozent als klaren Erfolg und will nun mit seiner Arbeit in der Anti-Korruptionsbewegung fortfahren.

Autoren: Daniela Honigmann , Veronika Šírová
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