Kabarett für eine bessere Welt – „Das Thema“ spielt: Erika Mann

Erika Mann und die Pfeffermühle

Sie war Schauspielerin, Kabarettistin und Schriftstellerin. In ihren Texten und Auftritten bezog sie stets klar politisch Position, setzte sich für Freiheit und Demokratie ein und kämpfte laut und sprachgewandt gegen das Erstarken des Nationalsozialismus: Erika Mann. Die Tochter des Schriftstellers Thomas Mann wird nach wie vor viel zu oft in dessen Schatten gedrängt. Das erste deutsch-tschechische Kabarett „Das Thema – to téma“ möchte das jetzt ändern und widmet ihr ein Programm, das diesen Donnerstag im Prager Divadlo na zabradlí Premiere hat.

Erika Mann | Quelle: Library of Congress,  Wikimedia Commons,  public domain

1933, nur 29 Tage vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, feierte das Kabarett „Die Pfeffermühle“ Premiere in München. Es war von Erika Mann gemeinsam mit ihrem Bruder Klaus Mann sowie von Therese Giehse und Magnus Henning gegründet worden. Mit ihrem politisch-literarischen Programm spielten sie mit viel Pfeffer und Humor gegen den Nationalsozialismus an.

Diese Texte, die in den Jahren 1933 bis 1936 entstanden sind, bilden den Ausgangspunkt für das aktuelle Programm des Kabaretts „Das Thema – to téma“. Ab Donnerstag ist es im Prager Divadlo Na Zabradlí (Theater am Geländer) zu sehen. Originaltexte aus den Programmen der „Pfeffermühle“ kombiniert die Gruppe von „Das Thema“ mit biografischen und dokumentarischen Elementen sowie mit Zitaten aus anderen Schriften Erika Manns. Dazu kommen auch eigene Texte, die einen starken Bezug zur Gegenwart herstellen. Inszeniert hat Emil Rothermel:

„Für uns ist es wichtig, das ins Hier und Jetzt zu holen. Also nicht bloß in einer historisierenden Art und Weise zu zeigen: So war das damals; sondern sich immer die Frage zu stellen: Was heißt das jetzt für mich heute?“

Starke Frauen auf der Bühne

Erika Mann und die Pfeffermühle | Foto:  Theater Divadlo Na zábradlí

Die Schauspieler*innen Roman Horák, Stefanie Jörgler, Markéta Richterová und Philipp Schenker suchen nach der Erika Mann in sich selbst und stellen sich die Frage: Was würde sie tun, wenn sie heute leben würde? Für die Schauspielerin Markéta Richterová eine zutiefst persönliche Frage:

„Für mich ist Erika sehr inspirierend – ich nehme das irgendwie persönlich. In meiner Familie gibt es sehr starke Frauen, über Generationen hinweg. Und sie ist wie eine Frau aus meiner Familie. Ich stelle mir die Frage, ob ich diesen Weg dieser starken Frauen gehe – oder nicht. Erika Mann konfrontiert mich mit dieser Frage ganz besonders, denn sie ist – genau wie ich – Schauspielerin und Kabarettistin. Aber sie ist da wirklich voll hineingegangen. Das bewundere ich. Das ist ein Leben, das ich auch hätte leben können.“

Die Premiere des Kabaretts Pfeffermühle fand am 1. Januar 1933 statt. Nur wenige Wochen später – nach der Machtübernahme Hitlers – wurde das Ensemble bereits ins Exil gezwungen. Einige Jahre tourte es mit seinem kritischen Programm noch durch Europa und trat in der Schweiz, in den Benelux-Ländern und auch in der Tschechoslowakei auf. 1936 schließlich emigrierten die Manns in die USA, und Erika begann als politische Rednerin und Kriegsreporterin eine zweite Karriere. Auch Markéta Richterová hat Migrationserfahrung:

Markéta Richterová | Foto:  ČT24

„Meine Eltern waren Dissidenten in der Tschechoslowakei und saßen auch einige Zeit im Gefängnis. Als wir noch ganz klein waren, haben sie die Charta 77 unterschrieben und damit riskiert, wieder eingesperrt zu werden. Sie haben sich dann entschieden, nach Österreich zu emigrieren. Als Kind macht man das halt alles mit: Dann ist man in Österreich, kommt dort aber nie an, weil die Eltern eine solche Sehnsucht nach dem Heimatland haben. Deswegen entscheidet man sich, irgendwann wieder zurück nach Prag zu ziehen. Aber nach Jahren merkt man: Das war ja gar nicht meine Entscheidung, sondern die meiner Eltern. Und dann möchte man zurück nach Österreich. Aber es ist zu spät: Man hat hier schon selbst Kinder. Und dann kennt man sich gar nicht mehr aus.“

Es gibt einen Punkt, da wirkt die politische Situation so hoffnungslos, dass Weggehen erträglicher erscheint als Bleiben. Wann dieser Punkt erreicht ist, wann die Situation kippt, das ist für jeden Menschen anders. Aber die Frage ist immer und überall relevant. Und so stellt sie auch „Das Thema“ seinem Publikum:

Erika Mann mit ihrem Bruder Klaus | Foto: Eduard Wasow,  Wikimedia Commons,  public domain

„Warum sind Sie überhaupt noch hier? Warum sind Sie nicht schon längstens emigriert? Sie beklagen sich doch immer über die Politik und die Politiker hierzulande...!“

Das künstlerische Schaffen und die Biografie Erika Manns regt die tschechisch-deutsche Kabarettgruppe zu einer Reflexion der Gegenwart an. Aber auch viele Originaltexte aus der Pfeffermühle sind ungebrochen aktuell, etwas das Lied „Ich bin der Prinz von Lügenland“.

„Das gab es einfach immer: Hitler ist mit Lügen groß geworden. Aber nicht nur er. Im Kalten Krieg wurde auch auf beiden Seiten gelogen. In kommunistischen Regimen... Das Lügen war einfach immer eine Erfolgsmasche für Politiker. Leider. Und natürlich ist es frustrierend, auch jetzt gerade im Wahlkampf in Tschechien zu beobachten, dass lügen eine Erfolgsmasche ist“, sagt Philipp Schenker.

Das große Böse in der Welt

Anlässlich eines Auftritts der Pfeffermühle in Prag sagte Erika Mann einmal, sie wäre glücklich, mit dem Kabarettprogramm „ein winziges Teilchen zum Sieg der Besinnung und der Vernunft in Europa beigetragen zu haben“. So viel wagt heute bei „Das Thema“ niemand mehr zu hoffen. Dennoch, wenn es nach dem Gründungsmitglied Philipp Schenker geht: ein bisschen aufzurütteln – das wäre etwas!

Philipp Schenker | Foto:  Archiv von Philipp Schenker

„Damals war es einfach ganz klar, was das große Böse ist in der Welt: die Nazis, Hitler. Das war schon Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg eine ganz klare Bedrohung. Und heute kann man ja über alle Bedrohungen sprechen, alles wird zerredet. Es gibt tausend verschiedene Bedrohungen: Nuklearkriege, Klimawandel, Diktaturen und so weiter. Zudem kann man über alles sprechen, man darf alles sagen, was ja damals nicht so einfach war – und trotzdem wird nichts getan.“

„Das Thema – to téma“ wurde 2018 von Philipp Schenker, Roman Horák und Sven Ofner als explizit tschechisch-deutsches Kabarett gegründet. Mit Sitz in Prag werden Reibungsflächen zwischen verschiedenen Kulturkreisen thematisiert. Wie alle anderen Gruppenmitglieder fühlt sich auch Philipp Schenker in zwei Welten zuhause:

„Wir wollten die Sprachbarriere thematisieren. Wir sind alle zweisprachig im Kabarett. Und uns geht es um die Sprachbarriere, auch um die Identitätsunterschiede und die Fragen: Wo sind wir zuhause? Was leben wir da, wie sprechen wir? Das wollten wir thematisieren.“

Während viele der Kabarettprogramme von „Das Thema“ auf eigenen Erfahrungen und Herausforderungen beruhen, sucht die Gruppe diesmal Inspiration von außen – in der Auseinandersetzung mit Erika Mann, der Powerfrau, die sich in den 1920er Jahren ihre Haare kurz schnitt und im Auto quer durch Europa fuhr. Zugleich kommentierte und kritisierte sie unerschrocken die eskalierende politische Lage. Dass Erika Manns Texte und ihr Lebenslauf auch oder vielleicht sogar gerade heute noch aktuell und inspirierend sind – daran besteht für den Regisseur Emil Rothermel kein Zweifel:

„Zum einen spricht sie viele Themen an, die man heutzutage diskutiert: Man kann sich Erika Mann aus einer feministischen Sichtweise annähern, aus einer queeren, einer antifaschistischen, aus einer kreativen. Viele Fragestellungen, die heute noch aktuell sind, sehen wir auch schon bei Erika Mann. Heutzutage, denke ich, neigen wir sehr schnell dazu, in eine Lethargie zu verfallen. Man hat das Gefühl, egal, was ich mache, es hilft sowieso nichts – die Leute werden sowieso immer noch gewählt, und das Klima geht auch immer weiter vor die Hunde. Mein eigenes Engagement kann daran eigentlich nicht viel ändern. Dann beschäftige ich mich aber mit dieser Frau und sehe, dass sie aus eigenem Antrieb echt viel Gutes getan hat!“

Erika Mann“ von „Das Thema – to téma“ hat am Donnerstagabend in Prag Premiere. Veranstaltungsort ist das Divadlo Na zabradlí (Theater am Geländer).

schlüsselwort: