Über 5000 Kandidaten, Maskenpflicht, Diskussion um die Briefwahl: Abgeordnetenhauswahl hat begonnen

In Tschechien haben seit Freitag 14 Uhr die Wahllokale geöffnet. Knapp 8,5 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, über ein neues Abgeordnetenhaus abzustimmen, das im Folgenden auch eine neue Regierung wählen wird.

Foto: Václav Šálek,  ČTK

Traditionell finden Wahlen in Tschechien an zwei Tagen statt. Bei der nun angelaufenen Parlamentswahl haben die Teilnehmenden am Freitag bis 22 Uhr Zeit, ihre Stimme abzugeben, und am Samstag erneut von 8 bis 14 Uhr. Insgesamt 5242 Kandidatinnen und Kandidaten aus 22 Parteien, Bewegungen und Koalitionen bewerben sich um die 200 Sitze in der unteren Parlamentskammer.

Wegen der Corona-Pandemie herrscht im Wahllokal Maskenpflicht, und dies sowohl für die Mitglieder der Wahlkommission als auch für die Wählenden. Staatssekretär Petr Vokáč aus dem Innenministerium betont, dass dies keine Frage der Freiwilligkeit sei, sondern eine Rechtsvorschrift des Gesundheitsministeriums. Und weiter:

Petr Vokáč | Foto:  ČT24

„Wenn ein Wähler sich weigert, eine Maske zu tragen, haben die Wahlkommissionen die Anweisung, ihm die Stimmabgabe trotzdem zu ermöglichen. Schließlich darf ihm nicht das Wahlrecht verweigert werden. Es wird aber dafür gesorgt, dass der Betreffende das Wahllokal so schnell wie möglich wieder verlässt und dabei nicht mit anderen Wählern zusammentrifft.“

Neben den etwa 15.000 Wahllokalen in ganz Tschechien sind zum Wahltermin weltweit auch die Botschaften des Landes mit einer Urne für die Stimmabgabe ausgestattet. Wie Vokáč erläutert, wurden in diesen sogenannten Vertretungsbehörden Sonderwahlkommissionen gebildet:

Hynek Kmoníček | Foto: Jan Kaliba,  Tschechischer Rundfunk

„Davon gibt es 111. Im Ausland sind etwa 12.000 Wahlberechtigte registriert, weitere können mit ihren Wahlunterlagen direkt zu ihrer Vertretungsbehörde kommen. Nach Beendigung der Wahlen zählen die dortigen Kommissionen die Stimmen aus und schicken die Zahlen auf digitalem Wege an das tschechische Statistikamt.“

Lange wird in Tschechien schon über die Einführung der Briefwahl diskutiert, wie es sie etwa in Deutschland gibt. Einer ihrer Befürworter ist der Botschafter in den USA, Hynek Kmoníček. Er berichtet von tschechischen Wählern, die sich etwa von Florida aus auf eine siebenstündige Reise machen, um in Washington abstimmen zu können. Solche Mühen würden viele Wahlberechtigte von der Stimmabgabe abhalten, so Kmoníček:

„Die Briefwahl könnte die Wahlbeteiligung deutlich erhöhen. Andererseits muss dies technisch gut vorbereitet sein. Das betrifft etwa den Identitätsnachweis eines Wählers oder den Transport der Wahlscheine. Wir wissen alle, wie es in Pandemiezeiten um die Zuverlässigkeit einiger Zustelldienste steht.“

Illustrationsfoto: Tim Reckmann,  Flickr,  CC BY 2.0

Für diese Form der Abstimmung bräuchte es also klare Vorschriften, so der Botschafter, die seiner Ansicht nach in nächster Zeit aber nicht zu erwarten seien. Dabei versprechen Politiker quer durch die tschechische Parteienlandschaft seit mehreren Jahren, sich diesem Thema zu widmen. Auch das Kabinett von Andrej Babiš (Partei Ano) hatte die Einführung der Briefwahl in sein Regierungsprogramm aufgenommen. Petr Just, Politologe an der Metropolitan University in Prag, kommentiert:

„Theoretisch gibt es in Tschechien dafür einen politischen Willen. Wenn es aber um die praktische Umsetzung geht, werden Gegenargumente vorgebracht und Hindernisse geschaffen – und dies auch von den Regierungsparteien, die die Briefwahl eigentlich im Programm haben. Viele Politiker haben ein Problem damit, dass Menschen, die im Ausland leben, mit darüber entscheiden, was in Tschechien geschieht.“

Petr Just | Foto: Elena Horálková,  Tschechischer Rundfunk

Dem Argument kann laut Just entgegengehalten werden, dass diese Menschen womöglich nur vorübergehend im Ausland leben. Außerdem betont der Experte, dass eine Briefwahl auch einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Wahlberechtigten im Heimatland die Stimmabgabe ermöglichen würde – wenn diese etwa an den Wahltagen verhindert sind, direkt in ihren Wohnort teilzunehmen.

Eine andere Form der Sonderstimmabgabe hat immerhin die Corona-Pandemie ermöglicht. Die Wahl aus dem Auto heraus an sogenannten Drive-In-Stationen war bereits am Mittwoch für Menschen möglich, die sich wegen einer Infektion in Quarantäne befinden. Nach Angaben von Petr Vokáč vom Innenministerium haben etwa 1600 Wahlberechtigte davon Gebrauch gemacht.

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