Geschichte der Weihnachtsbescherung museal aufbereitet
Vor 14 Jahren wurde am Fuße der Karlsbrücke in der Prager Altstadt ein Museum eröffnet. Neben der Dauerausstellung über die berühmteste Brücke der Stadt wird dort jedes Jahr im Advent eine Sonderausstellung präsentiert. Diesmal steht die Weihnachtsbescherung im Blickpunkt.
Die schmale Karlsgasse war schon in Vor-Corona-Zeiten immer von Touristen überfüllt. Auch jetzt ist sie nicht gerade menschenleer. Viele der Passanten bleiben am Ende der Gasse stehen, um den Altstädter Brückenturm oder die Barockkirche des Heiligen Franziskus rechter Hand zu fotografieren. Neben der Kirche befindet sich der Eingang zum Museum der Karlsbrücke. Dieses ist in den Räumlichkeiten des früheren Kreuzherrenspitals untergebracht. Gleich im ersten Raum sieht es weihnachtlich aus. Neben einer großen Weihnachtskrippe aus Stroh werden dort auch mehrere kleine Krippen gezeigt. Wie jedes Jahr wurde im Museum eine thematische Sonderausstellung zu Adventsbeginn eröffnet. Dazu der Kurator Michal Cihla:
„Diesmal konzentrierten wir uns auf die Geschichte der Weihnachtsbescherung. Schon im Mittelalter schenkten sich die Menschen gegenseitig Kleinigkeiten, es handelte sich sowohl um Gegenstände als auch um Naturalien. Früher waren die Menschen auf dem Lande mit der Natur enger verbunden als heute. Es gab den Brauch, am Heiligabend auch den Haustieren etwas Gutes zu servieren. Die Bauern kümmerten sich an dem Tag oft besonders um den Brunnen, um im neuen Jahr genügend reines Wasser zu haben. Geschenke waren ursprünglich nur mit dem Heiligen Nikolaus verknüpft.“
Der Sankt-Nikolaus-Tag wird am 6. Dezember begangen. Er ist einem der bekanntesten Heiligen im gesamten Christentum gewidmet. Nikolaus lebte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts und war Bischof von Myra in Kleinasien. Dies gehörte damals zum römischen Reich. Der Brauch, am Nikolaus-Tag jemanden zu bescheren, geht aus Überlieferungen hervor, denen zufolge Bischof Nikolaus sein geerbtes Vermögen unter den Armen verteilte.
„Nikolaus gilt als ein Helfer der Notleidenden. Er ist dadurch bekannt geworden, dass er Sklaven freikaufte. Es wird erzählt, dass er den Bedürftigen heimlich Geld durchs Fenster oder in die im Fenster aufgehängten Socken warf. Der Brauch, nach dem Geschenke in Socken gesteckt werden, wird in einigen Ländern bis heute aufrechterhalten. Zu einer wesentlichen Veränderung bezüglich der Weihnachtsgaben kam es im 16. Jahrhundert während der Reformation und dem Wirken Martin Luthers. Die evangelische Kirche lehnte die Heiligenverehrung ab. Im Mittelpunkt stand vielmehr die Geburt Jesu Christi. Das Schenken verschob sich in vielen Ländern vom Nikolaus-Tag auf den Heiligen Abend. Der Gabenbringer war nun nicht mehr der Heilige Nikolaus, sondern das Christkind.“
Die Nikolaus-Figur als Gabenbringer ist dem Kurator zufolge jedoch nicht verschwunden, auch wenn sie heute oft nicht mehr diesen Namen trägt. In vielen Ländern bringt den Kindern bis heute der Weihnachtsmann die Geschenke. Die Symbolfigur des alten Herrn mit dem weißen Bart und roten Pelzmantel ist im 19. Jahrhundert entstanden. Er hat jedoch die Eigenschaften des Heiligen Nikolaus übernommen. Der Weihnachtsmann habe verschiedene Namen, so Cihla:
„In Frankreich ist es Père Noël, in Russland Väterchen Frost, in Skandinavien der Julenisse. Die Einwanderer aus Europa brachten den Santa Claus mit nach Amerika. Bei uns bringt das Christkind die Geschenke. In Mähren gab es vor etwa 100 Jahren die Figur eines alten Manns Namens Štědroň, er half dem Christkind bei der Verteilung der Geschenke. Die Tradition, Geschenke am Heiligen Abend zu überreichen, entstand in den böhmischen Ländern in der Biedermeier-Zeit. Damals war die bürgerliche Schicht schon recht wohlhabend, und dem entsprachen die oft prunkvollen Weihnachtsgeschenke. Bedacht wurden vor allem Kinder. Dieser Brauch wird eigentlich bis heute aufrechterhalten.“
Mit welchen Exponaten wird die Geschichte der Weihnachtsbescherung im Karlsbrücken-Museum dokumentiert? Michal Cihla:
„Gezeigt wird beispielsweise eine Zunftkanne aus Zinn aus dem 19. Jahrhundert. Es war üblich, dass die Gesellen ihrem Meister zum Abschluss des Dienstes im Advent eine Kanne schenkten. Dieser lud sie wiederum zu einem Festmahl ein. Zu sehen ist des Weiteren eine Schüssel mit kleinen Kuchen. Diese schenkten Mädchen in vielen Regionen unseres Landes ihrem Liebsten, um die Beziehung vor Weihnachten zu festigen. Zudem wird im Museum ein traditioneller Nikolaus-Umzug nachgestellt. Die Teilnehmenden trugen etwas bizarre Masken, und natürlich durfte die Gestalt des Heiligen Nikolaus nicht fehlen. Aber es gab auch weniger bekannte Figuren: Brůna hieß das Pferd im Nikolaus-Umzug. Ambrož war eine Männergestalt, die das Böse aus allen Räumlichkeiten wegzufegen versuchte. Eine Peruchta oder Perchta ging von Haus zu Haus, um zu kontrollieren, ob die Bewohner wirklich fasteten. Die böse Perchta drohte vor allem Kindern, ihnen den Bauch mit Erbsen vollzustopfen, wenn sie am 24. Dezember nicht bis zum Abend fasteten.“
Solche Nikolaus-Umzüge gab es dem Kurator zufolge schon im Mittelalter. Eine Vorstellung darüber, wie dieser Umzug in Böhmen des 19. Jahrhunderts ausgesehen hat, können sich die Museumsbesucher anhand einer Zeichnung machen.
„Das Bild zeichnete Professor Karel Rozum. Er sammelte und beschrieb Volksbräuche und widmete sich der Rettung wertvoller Gebäude auf dem Lande. Die Zeichnung ist eine Leihgabe aus dem Regionalmuseum in Roudnice nad Labem. Unter den Figuren, die den Nikolaus beim Umzug begleiteten, waren manchmal auch weiß gekleidete Frauen, die eine Gänsefeder in der Hand hatten. Damit fegten sie Schmutz aus den Ecken der Häuser und kontrollierten, ob alles vor Weihnachten sauber war. Sie wurden ,Lucka‘ genannt. Die Masken, die bei den Umzügen getragen wurden, waren nicht überall gleich, sie unterschieden sich von Region zu Region.“
Die Sonderausstellung wird durch viele Weihnachtskrippen ergänzt, die vom Verein tschechischer Krippenfreunde entliehen sind. Auch in den Museumssammlungen befinden sich einige spezielle Weihnachtskrippen: Neben der sogenannten „Fischkrippe“ aus Holz sind es beispielsweise Objekte aus Stroh oder Maisblättern.
Als Begründer der szenischen Darstellung des Weihnachtsgeschehens in Form einer Krippe gilt der heilige Franziskus von Assisi. Museumsleiter Zdeněk Bergman dazu:
„Unser Museum befindet sich im Kloster der Kreuzherren, gleich neben jener Kirche, die eben Franziskus von Assisi geweiht ist. 1223 hatte Franziskus bei einer Predigt die Weihnachtsgeschichte mit lebenden Menschen und Tieren nachgestellt. Der Brauch, Weihnachtskrippen aufzustellen, hat über die Jahrhunderte an Beliebtheit gewonnen. Heutzutage feiern Christen in der ganzen Welt die Geburt Jesu vor einer Weihnachtskrippe.“
Die Weihnachtsausstellung im Museum der Karlsbrücke ist noch bis 2. Februar 2022 zu sehen. Das Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.