Erst Nagetiere, dann Facelifting: Rundfunkreporter entdeckt falsche Ärzte an Prager Schönheitskliniken
Ein Reporter des Tschechischen Rundfunks hat herausgefunden, dass Operationen an privaten Hautkliniken in Tschechien mitunter von Mitarbeitern ohne die nötige medizinische Ausbildung ausgeführt werden. Ein Fall betrifft eine Einrichtung in Prag, an der ein falscher Chirurg ausfindig gemacht wurde. Der angebliche Fachmann ist weder dem Gesundheitsministerium bekannt noch Mitglied der tschechischen Ärztekammer. Dies sind aber die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten hierzulande. Weitere Fälle wurden am Montag bekannt.
Alberto Leguina Ruzzi stammt aus Chile und arbeitet schon seit mehreren Jahren in Tschechien. Noch vor fünf Jahren hat er am Physiologischen Institut der hiesigen Akademie der Wissenschaften Operationen an Nagetieren durchgeführt. Kurz darauf präsentierte er sich als Dermatologe und Schönheitschirurg.
Ľubomír Smatana, Reporter beim Tschechischen Rundfunk, hat in den vergangenen Wochen herausgefunden, dass Ruzzi keine Ausbildung hat, die ihn für Operationen am menschlichen Körper qualifiziert. In seinem Lebenslauf, der auf verschiedenen Internetplattformen zugänglich ist, führt der angebliche Arzt ein Studium an der päpstlichen Katholischen Universität in Santiago de Chile an. Smatana hat bei der Hochschule nachgefragt und folgende schriftliche Stellungnahme erhalten, Zitat:
„Herr Alberto Leguina Ruzzi hat kein Medizinstudium absolviert. Unsere Universität hat ihm nicht den Titel eines Chirurgen verliehen. Darum hat er in unserem Land auch nicht die Qualifikation, den Beruf eines Arztes auszuüben.“
Vielmehr ergab die Recherche, dass Ruzzi medizinische Wissenschaften studiert hat. Im Lebenslauf des angeblichen Arztes seien noch weitere Studien in Kolumbien und in New York aufgelistet, berichtet Smatana in einer Rundfunksendung zum Thema. Und weiter:
„Außerdem gibt Ruzzi eine Ausbildung an der medizinischen Fakultät der Karlsuniversität an. Leicht ist aber festzustellen, dass er dort nur ein Zertifikat zur Arbeit mit Nagetieren erworben hat, konkret mit Versuchstieren in Laboren. Er listet noch eine ganze Reihe weiterer Zertifikate auf, die jedoch nach Online-Weiterbildungen ausgestellt werden oder dem Besuch von Seminaren, die nichts mit einer Ärzteausbildung zu tun haben.“
Beim Gesundheitsministerium nicht registriert
Ein Ärztediplom sei nicht unter den aufgeführten Dokumenten, so Smatana. Trotzdem war Ruzzi bis mindestens vergangenen Herbst bei der ABClinic im Prager Stadtteil Chodov angestellt. Sein Wirkungsbereich war die ästhetische Medizin, er bot Gesichtsliftings, Aufspritzen der Lippen oder auch das Bleichen des Rektums an. Bei einem persönlichen Besuch Smatanas in der Einrichtung behauptete Ruzzis Vorgesetzte Věra Šatánková, dass dessen Dokumente von der Klinikleitung überprüft worden seien und alles seine Richtigkeit habe:
„Doktor Ruzzi ist vom Gesundheitsministerium als Arzt anerkannt. Es stimmt also nicht, wenn Sie sagen, dass er kein Diplom habe, keine Ausbildung oder was weiß ich noch alles.“
Smatanas Nachfrage beim Gesundheitsministerium ergab allerdings, dass dort weder Ruzzi noch zwei weitere seiner Kollegen aus der ABClinic geführt sind. Martina Čovbanová vertritt die Presseabteilung des Ministeriums:
„Dies bedeutet, dass keine der drei Personen eine Approbationsprüfung bei uns beantragt hat. Diese ist aber verpflichtend und belegt gleichzeitig die Tschechischkenntnisse eines Arztes. Das Gesundheitsministerium geht der Sache nach, und im Zweifelsfall müssen rechtliche Schritte eingeleitet werden. Jeder Arzt, der seinen Beruf in der Tschechischen Republik ausüben will, muss Mitglied der hiesigen Ärztekammer sein, die wiederum eine Liste ihrer Angehörigen führt.“
Alberto Leguina Ruzzi aber ist bei der tschechischen Ärztekammer nicht als Mitglied verzeichnet. Die Leitung der ABClinic wiederum verteidigt ihren Chirurgen mit dem Argument, die Mitgliedschaft im Gremium sei freiwillig – und widerspricht damit klar der Gesetzeslage. Kammerpräsident Milan Kubek äußert daher Zweifel an der Seriosität der Firma:
„Jede Gesundheitseinrichtung muss uns eine Liste ihrer Mitarbeiter vorlegen. Wenn jemand als Arzt arbeitet, aber nicht Mitglied in der Ärztekammer ist, dann verstößt er damit gegen das Gesetz. Zudem könnte es sein, dass die fragliche Einrichtung nicht einmal die erforderliche Registrierung hat.“
Diese offizielle Registrierung erteilt in Prag der Magistrat und in den übrigen Landesteilen das zuständige Kreisamt. Allein in der Hauptstadt gibt es aber mehrere tausend Anbieter von medizinischen Dienstleistungen. Mit seiner Bitte um eine Überprüfung der ABClinic wurde Reporter Smatana auf mehrere Wochen vertröstet.
Komplizierter Anerkennungsprozess für ausländische Ärzte
Und auch der falsche Arzt Ruzzi wich direkten Nachfragen aus. Da er sich nicht mit Smatana persönlich treffen wollte, kam es zu einer kurzzeitigen Kommunikation über Instagram. Zu seiner fehlenden Qualifikation nahm Ruzzi aber keine Stellung, vielmehr schrieb er von einer Verschwörung. Eine Reaktion bekam Smatana zudem auf seine Erkenntnis, dass der angebliche Chirurg vor allem homosexuelle Klienten behandle. Zitat Ruzzi:
„Ich helfe Menschen, die in tschechischen Krankenhäusern diskriminiert werden. Ich bin ein Opfer von Fremdenfeindlichkeit, und all dies wird von der Mafia der tschechischen Ärztekammer gedeckt.“
Immerhin wisse Ruzzi als Biologe und Wissenschaftler mit einem Skalpell umzugehen, räumt Smatana bei seinen Darstellungen ein. Auch der Chef des Physiologischen Instituts an der Akademie der Wissenschaften, Petr Ježek, ist vorsichtig in der Beurteilung der medizinischen Kenntnisse des ehemaligen Mitarbeiters:
„Ruzzi ist kein wirklicher Scharlatan, denn mit Medizin kennt er sich zumindest theoretisch aus. Ich weiß zwar nicht, welche Diplome oder Berechtigungen er hat. Er hat uns aber geholfen bei einer Studie an Patientinnen mit Brustkrebs. Dabei hat er einen Eindruck davon bekommen, wie man bei solchen Dingen vorgeht. Das betraf aber nur den Bereich der Untersuchung, ich meine dabei nicht die eigentliche Krebsbehandlung.“
Reporter Smatana ist bei seinen Recherchen auch in weiteren Kliniken auf verdächtige Ärzte gestoßen, bei denen die Qualifikation unklar ist. In der Mehrheit der Fälle handelt es sich um Personen, die ihre angebliche Ausbildung im Ausland absolviert haben und nach Tschechien gezogen sind. Ein Grund dafür könne sein, dass die Akkreditierung solcher Mediziner in Tschechien zeitaufwändig und sehr anspruchsvoll sei, meint Smatana. Und Ärztekammerchef Kubek erläutert:
„Das Medizinstudium innerhalb der Europäischen Union ist harmonisiert, und die Abschlüsse werden automatisch anerkannt. Absolventen aus Nicht-EU-Ländern müssen den Prozess der Nostrifikation, also die Anerkennung des Diploms, an einer hiesigen medizinischen Fakultät absolvieren. Dann folgt die Approbationsprüfung zu den Sprachkenntnissen in Tschechisch, um zu ermitteln, ob sich jemand verständigen kann. Im Anschluss werden die Medizinkenntnisse geprüft. Denn im Ursprungsland muss die betreffende Fakultät nicht das gleiche Niveau haben wie hierzulande.“
Im Falle von Alberto Leguina Ruzzi ist es Smatana nicht gelungen herauszufinden, an welcher Fakultät er seine Approbation abgelegt haben soll. Dies nimmt der Reporter als Hinweis, dass dieser Vorgang wahrscheinlich gar nicht stattgefunden habe. Nach den Eindrücken des Reporters spricht Ruzzi zudem nur mangelhaft Tschechisch, was ebenfalls den verpflichtenden Anforderungen widerspricht. Andererseits lautet Smatanas Fazit:
„Ich muss zugeben, dass es für Menschen mit einem ausländischen Diplom nicht einfach ist, in Tschechien die nötigen Prüfungen abzulegen und Arzt zu werden. Ausländische Ärzte kritisieren, dass der Staat es ihnen nicht ermöglicht, sich schnell in das hiesige System einzufügen. Die tschechische Ärztekammer oder auch die Zahnärztekammer stellen dabei, wie man hört, Hürden auf.“
Ärztekammer ist nicht zuständig
Nach dem Besuch Smatanas in der ABClinic verschwand das Profil Ruzzis von der Webseite der Einrichtung. Umgehend tauchte sein Name aber im Mitarbeiterverzeichnis des Schönheitszentrums Beautyshape in der Prager Innenstadt auf. Dessen Leitung verweigert bisher das Gespräch mit dem Redakteur.
Und zu Beginn der Woche sind noch weitere Fälle bekannt geworden. Am Montag berichtete Smatana von fünf verdächtigen Ärzten, die in den Privatkliniken Altos und Mediestetik arbeiten, ebenfalls beide in Prag ansässig. Erneut wandte sich der Reporter an den Magistrat, erneut wurde um mehr Zeit gebeten. Magistratssprecher Vít Hofman:
„Die Unterlagen, die wir vom Tschechischen Rundfunk kurz vor den Weihnachtsfeiertagen bekommen haben, mussten wir zunächst mit dem Register der Gesundheitsdienstleister abgleichen. Die Überprüfung der angeführten Ärzte erfordert allerdings noch eine gewisse Zeit. Wir gehen dem Hinweis nach, weil es auch in unserem Interesse ist, dass in den Einrichtungen der Hauptstadt Ärzte arbeiten, die die Gesetzesvorgaben erfüllen.“
Dies sei auch das Anliegen der Ärztekammer, bestätigte deren Sprecher Michal Sojka unlängst in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Allerdings würden auch hier Hindernisse bei der Verfolgung des Falls Ruzzi bestehen:
„Der Betreffende ist nicht Mitglied der Ärztekammer. Er ist also kein Arzt, selbst wenn er sich als solchen ausgibt. Damit fällt er nicht in unseren Zuständigkeitsbereich und unter unsere Disziplinarinstrumente. Die Ärztekammer kann in einem solchen Fall maximal eine Strafanzeige stellen oder die Informationen der fehlenden Registrierung an die zuständigen Stellen beziehungsweise das Gesundheitsministerium weiterleiten. Dem Arbeitgeber droht für solche Versäumnisse laut dem Gesetz über Gesundheitsdienstleistungen eine Strafe in Millionenhöhe.“
Eine solche Sanktion sei aber bei ähnlichen Betrugsfällen in der Vergangenheit noch nicht verhängt worden, fügt Sojka an. Auch Smatana bestätigt, dass die Polizei entsprechende Anzeigen bisher noch nie erfolgreich ermittelt hat. Dennoch fordert der Reporter die Ärztekammer auf, Strafanzeige gegen Ruzzi zu stellen. Diese könnte dann auch die Kontrollen durch den Magistrat beschleunigen.
Für die Patienten bleibt nur der Ratschlag, selbst die Qualifikation der Mediziner zu überprüfen. Auf der Webseite der tschechischen Ärztekammer lkcr.cz findet sich ein Verzeichnis aller ihrer Mitglieder, das mit einer einfachen Suchfunktion bedient werden kann. Wenn der eingegebene Name keinen Treffer ergibt, dann ist womöglich etwas nicht in Ordnung.