Ein Begriff, viele Bedeutungen: Tschechisch-deutsche Konferenz zum Thema „Grenzen“

Grenzen waren das Thema einer tschechisch-deutschen Konferenz, die am Wochenende im nordböhmischen Ústí nad Labem / Aussig stattfand.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Corona-Pandemie auf alle Lebensbereiche spürbar ausgewirkt. Aus diesem Grund wollte der tschechische Verein Sdružení Ackermann-Gemeinde mit einer Konferenz den Begriff der Grenze aus verschiedenen Aspekten beleuchten. Die Referenten gingen zunächst auf die anthropologisch-theologischen und historischen Aspekte von Grenzen ein. In der Diskussion wurden dann aber auch die tschechisch-deutsche Zusammenarbeit am Beispiel der Pendler und der deutschen Arbeitgeber sowie die Erfahrungen mit dem Distanzunterricht thematisiert. Das Publikum beschäftigte sich zudem stark mit der Überwindung von „eigenen Grenzen“.

Die Grenzen aus historischer Sicht betrachtete der Historiker und Politologe Michal Pehr von der Prager Karlsuniversität. Zur Bedeutung des Begriffs merkte er gegenüber Radio Prag International an:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Wir erlebten in den letzten 30 Jahren eine politische Entwicklung, in der Grenzen für etwas ,Unmodernes‘ gehalten werden, das überwunden werden müsse. Dies ist eine Form, die Vergangenheit zu bewältigen. Wir hatten nach 1989 das Gefühl, die Bedeutung der Grenzen müsse im politischen Sinne reduziert werden – vor allem, nachdem Tschechien Teil der euroatlantischen Strukturen geworden war. Die Erfahrungen aus den letzten zwei Jahren zeigen jedoch, dass Grenze kein leerer Begriff ist.“

Der Experte würdigte die Vielfalt der Vorträge und Diskussionsbeiträge auf der Konferenz. Nach deren Beendigung sagte er:

„Nach längerer Zeit bin ich mir wieder bewusst geworden, wie viele Bedeutungen der Begriff ,Grenze‘ eigentlich hat. Neben den politischen Grenzen, den Staats-, Kreis- und Gemeindegrenzen gibt es auch Grenzen im theologischen oder ethischen Sinne des Wortes. In diesem Bereich wird damit ein Wendepunkt, also ein Limit bezeichnet. Diese Grenzen werden gesetzt, um in vielen Bereichen eine Struktur zu schaffen.“

Adolf Pintíř | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Monsignore Adolf Pintíř, Priester aus dem Böhmerwald, ist neu gewählter Vorsitzender des Vereins Sdružení Ackermann-Gemeinde. Er lobte die Konferenz dafür, dass sowohl die Grenzen im konkreten Sinne des Wortes, als auch die abstrakten Grenzen im Gemüt der Menschen besprochen worden seien:

„Gleich im ersten Diskussionsbeitrag ging es um den Mut, Eisbaderin zu werden. Davon erzählte die Direktorin der Grundschule im Städtchen Trmice. Sie schilderte anschließend auch ihre Erfahrungen mit dem Distanzunterricht und wie den Kindern zu Hause geholfen wurde. Das fand ich inspirierend. Tief beeindruckt war ich auch von dem Bericht einer Teilnehmerin, die als Koordinatorin für Tschechien bei der Industrie- und Handelskammer in Chemnitz arbeitet. Sie sprach über die Pendler und deren Erfahrungen in der Corona-Zeit. Ich hätte eine Aufzählung von allen möglichen Problemen erwartet. Aber sie sagte, es sei als Chance und Herausforderung betrachtet worden. Das fand ich schön.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Pintíř würdigte zudem die Tatsache, dass die Konferenz im nordböhmischen Aussig veranstaltet wurde. Die rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Tschechien und Deutschland hatten dadurch die Möglichkeit, die Ausstellung „Unsere Deutschen“ zu besuchen. Zudem gab es ein Gastspiel  des Schauspielensembles „Ježkovy voči“ von der Kunstschule in Planá. In dem Stück mit dem Titel „Hrdinství“ (Heldentum) wurden Dokumentarelemente mit Lebensgeschichten von Menschen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs kombiniert. Zum Abschluss nahmen viele der Konferenzteilnehmer noch an einem Gottesdienst in der Maria-Himmelfahrtskirche in Aussig teil. Der Bischof von Litoměřice / Leitmeritz, Jan Baxant, las die Messe zweisprachig – auf Tschechisch und auf Deutsch.

Ústí nad Labem | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International