Vereint in der Mehrstimmigkeit: Zu Besuch beim Chor der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde
Fester Bestandteil eines jeden Gottesdienstes ist das gemeinsame Singen. In vielen Kirchengemeinden kommen Menschen zum Musizieren auch in einem Chor zusammen. In der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Prag gab es diesen bisher noch nicht, doch das hat sich nun geändert.
Der neugegründete Chor der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Prag singt sich zu Beginn einer jeden Probe ein. Doch die Übungen gehen noch weiter: Die Gruppe von etwa zwanzig Menschen steht im Kreis, die Hände haben sie in die Hüften gestützt, und die Chorleiterin gibt Anweisungen zur richtigen Aktivierung des Zwerchfells.
Die Leiterin des neugegründeten Martinschores, das ist die Musikerin und Musikpädagogin Ramona Schulz. Im Interview erklärt sie, wie es zur Entstehung des Ensembles gekommen ist.
„Am Anfang stand die Lust am Singen. Es hat aber ein bisschen gedauert, bis wir anfangen konnten. Durch Corona hat sich alles um zwei Jahre verzögert. Wir hatten zuvor bereits einen Anlauf, der aber leider gescheitert ist. Jetzt proben wir seit einem Monat regelmäßig.“
Freude am gemeinsamen Singen steht im Vordergrund
Der langjährigen Pragerin zufolge soll sich der Chor erst langsam weiterentwickeln.
„Wir befinden uns ganz am Anfang. Für uns steht wirklich der Spaß am gemeinsamen Singen und an der Musik im Vordergrund. Wir entwickeln nach und nach die Stimmen. Bei jeder Probe soll vor allem Musik entstehen.“
Konkrete Pläne für Auftritte hat der Chor zwar noch nicht, laut Ramona Schulz wäre die Gruppe aber schon bald so weit, dass sie etwa im Gottesdienst auftreten könnte.
„Wir setzen uns nicht unter Druck, aber natürlich haben wir das Ziel, den Gottesdienst zu bereichern und auch Konzerte zu geben. Ich setze da jedoch keine Termine. Auftritte im Rahmen eines Gemeindefestes oder Gottesdienstes könnten mittelfristig aber auf jeden Fall stattfinden. Der Chor macht sich sehr gut, und es ist schön, die Leidenschaft der Leute zu sehen. Bereits nach den ersten Proben ist auch schon eine Entwicklung festzustellen. Ob wir ein Konzertchor werden, der mit größeren Orchestern auftritt, wird die Zeit zeigen. Das muss derzeit nicht unser Ziel sein“, so die Chorleiterin.
Dementsprechend wird derzeit auch nur behutsam das Repertoire des Chores erweitert. Große Messen werden nicht gesungen, stattdessen etwa Kanons und vierstimmige Lieder. Auch sogenannte Circlesongs stehen auf dem Programm. Diese wurden ursprünglich von Bobby McFerrin geprägt. Verschiedenen Gruppen werden einzelne Phrasen zugeteilt, die diese ständig wiederholen. Im Zusammensingen entsteht die Musik, die auch dadurch erfahrbar wird, dass sich die Sänger durch den Raum bewegen. Die Melodien der anderen sind so mal mehr, mal weniger zu hören.
Die Lieder, die der Chor einstudiert, müssen nicht immer einen geistlichen Inhalt haben. So wird etwa auch die schwedische Weise „Wer kann Segeln ohne Wind?“ geprobt. Bevor die Gruppe sie zum ersten Mal singt, spricht Chorleiterin Ramona Schulz den Text vor. Dann wiederholt die Gruppe das Gesagte. Im Anschluss daran singen zunächst alle gemeinsam die Melodie, und dann proben die Stimmgruppen einzeln. Am Ende erklingt das Lied schließlich chorisch.
Der Chor als Treff der Deutschsprachigen – und als Sprachkurs
Gerade dieses Proben der Stücke begeistert die Chormitglieder. „Am meisten Spaß macht mir, wieder Lieder zu lernen“, sagt etwa Stefan Schneider. Er ist von Anfang an im Martinschor dabei. „Es gibt also verschiedene Stimmen und man muss diese einstudieren. Man merkt, dass man besser wird. Es ist wirklich toll und macht mir viel Freude“, erklärt er weiter.
Stefan Schneider, der in Prag bei der Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm arbeitet, ist dabei jedoch kein Chor-Neuling:
„Ich habe in der Schulzeit ganz lange gesungen. Nun habe ich mir gedacht, dass es eigentlich schön wäre, das mal wieder zu tun. Als ich dann von diesem deutschen Chor in Prag erfahren habe, fand ich das richtig cool. Ich kann hier andere deutschsprachige Leute treffen, wozu ich auf der Arbeit keine Gelegenheit habe. Von daher gefiel mir die Idee, in einer muttersprachlichen Umgebung zu singen.“
Für die Kindergärtnerin Monika Traubová trifft genau das Gegenteil zu. Das Deutsche ist für sie die Fremdsprache.
„Ich bin Tschechin und finde es richtig schön, im Chor zu singen, wegen des Deutschen. Für mich ist das eine Sprachübung. Und meine Stimme verbessere ich dabei auch noch,“ sagt Monika Traubová, die wie die meisten Mitglieder über Facebook vom Martinschor erfahren hat.
„Die schönste Erfahrung, die man machen kann.“
Hinter der Gründung steht unter anderem Barbara Vávra, die eigentlich in der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer arbeitet. Sie hat das Projekt für die Deutschsprachige Evangelische Gemeinde mit initiiert. Und natürlich ist sie auch selbst bei den wöchentlichen Proben dabei.
„Am meisten Spaß macht mir eigentlich das Gesellige. Am Anfang sind liebe Bekannte und Freunde mit dazugestoßen. Es gibt nun einen regelmäßigen Zeitpunkt in der Woche, an dem man sich sehen kann. Außerdem geht man gestresst zu den Chorproben und verlässt sie locker, fröhlich und gelöst. Auch die Sänger spüren das. Das ist die schönste Erfahrung, die man machen kann.“
Der Chor der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Prag sucht derzeit noch neue Mitglieder. Vielleicht möchten ja auch Sie mitsingen? Die Proben finden jeden Mittwoch um 19.00 Uhr statt. Geprobt wird in der Theologischen Evangelischen Fakultät der Karlsuniversität in der Černá 9 in Prag.