Neuer Trainer und neuer Stil? Tschechen haben Ambitionen bei der Eishockey-WM
Zehn Jahre sind bereits vergangen seit der letzten tschechischen Medaille bei einer Eishockey-WM. Am Freitag beginnt die Weltmeisterschaft in Finnland – und damit eine neue Chance. Im Vorfeld des Championats hat das Team überzeugt. Und das mit einem neuen Trainer an der Bande, dem Finnen Kari Jalonen.
„Sicher besteht die Chance auf einen Erfolg. Schließlich hat das Team in den letzten Spielen seine Qualität bewiesen," sagt Mannschaftskapitän Roman Červenka.
Der Stürmer vom schweizerischen SC Rapperswil spielt damit an auf den Gewinn der Sweden Hockey Games in der vorigen Woche. Das tschechische Team bezwang in Stockholm nacheinander Schweden, Finnland und die Schweiz.
Der Reporter Petr Kadeřábek ist für den Sportsender des Tschechischen Rundfunks bei der WM in Finnland. Im Interview für Radio Prag International weist er darauf hin, dass die Mannschaft zuvor auch schon das tschechische Turnier im Rahmen der Euro Hockey Tour gewonnen hat. Die Euro Hockey Tour gilt als inoffizielle Europameisterschaft…
„Erstmals seit Bestehen der Euro Hockey Tour hat Tschechien gleich zwei Turniere hintereinander gewonnen. Dabei sind bereits 97 Turniere gespielt worden. Der Triumph in Schweden hat eine gewisse Aussagekraft. Denn die Kader der Mannschaften, die bei den Sweden Hockey Games angetreten sind, hatten schon ziemliche Ähnlichkeiten mit denen für die Weltmeisterschaft. Besonders wichtig waren der 3:1-Sieg gegen Finnland sowie das hart erkämpfte 2:1 gegen Schweden. Das dritte Spiel lässt sich hingegen nicht so gut beurteilen, denn die Schweizer hatten noch nicht ihre stärksten Kräfte auf dem Eis, die dann aber bei der WM auflaufen werden. Das trifft jedoch genauso auf das tschechische Team zu“, so Kadeřábek.
Schweden und Finnland sowie die USA – das sind die dem Papier nach größten Konkurrenten für Tschechien in der WM-Vorrunde. Dazu trifft man noch auf Österreich, Großbritannien, Lettland und Norwegen. Aus jeder der beiden Gruppen qualifizieren sich die ersten vier Teams fürs Viertelfinale. Dort wird dann kreuzweise gegeneinander gespielt, also der Erste der Gruppe A gegen den Vierten der Gruppe B, der Zweite der Gruppe A gegen den Dritten der Gruppe B und so weiter.
Erster ausländischer Cheftrainer
Vielleicht die spannendste Personalie in der tschechischen Nationalmannschaft ist der Trainer. Es handelt sich um den 62-jährigen Erfolgscoach Kari Jalonen aus Finnland. Eigentlich sollte er die Auswahl seiner Heimat übernehmen, entschied sich aber dann für das Angebot aus Prag. Jalonen ist der erste ausländische Cheftrainer für die Kufencracks aus Tschechien. Petr Kadeřábek:
„Sein großer Vorteil ist, dass er das tschechische Eishockey bereits von früher kennt. Denn er war Trainer von Lev Prag. Das heißt, er ist mit der Mentalität der hiesigen Spieler und ihrem Stil vertraut. Er hat nun das moderne finnische Eishockey mit dem ideenreichen tschechischen verbunden. Und in diesem Sinn versucht er auch, den Kader zusammenzustellen.“
Laut dem Sportexperten sind Neuerungen bereits zu erkennen…
„Das Team hat begonnen, etwas anders zu spielen. Auch die Trainingseinheiten wurden umgestaltet. Beim Spielsystem ist auffällig, dass im Mitteldrittel mehr kombiniert wird und man dadurch schneller ins Angriffsdrittel gelangt. Die Trainingseinheiten sind zwar kürzer geworden, dafür aber deutlich intensiver. Trainer Jalonen legt also großen Wert auf alle Übungen und darauf, dass seinen Anleitungen gefolgt wird“, erläutert Kadeřábek.
Den WM-Kader gab Kari Jalonen nach dem Erfolg bei den Sweden Hockey Games bekannt. Wie der Trainer bei der Pressekonferenz sagte, habe er in den sechs Wochen an der Bande insgesamt 52 Spieler beobachten können. Das habe zu einigen harten Entscheidungen geführt, so der Coach:
„Das Ding ist, dass die Spieler bestimmte Rollen übernehmen müssen. Und das schließt nicht nur das Spiel fünf gegen fünf ein, sondern auch Powerplay und Unterzahlspiel. Für die Auswahl der letzten Mitglieder des Kaders war dies entscheidend.“
So steht etwa der produktivste Spieler der diesjährigen Saison in der tschechischen Extraliga nicht im Aufgebot. Dies ist der Stürmer Filip Chlapík von Sparta Prag. Doch Petr Kadeřábek hält den Kader für ziemlich ausgewogen:
„Und zwar vor allem deswegen, weil dort erfahrene Spieler genauso wie junge sind und ebenso die mittlere Generation vertreten ist. Ein gut zusammengestelltes Team also. Dass es Filip Chlapík nicht ins Aufgebot geschafft hat, darüber ließe sich diskutieren. Aber dies hat mit der Rollenverteilung im Team zu tun, auf die Jalonen wert legt. Denn Chlapik wäre fürs Powerplay gedacht gewesen, aber darin sind gerade die Spieler aus der NHL stark, die ebenfalls dabei sind. Und für diese Disziplin muss man dringend David Krejčí nennen. Solch ein Eishockeyspieler wird vielleicht einmal in 50 Jahren geboren. Er ist für jedes Team unersetzlich, nicht nur für die tschechische Nationalmannschaft. Meiner Ansicht nach könnte er der größte Star dieser WM werden. Und das, obwohl er mittlerweile in Olmütz spielt. Aber Krejčí hat so viel Erfahrung aus der NHL und ist in der ersten Powerplay-Formation gesetzt. In der zweiten wiederum nimmt Michal Špaček die Rolle ein, die Filip Chlapík ansonsten zustehen könnte. Trainer Jalonen hat ziemlich viel Auswahl an kreativen Spielern, die sowohl stark im Zuspiel als auch im Abschluss sind.“
Noch ein Schütze aus der NHL?
Zu den 25 Spielern des Aufgebots gehören sieben Profis aus der NHL. Darunter sind auch zwei Torhüter. Laut tschechischen Sportberichten könnte Lukáš Dostál von den Anaheim Ducks die Rolle der Nummer eins zwischen den Pfosten zufallen. Aus der Nordamerikanischen Eishockeyliga ließe sich aber vielleicht noch ein guter Schütze zum Team holen, meint Kadeřábek:
„Das könnte David Pastrňak aus Boston sein. Er würde gut ins Team passen, weil er in der NHL viele Spiele zusammen mit Krejčí bestritten hat. In Frage käme aber auch Martin Nečas von den Carolina Hurricanes. Auf beide oder einen von ihnen könnte Jalonen vielleicht noch warten.“
Insgesamt kann Tschechien also ein starkes Team zur WM aufbieten. Aber reicht es auch zur ersten Medaille nach zehn Jahren – oder etwa zum Titel? Kari Jalonen nährt leicht die Hoffnungen…
„Wir haben die Chance, etwas Großes zu erreichen. Aber ich möchte realistisch sein und sage, dass wir von Tag zu Tag und von Spiel zu Spiel schauen müssen“, so der Trainer.
Und Sportexperte Petr Kadeřábek? Er nennt das Viertelfinale als entscheidenden Punkt und sagt:
„Auch weil das russische Team von der WM ausgeschlossen wurde, sind die Chancen auf eine Medaille gestiegen. Aber Tschechien war schon in der jüngeren Vergangenheit sehr nahe gewesen – so etwa jeweils beim vierten Platz bei der WM in Bratislava 2019 und bei den Olympischen Spielen 2018. Damals konnte man sich im Viertelfinale durchsetzen, scheiterte aber anschließend. Vielleicht fehlte da auch das Glück. Aber ja, die Durststrecke für eine Medaille ist so lang wie noch nie in der tschechischen und tschechoslowakischen Eishockeygeschichte.“
Tschechien steigt am Samstag ins Turnier ein. Im ersten Spiel geht es gegen den Außenseiter Großbritannien. Schon am Sonntag folgt aber das Duell mit Schweden – und vielleicht ein erster Hinweis auf die wahre Form des Teams.