Der Kulturweg der Vögte – deutsch-tschechisches Bildungsprojekt

Kaiserpfalz Cheb

Vögte wurden einst als Stellvertreter von Feudalherren eingesetzt. Sie standen an der Spitze von Verwaltungen und sprachen Recht. Im Hochmittelalter setzten die Staufer die Herren von Weida als ihre Vögte in östlichen Randgebieten ein. Deren Einfluss reichte bis tief ins Königreich Böhmen hinein. Viele Denkmäler weisen noch heute Spuren aus der Zeit der Vögte auf. Und das Wort „Vogtland“ kommt im Namen gleich mehrerer Regionen vor. Ein deutsch-tschechisches Projekt hat nun dieses Thema für den Tourismus erschlossen. 150 Orte wurden zu einem „Kulturweg der Vögte“ vernetzt.

Die Vögte wirkten einst im Vierländereck von Thüringen, Sachsen, Böhmen und Bayern. Die Kultur, die sie im Mittelalter und der frühen Neuzeit schufen, sei ein besonderes Merkmal dieses Raumes. Sie könnte die Säule eines regionalen Bewusstseins bilden, glaubt Siegfried Kost vom Verein futurum vogtland. Der evangelische Schulverein aus dem sächsischen Reichenbach übernahm 2016 die Federführung beim Projekt „Kulturweg der Vögte“. Mit „Kulturweg“ sei nicht bloß eine Route gemeint, erklärt Geschäftsführer und Schulleiter Siegfried Kost:

Kulturweg der Vögte | Quelle: EUREGIO EGRENSIS Arbeitsgemeinschaft Sachsen/Thüringen e.V.

„‚Kulturweg‘ haben wir von vorneherein so verstanden, dass sich mit den Vögten hier etwas etabliert und fortentwickelt hat. Die Vögte haben ein Erbe hinterlassen. Das ist der eine, historische Aspekt von ‚Kulturweg‘. Und der zweite Aspekt ist, dass wir auch die Kultur mit einbeziehen wollen. Wir haben versucht, Kulturveranstaltungen an das Projekt anzubinden und die kulturelle Vernetzung zu unterstützen. Wir verstehen den ‚Kulturweg‘ nicht rein touristisch, sondern auch in dem Sinne, dass man mehr übereinander erfährt und dass man Kultur, die man hier macht, vielleicht auch über die Grenze bringt.“

Dirk Heinze im Museum Oberes Schloss Greiz | Foto: TIno Peisker,  Tourismusverband Vogtland

Vorträge, Ausstellungen, Konzerte und Theateraufführungen an verschiedenen deutschen und tschechischen Orten wurden daher in das vierjährige Projekt mit eingeplant. Die Projektidee sei zuallererst vom Greizer Verein „Dialog mit Böhmen“ entwickelt worden, der wiederholt auch Kooperationen mit tschechischen Schulen unterstützt habe, so Siegfried Kost:

„Ich war begeistert von der Idee ‚Kulturweg der Vögte‘, also dieses Thema zu nehmen, um das Einmalige der Region grenzüberschreitend herauszuarbeiten. Und vor allen Dingen, das hatten wir in dem Schülerprojekt davor gemerkt: Die Grenze war immer noch in den Köpfen da.“

Elf Projektpartner aus Thüringen, Sachsen und Tschechien haben schließlich miteinander am „Kulturweg der Vögte“ gearbeitet. 1,76 Millionen Euro flossen an Fördergeldern aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Interreg-Programm Freistaat Sachsen – Tschechische Republik ein. Die Städte Aš, Františkovy Lázně und Cheb waren auf tschechischer Seite beteiligt.

Projektteam vor der Burg Ostroh,  Siegfried Kost  (2. v. l.),  Štěpán Karel Odstrčil  (Mitte) | Foto: Dirk Heinze,  Tourismusverband Vogtland

Štěpán Karel Odstrčil, bis vor kurzem Manager der Burg Ostroh bei Franzensbad, weiß das Projekt zu schätzen…

„Das hier ist eine Gegend, die früher immer am Ende lag. Und ich glaube, dieses Projekt, der ‚Kulturweg der Vögte‘, ist eine einzigartige Möglichkeit, unsere Randregionen durch ein gemeinsames Thema zu verbinden. Die Entwicklung des historischen Egerlands hängt eng mit dem Vogtland zusammen. Aber es geht nicht nur um die Vögte, sondern um die gemeinsame Geschichte vom Mittelalter an“, so Odstrčil.

Burgen, Kirchen und historische Stadtkerne

Bei rund 150 Sehenswürdigkeiten lässt sich ein Bezug zu den Vögten herstellen. Diese Kulturlandschaft der Vögte habe nun eine touristische Infrastruktur erhalten, so Dirk Heinze vom Tourismusverband Vogtland in Auerbach:

Hof | Foto: Flodur63,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

„Es ist nicht in erster Linie eine Kombination von Museen als Vermittlungsorte der Geschichte, sondern es sind die baulichen Zeugnisse der Vögte, auf die wir aufmerksam machen wollen.“

Dazu gehören Burgen und Schlösser, Kirchen und Klöster, aber auch Stadtkerne aus dem 12. bis 16. Jahrhundert. Manche der Denkmäler sind heute noch gut erhalten, bei anderen wurde die ursprüngliche Bausubstanz in späteren Phasen verändert, von vielen existieren nur noch Relikte oder Ruinen. Der Raum, in dem dieses kulturelle Erbe zu finden ist, reicht von Gera über Plauen und das bayerische Hof bis nach Cheb und weiter nach Karlovy Vary. Die sehenswerten Orte wurden zu 14 Etappen gruppiert. Diese Einteilung wolle man als Anregung verstanden wissen, betont Dirk Heinze:

„Wir wollen den Kulturweg individuell erschließen lassen. Wir machen keine Vorgaben, dass man eine bestimmte Route und schon gar nicht alle 14 Etappen marschieren muss, um letztlich alle Sehenswürdigkeiten kennenzulernen. Wir geben Ideen und machen Vorschläge, wie man mit dem Rad oder zu Fuß, mit der Bahn oder mit dem Auto auf Entdeckungsreise gehen kann. Das sind Routen, die über Grenzen von Bundesländern gehen – ins Thüringische und Sächsische Vogtland, aber auch über die Staatsgrenze nach Tschechien in das alte Egerland und nach Westböhmen.“

Burg Hartenštejn | Foto:  Radio Prague International

Im Ascher Gebiet waren die Vögte von Weida bereits im 13. Jahrhundert präsent. Sie erhielten dort Ländereien als Lehen. In den folgenden drei Jahrhunderten schalteten und walteten Nachkommen der Dynastie der Vögte auch an vielen Orten weiter im Landesinneren.

„Man nennt das Ascher Ländchen auch ‚Böhmisches Vogtland‘. Besonders im deutschsprachigen Raum wird es so bezeichnet. Es gibt aber auch Burgen wie Hartenštejn bei Bochov, deutsch Buchau, wo die Vögte von Plauen Besitztümer hatten. Selbstverständlich entstanden auch Verwandtschaften mit dem böhmischen Adel“, sagt der Historiker Štěpán Karel Odstrčil.

Kynžvart, Bečov oder Horní Slavkov sind nur einige der böhmischen Herrschaften, die zeitweilig den Vögten unterstanden. Vogt Heinrich VII. von Weida wurde 1257 zum Landrichter für das Egerland ernannt. Dieses Amt bekleideten die Vögte dann ein ganzes Jahrhundert lang.

St. Johanniskirche und Komturhof in Plauen | Foto: TIno Peisker,  Tourismusverband Vogtland

Wie bereits erwähnt, standen am Beginn des „Landes der Vögte“ die Herren von Weida. Sie hatten ihren Stammsitz auf der Osterburg in der thüringischen Stadt. Zu Vögten stiegen sie im frühen 13. Jahrhundert auf. Später teilte sich die Dynastie der Weidaer Vögte in mehrere Linien, darunter die der Vögte von Plauen. Mit ihren Ämtern und Besitzungen drückten die Vögte dem Raum von Gera bis Karlsbad ihren Stempel auf. Sie waren gleichwohl nicht die Einzigen dort, andere Obrigkeiten konkurrierten mit ihnen um die Macht. Nach Verlusten durch Kriege, Erbteilungen und Insolvenzen neigte sich die Glanzzeit der Vögte Mitte des 16. Jahrhunderts mit dem Schmalkaldischen Krieg ihrem Ende zu.

Informationsstätte in Ostroh

Štěpán Karel Odstrčil | Foto: Josef Šorfa,  Tschechischer Rundfunk

Auf der Burg Ostroh hatten die Vögte von Plauen Verwandte. Dort ist nun eine Informations- und Begegnungsstätte zum „Kulturweg der Vögte“ entstanden, nicht zuletzt dank dem Engagement von Štěpán Karel Odstrčil.

„Die Idee war, dass man beiderseits der Grenze eine Informationsstelle hat, wo möglichst alle Orte, die zum Kulturweg der Vögte gehören, präsentiert werden. So sollen die Touristen immer auch eingeladen werden zu einer Reise über die Grenze zu den Nachbarn, um das noch nicht Bekannte zu entdecken. Im Prinzip geht es um ein Tennisspiel, könnte man sagen. Wir wollen, dass die Touristen sich zwischen diesen beiden und um diese beiden Punkte bewegen. Es gibt auch eine Wanderausstellung zum Kulturweg der Vögte. Diese Ausstellung war zwei Jahre lang in unserer Burg zu sehen“, so der Historiker.

Informations- und Begegnungsstätte auf Burg Mylau | Foto: Maria Hammerich-Maier,  Radio Prague International

Besucher der Burg Ostroh fänden immer wieder Gefallen daran, auf den Spuren der Vögte nach Deutschland weiterzureisen, so Odstrčil. Auf der Burg Mylau im sächsischen Reichenbach wurden brach liegende alte Räume zu einer ähnlichen Informations- und Begegnungsstätte umgebaut. In diesen Infozentren liegen Faltprospekte zu Sehenswürdigkeiten und Karten für den gesamten „Kulturweg der Vögte“ in allen drei Projektsprachen aus. Dirk Heinze vom Tourismusverband Vogtland in Auerbach weist auf die digitalen Informationsquellen hin, die zusätzlich noch erarbeitet wurden:

„Wir haben auf unserer Website den kompletten Kulturweg der Vögte integriert und eine eigene Vogtland-App geschaffen, über die alle Sehenswürdigkeiten auf Deutsch, Tschechisch und Englisch nachzulesen sind.“

Christoph Fasbender | Foto:  Technische Universität Chemnitz

Wer die Geschichte der Vögte genauer kennenlernen möchte, kann in einem bebilderten Kulturführer von Christoph Fasbender nachschlagen. Der Mediävist und Altgermanist von der TU Chemnitz hat das Projekt wissenschaftlich begleitet. Sein über 400 Seiten starkes Werk „Kulturweg der Vögte. Entdeckungsreisen durch das Vogtland“ beleuchtet neben den einzelnen Orten auch verschiedene historische Aspekte des Themas. Gesamtkoordinator Siegfried Kost bahnt unterdessen bereits ein Folgeprojekt an:

„Wichtig war für uns, dass wir auf tschechischer Seite noch zusätzliche Partner finden. Wir sind froh, dass wir Loket diesmal gewinnen konnten. Und auf deutscher Seite haben wir uns nach Bayern erweitert. Hof ist nun ebenfalls mit dabei.“

Weida | Foto: ich,  Wikimedia Commons,  public domain

Geplant ist unter anderem die Virtualisierung von Sehenswürdigkeiten und deren historischer Entwicklung. Auf diese Weise sollen auch frühe Kulturstätten, die inzwischen verfallen oder zerstört sind, zumindest digital wieder sichtbar werden. Inwieweit die Geschichte der Vögte dazu taugt, ein Bewusstsein regionaler Gemeinsamkeit zu fördern, sei dahingestellt. Allzu sehr ist dieses Geschichtskapitel der Gegenwart entrückt, neuere Einflüsse überlagern es. Und vielen Einwohnern der Region steht es heute recht fern, besonders in Tschechien. Wer aber die Orte bereist, an denen die Vögte von Weida und ihre Nachkommen einst wirkten, und neugierig ist auf das Wissen über die damalige Kultur, gewinnt auf dem „Kulturweg der Vögte“ erstaunliche Einblicke.