Tschechische Caritas wird 100 Jahre alt
Die Caritas der Tschechischen Republik ist die größte nichtstaatliche Organisation, die Dienste im sozialen und medizinischen Bereich anbietet. Sie besteht seit 100 Jahren.
Die Caritas der Tschechischen Republik ist die größte nichtstaatliche Organisation, die Dienste im sozialen und medizinischen Bereich anbietet. Sie besteht seit 100 Jahren. Mehr erfahren Sie von Martina Schneibergová in der folgenden Ausgabe von „Forum Gesellschaft“.
Die Vertreter der tschechischen Caritas haben vergangene Woche in Prag eine Kampagne gestartet anlässlich des 100. Jubiläums. Die Organisation hilft Kranken, Benachteiligten, Flüchtlingen und Obdachlosen. Hierzulande verfügt die Caritas über ein Netz von 275 lokalen Zweigstellen und beschäftigt über 9000 Menschen. Jedes Jahr beteiligen sich rund 50.000 Freiwillige an den Aktivitäten der Organisation, die sich 2021 um mehr als 170.000 Menschen gekümmert hat.
Der Prager Erzbischof Jan Graubner gehört zu jenen, die sich an der Erneuerung der Caritas in der freien Tschechoslowakei nach der Wende von 1989 beteiligt haben. Bei der Präsentation zum 100. Jubiläum erinnerte er daran, dass es schon immer den Bedarf gegeben habe, anderen Menschen unter Arme zu greifen:
„Die Caritas, als ein Dienst für Bedürftige, gab es schon von Anfang an in der Kirche. Die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg zeigten die Notwendigkeit, diesen Dienst auszubauen. Nach der Entstehung der Tschechoslowakei bemühte man sich, diese Aktivitäten im Rahmen der ganzen Republik besser zu organisieren.“
Caritas-Pressesprecher Jan Oulík merkte gegenüber Radio Prag International an:
„Das Netz von Caritas-Vereinen wurde nach dem Ersten Weltkrieg aufgebaut. Damals mussten jedoch erst einmal die verstreuten Aktivitäten zusammengefügt werden. Allmählich entstanden Caritas-Zweigstellen in den einzelnen Diözesen. Die Zentrale der Caritas wurde erst 1928 gegründet. Aber die lokalen Caritas-Vereine fußten auf den Statuten wohltätiger Vereine aus dem 19. Jahrhundert. Darum ist es schwierig festzulegen, wann das Jahr Null der tschechischen Caritas war. 1922 wurde in Olmütz der Caritas-Verband gegründet, und damit war das Caritas-Netz in Mähren komplett. Darum begehen wir dieses Jahr unseren 100. Geburtstag.“
Von Deutschland und Österreich inspiriert
Lukáš Curylo leitet die tschechische Caritas. Für einen Meilenstein hält er die Hilfe nach dem Hochwasser, das 1997 Mähren heimsuchte. Damals beteiligten sich die Mitarbeiter der Caritas umfangreich an der Hilfe für die Betroffenen, die kirchliche Organisation organisierte zudem eine Spendensammlung und arbeitete dabei mit ihren Partnern aus Deutschland zusammen. Als einen weiteren Meilenstein bezeichnete Curylo die Sternsinger-Spendensammlungen. Auf Initiative von Bischof Graubner wurde sie erstmals im Jahr 2000 in der Diözese Olmütz organisiert. Ein Jahr später fand sie bereits in ganz Tschechien statt. In diesem Jahr seien bei der Sternsinger-Sammlung über 141 Millionen Kronen (5,7 Millionen Euro) zusammengekommen, erklärte der Caritas-Leiter und nannte weitere Beispiele für die Arbeit aus der letzten Zeit:
„2021 war die Caritas eine der Organisationen, die nach dem verheerenden Tornado in Mähren geholfen haben. Die Menschen spendeten damals sehr schnell insgesamt 361 Millionen Kronen. Aus dieser Summe wird bis heute die Hilfe bei der Instandsetzung der beschädigten Gebäude finanziert. Und die bisher letzte Herausforderung ist die Hilfe für die Ukraine. Die tschechische Caritas ist seit 20 Jahren in dem Land tätig. Seit einigen Monaten kümmert sie sich auch um Geflüchtete von dort. Dabei ist es von Vorteil, dass wir bereits Erfahrungen mit den Aktivitäten in der Ukraine haben und die Ukrainer gut kennen.“
361 Millionen Kronen entsprechen übrigens 14,6 Millionen Euro.
Wie Lukáš Curylo weiter betont, fand die tschechische Caritas in den 1990er Jahren oft Inspirationen bei ihren Partnerorganisationen in Deutschland und in Österreich:
„Dies betraf hauptsächlich den sozial-medizinischen Dienst. In den 1980er Jahren gab es diesen hierzulande nicht, wir mussten das erst in Deutschland lernen. Erst dann haben wir uns ein Knowhow angeeignet, das heutzutage auch andere Organisationen nutzen. Und noch eine nicht unwichtige Kleinigkeit: Wir hatten damals kein Logo. Caritas Deutschland lieh uns die Lizenz für das Logo, das wir seitdem genutzt haben. Das war damals dringend notwendig, weil wir kein Markenzeichen hatten. Zum 100. Jubiläum haben wir uns aber ein neues Logo geschenkt. Des Weiteren haben uns 1997 die Kollegen aus Deutschland bei der Beseitigung der Hochwasserfolgen in Mähren stark finanziell geholfen. Dies hat uns sehr gestärkt. Ein weiteres Beispiel der Zusammenarbeit ist die Sternsinger-Spendensammlung. Wir haben uns dabei von Österreich inspirieren lassen. Zu Beginn waren viele davon überzeugt, dass die Sammlung in Tschechien kaum Erfolg haben werde. Das hat sich jedoch nicht bestätigt. Mittlerweile ist sie die größte Spendensammlung in Tschechien. Zudem werden wir auch vom Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland Renovabis unterstützt. Die Zusammenarbeit mit den Partnern aus Deutschland und aus Österreich hat uns ermöglicht, unsere Caritas-Arbeit weiterzuentwickeln.“
Programme für ukrainische Kinder
Aber es geht auch andersherum. So half die tschechische Caritas auch in Deutschland, und zwar bei der Flutkatastrophe im Juli vergangenen Jahres. Lukáš Curylo:
„Es handelte sich nur um eine kleine Hilfe auf menschlicher Ebene. Als es in Deutschland nach der Hochwasserkatastrophe an Trocknern, Pumpen und weiteren Geräten mangelte, haben sich die deutschen Kollegen an uns gewandt. Wir hatten große Vorräte an diesen Geräten, daher haben wir einen Lkw mit Trocknern und Pumpen nach Deutschland geschickt. Damit haben wir uns wenigstens ein bisschen für die große Hilfe revanchiert, die uns 1997 zuteil geworden ist.“
Auch viele junge Menschen helfen als Caritas-Freiwillige. Im Folgenden ein Gespräch mit Ráchel Veselá, der Koordinatorin der sogenannten Young Caritas:
Frau Veselá, was verbirgt sich hinter der Young Caritas?
„Young Caritas ist ein europäisches Netzwerk, das mit jungen Menschen im Bereich Freiwilligendienst und Bildung zusammenarbeitet. Gerade jetzt läuft in Prag ein Projekt der Akademie Young Caritas, das sich auf neue Unterrichtsmethoden an tschechischen Schulen konzentriert. Wir bilden die Lehrer im Bereich nachhaltiger Entwicklung aus.“
Bei der Eröffnung der Jubiläumsfeiern wurde erwähnt, dass sich die Freiwilligen von Young Caritas unter anderem um die Geflüchteten aus der Ukraine kümmern. Wie greifen sie ihnen unter die Arme?
„Das hat gleich im März angefangen. Wir haben bemerkt, dass es unter den ukrainischen Müttern eine große Nachfrage nach Programmen für Kinder gibt. In unserem Zentrum in Prag haben wir einen Kindergarten eingerichtet, damit die Kinder auch auf andere Gedanken als den Krieg kommen konnten. In nächster Zeit planen wir ein Adaptationszentrum für Jugendliche und Erwachsene, in dem Tschechisch-Kurse angeboten werden und in dem wir die Geflüchteten beraten, wo sie Arbeit oder eine entsprechende Schule finden.“
Wie ist das Interesse an den Kinderprogrammen?
„Wir konnten leider nicht alle Kinder aufnehmen. Aber in den letzten Tagen sind einige Familien in die Ukraine zurückgekehrt. Es ist also nicht mehr dieselbe Gruppe von Kindern wie zu Anfang. Mittlerweile haben wir eine Kooperation mit der Prager Kunstakademie begonnen und begleiten noch eine weitere Gruppe von Kindern, für die die Akademie Programme vorbereitet. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Caritas in Prag nur um diese Kinder kümmern würde. Auch in den lokalen Caritas-Zweigstellen, die bei einzelnen Pfarreien aktiv sind, wird viel für ukrainische Kinder unternommen.“
Wie haben Sie die sprachliche Barriere bei den Kindern aus der Ukraine überwunden?
„Die Kinder sind sehr spontan. Am Anfang war eine Frau aus der Ukraine dabei, die schon seit längerem in Tschechien lebt. Nach sehr kurzer Zeit haben die Kinder aber schon auf Tschechisch gegrüßt und sich auch in der Sprache verständigt.“