Speerwerfer Vadlejch holt einzige tschechische Medaille bei Leichtathletik-WM
Fünf Jahre lang mussten die tschechischen Leichtathleten auf eine WM-Medaille warten. In der Nacht auf Sonntag wurden sie erlöst. Denn der Speerwerfer Jakub Vadlejch holte Bronze bei der WM im amerikanischen Eugene. Ansonsten aber gab es für Tschechien nur wenige Highlights bei dieser Weltmeisterschaft.
Immerhin gab es eine tschechische Medaille bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften im amerikanischen Eugene. Denn drei Jahre zuvor in Doha waren die Athleten und Athletinnen des Landes leer ausgegangen. Doch der Speerwerfer Jakub Vadlejch konnte mit dem Gewinn von Bronze das lange Warten beenden. Er schleuderte im dritten Versuch das Wurfgerät auf 88,09 Meter, dem Sieger Anderson Peters aus Grenada gelangen aber sogar 90,54 Meter. Fünf Jahre lang hatte die tschechische Durststrecke gedauert. Vadlejch:
„Ich habe, ehrlich gesagt, an eine Medaille geglaubt. Natürlich habe ich lieber nicht öffentlich darüber gesprochen, aber ich habe alles dafür getan. Ich denke, dass ich meine Qualität im Finale zeigen konnte. Ich hatte eine gute Serie von Würfen und glaubte sogar bis zum Schluss daran, Peters noch schlagen zu können oder ihm zumindest bedrohlich nahe zu kommen. Auch nach meinem Wurf über 88 Meter habe ich versucht, mich noch zu verbessern. Doch Anderson Peters war heute nicht zu schlagen, es war eine One-Man-Show.“
Vadlejch verpasste dabei Silber nur um vier Zentimeter, denn Olympiasieger Neeraj Chopra aus Indien hatte den Speer in seinem besten Versuch auf 88,13 Meter geworfen. Doch der Tscheche konnte nicht mehr kontern und erklärte dies anschließend so:
„Chopras Wurf hat mich eigentlich angespornt. Aber mir ist die Technik leicht abhandengekommen, und ich konnte dies nicht mehr korrigieren. In der Leichtathletik geht es eben um Zentimeter und Zehntelsekunden, und dieses Mal habe ich diesen Kampf verloren.“
Vadlejch ist dabei in diesem Jahr bereits über 90 Meter gekommen. Im Mai erzielte er mit 90,88 Metern in Doha seine persönliche Bestleistung.
Vier Zentimeter an Silber vorbei
Trainiert wird der 31-jährige Prager von der Speerwurf-Legende Jan Železný. Auch der dreifache Olympiasieger und Weltrekordhalter konnte auf der Tribüne die technischen Probleme seines Schützlings erkennen:
„Wenn er wie beim Einwerfen seine Würfe auf die linke Seite gezogen hätte, dann wäre er vielleicht noch weiter gekommen. Aber ich bin auch über diese Medaille froh. Das war eine große Leistung, er hat gezeigt, dass er ein absolut reifer Wettkämpfer ist, der nun auch begonnen hat, Medaillen zu sammeln. Ich bin sehr froh, dass es ihm gelungen ist. Es war sehr schwer.“
2017 in London hatte Vadlejch die Silbermedaille geholt und dasselbe Edelmetall auch bei den Olympischen Spielen in Tokio im vergangenen Jahr. In beiden Wettkämpfen hätte er mit seiner jetzigen Weite aus Eugene Gold gewinnen können. Doch der Speerwurf der Männer hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Dies bestätigt auch der Athlet selbst…
„So ist es. In diesem Jahr sind schon sechs Speerwerfer über 89 Meter gekommen. Deswegen habe ich meine 88 Meter im WM-Finale auch die ganze Zeit noch nicht als sichere Medaille gesehen. Stattdessen befand ich mich weiter auf der Hut und habe versucht, noch etwas draufzulegen. Die Leistungssteigerungen in den zurückliegenden Jahren sind enorm. Ich finde das hervorragend für unsere Disziplin, weil sie so mehr Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit bekommt. Das macht mir Freude“, so Vadlejch.
Die Bronzemedaille wurde dem Athleten schon direkt nach dem Wettkampf um den Hals gehängt. Diese Praxis haben die Veranstalter in Eugene eingeführt, es ist bisher eine Besonderheit bei Wettkämpfen dieser Art. Dazu der Speerwerfer:
„Das ist schon eher sonderbar, aber auf der anderen Seite auch schön, die Medaille gleich zu sehen. Ich habe dann gefragt, ob es denn schon die richtige Medaille sei. Sie haben dies bestätigt. Ich dachte, es sei eine Attrappe, weil sie so leicht ist im Gegensatz zur Olympia-Medaille von Tokio, die richtig am Hals gezogen hat. Diese unmittelbare Medaillenübergabe ist nicht so ganz falsch, sie ist interessant.“
Tschechische Erfolgsdisziplin
Leider blieb es für die tschechischen Leichtathleten und Leichtathletinnen bei diesem einen Podiumsplatz. Richtig nah an Edelmetall kam niemand anderes heran. Es ist aber kein Zufall, dass der größte Erfolg gerade im Speerwurf zustande gekommen ist. Historisch ist dies nämlich die stärkste tschechische Leichtathletik-Disziplin – bei den Männern wie bei den Frauen. Von insgesamt 15 WM-Goldmedaillen seit der Selbständigkeit des Landes 1993 wurden sieben mit dem Speer geholt.
Bei den Frauen war in diesem Bereich viele Jahre lang Weltrekordhalterin Barbora Špotáková dominant. Die 41-jährige Tschechin hat aber die WM in Eugene ausgelassen, um sich auf die Europameisterschaften im August in München zu konzentrieren. Dort will sie auch ihre Karriere ausklingen lassen, was EM, WM oder Olympische Spiele betrifft. Daher war bei den Speerwerferinnen Nikola Ogrodníková die größte tschechische Medaillenhoffnung. Mit 60,18 Metern wurde sie zwar nur Achte, aber immerhin war dies ihr bisher bestes WM-Ergebnis. Zugleich hatte die 31-Jährige während des Wettkampfs durchgehend die Überzeugung, mindestens die Drittplatzierte Haruka Kitaguchi aus Japan übertreffen zu können. Diese hatte den Speer auf 63,27 Meter geworfen.
„Mich ärgert etwas, dass eine Medaillenplatzierung in Reichweite war. Aber ich habe von Anfang an nicht besonders gut geworfen und mich nur durch meinen dritten Versuch ins engere Finale der besten Acht gerettet. Im Hinblick auf weitere Wettkämpfe bin ich froh um diese Erfahrung. Jetzt weiß ich, wie es dann im Kopf arbeitet“, so Nikola Ogrodníková
Dennoch war sie die zweitbeste europäische Speerwerferin in Eugene. Als Mitfavoritin bei den anstehenden Europameisterschaften in München sieht sie sich indes nicht – auch mit dem Verweis auf eine deutsche Athletin:
„Zum Beispiel ist Christin Hussong gar nicht zur WM angereist. Und noch viele weitere Namen gibt es. Bei der EM werde ich versuchen, aus meinen jetzigen Fehlern zu lernen und die Erfahrungen in gute Ergebnisse umzuwandeln.“
Tschechischer Rekord der 400-Meter-Staffel
Ogrodníková zeichnete übrigens neben der Bronzemedaille von Vadlejch für eine von nur zwei weiteren Top-Ten-Platzierungen tschechischer Leichtathleten verantwortlich. Die andere gelang der 400-Meter-Staffel. Das tschechische Quartett aus Matěj Krsek, Pavel Maslák, Michal Desenský und Patrik Šorm war im Halbfinale neuen Landesrekord gelaufen und überraschend ins Finale eingezogen – das erste WM-Finale mit tschechischer Besetzung im 400-Meter-Staffellauf bei den Männern seit 39 Jahren!
Zwar reichte es dann in der Nacht auf Montag nur zum achten Platz. Aber trotz einer Behinderung durch die Gegner auf der Strecke liefen die vier zu einem weiteren tschechischen Rekord. Der liegt nun bei 3:01,63 Minuten. Pavel Maslák schilderte dem Reporter des Tschechischen Rundfunks in Eugene unter anderem noch einmal seine Beinahe-Kollision eingangs der zweiten Kurve:
„Die vor mir waren etwas langsamer, und ich musste leicht abbremsen. Ich wollte dann in der Kurve nicht überholen, um keine Extra-Meter laufen zu müssen. Danach hatte ich aber nicht mehr die Kraft, um an ihnen vorbeizuziehen. Aber wir haben das Finale erreicht und sind dort auch ungefähr die Zeit gelaufen, die wir angepeilt haben. Auf das Finale hatten wir gar nicht gehofft. Das und die Zeit machen mich sehr zufrieden.“
Nun richten sich die Blicke aller Sportler bereits auf die Leichtathletik-Europameisterschaften im Münchner Olympiastadion. Diese beginnen in genau drei Wochen, also am 15. August.