Unbekannte Naturforscher und StB-Operation „Kámen“: Böhmerwaldseminar in Domažlice
Über 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und Tschechien waren zum Böhmerwaldseminar gekommen, das am Wochenende im westböhmischen Domažlice / Taus stattfand. Wolfgang Schwarz und Anna Paap haben das Seminar, veranstaltet vom Münchner Adalbert Stifter Verein, vorbereitet.
Herr Schwarz, das Böhmerwaldseminar fand nun schon zum 21. Mal statt. Diesmal konzentrierte sich das Programm – ähnlich wie schon vergangenes Jahr – nicht ausschließlich auf das Geschehen im Böhmerwald…
„Das Böhmerwaldseminar ist eigentlich ein Forum für die deutsch-tschechischen kulturhistorischen Beziehungen. Wir haben uns in diesem Jahr auf das bevorstehende Jubiläum von Otfried Preußler konzentriert – dem Schriftsteller aus Reichenberg / Liberec, der in Deutschland vielleicht der bekannteste Kinderbuchautor ist. Thema waren vor allem die Kindheit und die Jugend Preußlers und auch seine Prägungen. Dies betrifft etwa seine literarische Beziehung zum Vater, die durchaus gegenseitig bedingt war. Dies haben Jan Kvapil und Carsten Gansel mit ihrer neuen Monographie über Otfried Preußler dem Publikum hervorragend nahebringen können.“
Ein interessantes Thema sind auch die Naturforscher aus dem Böhmerwald. Einige der Namen waren vermutlich für die meisten Seminarteilnehmer bisher unbekannt. Wie haben Sie das Thema entdeckt?
„Naturwissenschaftler aus dem Böhmerwald sind vor allem ein Projekt von Lenka Ovčáčková. Sie wurde durch ihren Film ,Tiefe Kontraste‘ unter anderem auch im deutsch-tschechischen Kontext bekannt. Ihre Beschäftigung mit dem Thema hat das Publikum deshalb so eingenommen, weil es einen sehr vielseitigen Blickwinkel bietet: Von der Algologie über die Mineralogie bis hin zur Astronomie und Mathematik sind verschiedene Zweige der Naturwissenschaften zur Sprache gekommen wie auch die Verankerung dieser Wissenschaftler im öffentlichen Leben. Gedenktafeln, Informationsschilder und bereits stattgefundene Seminare tragen dazu bei, dass auch die weniger bekannten Naturwissenschaftler aus dem Böhmerwald nun einen etwas breiteren Publikumskreis erreichen.“
Wissen Sie schon, wo das nächste Böhmerwaldseminar stattfinden wird, oder darf man das nicht verraten?
„Ich weiß es noch nicht, und deswegen gibt es gar nichts zu verraten. Mich reizt immer, an einem neuen Ort zu sein – auch wenn es zunehmend schwieriger wird, etwas zu finden. Aber ich bin mir sicher, dass wir nächstes Jahr wieder ein Seminar durchführen werden.“
Frau Paap, Sie waren an den Seminarvorbereitungen bedeutend beteiligt und auch schon letztes Jahr mit dabei. Kommen viele der Teilnehmer immer wieder?
„Es ist wirklich eine Besonderheit des Böhmerwaldseminars, dass manche Menschen seit zehn oder mehr Jahren immer wiederkommen. Mich hat besonders gefreut, dass es nach der Corona-Pandemie jetzt wieder so wie früher war. Denn es gab dazwischen eine zweijährige Pause, weil man kein Risiko eingehen wollte. Danach waren aber die Menschen wieder bereit teilzunehmen.“
Sie haben den zweiten Teil des Seminars moderiert. Der Vortrag und die Präsentation der Bücher von Václava Jandečková zu der Operation „Kámen“ waren vermutlich am spannendsten, wie aus den Reaktionen des Publikums hervorging…
„Es ist ein Wahnsinn, was Anfang der 1950er Jahre stattfand. Wieviel Aufwand es den kommunistischen Geheimdienst StB gekostet hat, eine fingierte Grenze aufzubauen. Die Menschen, die die Tschechoslowakei verlassen wollten, sollten dadurch ein Gefühl der Sicherheit bekommen. Durch ihre Aussagen konnten noch weitere Menschen verfolgt werden. Die persönlichen Geschichten der Verhafteten haben mich wirklich berührt. Ich bin Frau Jandečková sehr dankbar, dass sie darüber schreibt – auch wenn es hierzulande nicht jeder begrüßt, wenn sie darüber vor allem mit der jungen Generation redet.“
Während des Seminars hat der Verlag Český les (Böhmischer Wald) mit Sitz in Domažlice seine 30-jährige Tätigkeit präsentiert. Kennen Sie den Verlag schon länger?
„Ich bin seit einem Jahr oft in dieser Region, denn wir haben hier ein Wochenendhaus gekauft. Dadurch beobachte ich, dass der Verlag hier wirklich präsent ist – man kann ihn nicht übersehen. Wenn man unterwegs ist, sieht man die Wegweiser zu den verschwundenen Dörfern, und auch die Publikationen finden sich überall. Wer nur ein wenig Interesse für diese Region hat, kann man gar nicht um den Verlag herumkommen.“