Zeitzeugenerinnerungen und Krieg in der Ukraine: Festival von „Memory of Nation“ eröffnet
Am Donnerstagabend wurde in Prag ein Festival des Zeitzeugenprojekts „Paměť národa“ eröffnet.
Die Sängerin und Schauspielerin Bára Poláková trat auf der Open-Air-Bühne auf, nachdem einige Redner das Festival von „Paměť národa“ („Memory of Nation“) eröffnet hatten. Das Zeitzeugenprojekt entstand vor mehr als 20 Jahren. Damals begann eine Gruppe von Journalisten, Erinnerungen von Kriegsveteranen und politischen Gefangenen des kommunistischen Regimes aufzuzeichnen. Der Initiator war damals Mikuláš Kroupa. Er leitet bis heute die Non-Profit-Organisation „Post bellum“, die das Zeitzeugenprojekt betreut. Während des Festivals werden Filme präsentiert, Debatten mit Historikern und Publizisten veranstaltet sowie Ausstellungen gezeigt. Bei der Festivaleröffnung betonte Kroupa:
„Der Hauptgrund, warum wir hier sind, ist es, die Freiheit zu feiern und die Menschen, die sich im 20. Jahrhundert dafür einsetzten – während des NS-Regimes und während des kommunistischen Regimes. Wir huldigen aber auch all diejenigen, die in der Gegenwart auf der Seite der Freiheit stehen.“
„Paměť národa“ habe, so Kroupa, eine sehr große Menge von verblüffenden Zeitzeugenaussagen über das 20. Jahrhundert zusammengetragen.
„Unsere Datei umfasst rund 14.000 Zeitzeugengeschichten. Ich finde es interessant, dass ,Paměť národa‘ fast dieselbe Zahl – also 14.000 – Schutzwesten in die Ukraine lieferte. Bezahlt wurden sie aus Spenden, die tschechische Bürger schon seit dem 22. Februar zu schicken begannen. Für die Solidarität möchte ich mich sehr bedanken. ,Paměť národa‘ errichtete vor zwei Jahren eine Zweigstelle in der Ukraine. Wir haben dort einige Journalisten-Kollegen, die Erinnerungen der Zeitzeugen an die sowjetischen Zeiten aufzeichnen. Es war darum selbstverständlich, dass wir auf den Krieg, den Russland gegen die Ukraine entfesselt hat mit der Durchführung einer Spendensammlung reagieren. Während der Zeit haben wir etwa 400 Millionen Kronen (etwa 16 Millionen Euro, Anm. d. Red.) zusammengetragen. Für das Geld kaufen wir Drohnen, Wärmebildkameras und anderes ein. Zuletzt haben wir einen Feuerwehrwagen in die Ukraine geliefert.“
Das Team um Kroupa hat weiterhin vor, der Ukraine mit weiteren Lieferungen unter Arme zu greifen. An den Krieg in dem Land erinnert während des Festivals zudem eine Open-Air-Ausstellung. Zu sehen sind einige Autowracks, ergänzt durch Schautafeln mit Texten. Kristýna Bardová ist Sprecherin des Zeitzeugenprojektes:
„Die Geschichten der Besitzer der Autos, die vor dem Krieg in der Ukraine zu flüchten versuchten, stehen auf den Schautafeln. Diese Aktivität knüpft an unsere Spendensammlung an, dank der wir Ausstattung für die Verteidiger der Ukraine im Wert von einigen Hunderten Millionen Kronen schicken konnten.“
An der Festivaleröffnung nahm auch Innenminister und Vizepremier Vít Rakušan (Stan) teil. Er entschuldigte zuerst den erkrankten Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten), der ursprünglich kommen sollte. Rakušan dankte dem Team des Zeitzeugenprojekts für seine Arbeit. Die Kenntnisse über die kommunistische Vergangenheit hält er auch nach mehr als 30 Jahren seit der Wende für wichtig. Er habe selbst Geschichte studiert und auch unterrichtet, so der Vizepremier:
„Ich habe mich darum bemüht, dass die Schüler die Geschichte verstehen. Manchmal tat es mir leid, dass die junge Generation wenig Begeisterung gezeigt hat. Der einzige Weg, um die Geschichte der jungen Generation näher zu bringen, sind konkrete Zeitzeugenaussagen, die sich die jungen Menschen anhören können. Es sind Aussagen über Aufenthalte in Gefängnissen oder in Arbeitslagern. Und genau dies vermittelt uns ,Paměť národa‘.“
Auf dem Festivalprogramm stehen unter anderem Filmvorstellungen zum Thema Holocaust sowie zu einem Buch über deutsche Kinder, die nach dem Kriegsende aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden.
Das Festival von „Paměť národa“ findet vor und im Strahov-Stadion bis zum Samstag statt. Mehr über das Programm erfahren Sie unter https://festival.pametnaroda.cz.