Russlands „fünfte Kolonne“ in Tschechien – Verbreiter von Desinformationen

Kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben Sicherheitsexperten die Risiken ausgewertet, die Tschechien drohen könnten.

Jaroslav Spurný  (Foto: ČT24)

Tschechische Sicherheitsexperten benannten Ende Februar die wichtigsten Mittel von Putins „fünfter Kolonne“ in Tschechien: Es waren Desinformationen und russische Propaganda, Cyber-Angriffe, strategische Firmen in den Händen russischer Unternehmer sowie die Abhängigkeit der tschechischen Armee von der russischen Rüstungsproduktion. Neun Monate nach Beginn des Kriegs in der Ukraine seien die Vertreter tschechischer Sicherheitsinstitutionen etwas optimistischer gestimmt, meint Jaroslav Spurný. Er ist Kommentator des renommierten Wochenmagazins „Respekt“. Die russische Aggression habe die Tür für die sowieso immer schwächere Zusammenarbeit der tschechischen Armee mit russischen Produzenten und Reparaturwerkstätten endgültig zugeschlagen, so Spurný in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks

Hubschrauber Mi-17 | Foto: J. Hlaváč,  Tschechische Armee

„Die tschechische Armee war leider auch 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs noch einigermaßen von russischen Waffen abhängig. Sie hat russische Hubschrauber modernisiert und russische Panzer genutzt. Dies alles ist jedoch vorbei. Es ist erstens unmöglich, im Rüstungsbereich von einem Aggressor abhängig zu sein. Zweitens würde Russland sowieso keine Ersatzteile an Tschechien liefern. Die tschechische Armee hat sich daher schnell entschieden, den Großteil ihrer Hubschrauber,  Panzer und des weiteren Militärmaterials an die ukrainische Armee zu liefern. Diese wurde einst mit russischer Ausrüstung aufgebaut und verfügt über eigene Reparaturwerke, sodass sie imstande ist, das gelieferte Militärmaterial zu nutzen.“

AKW Temelín | Foto: ČEZ

Im Februar hatten noch zwei große strategische tschechische Unternehmen russische Eigentümer. Dies hat sich inzwischen geändert: Der tschechische Energiekonzern ČEZ übernahm das Unternehmen Škoda jaderné strojírenství, das Komponenten für Atomkraftwerke herstellt. Die Firma Let Kunovice baut kleine Verkehrsflugzeuge. Früher, als sie noch einen russischen Besitzer hatte, lieferte sie ihre Erzeugnisse beispielsweise an die russische Erkundungstruppe. Mittlerweile hat die Familie des tschechischen Rüstungsproduzenten Richard Háva den Flugzeughersteller gekauft. Allerdings seien hierzulande weiterhin viele kleinere Firmen in russischem Besitz, merkt Jaroslav Spurný an.

Illustrativesfoto: Anna Švecová,  Pexels,  CC0 1.0 DEED

„Insgesamt sind es 18.000 Firmen in Tschechien, die in russischen Händen sind. Das stellt natürlich ein gewisses Risiko dar. Deutsche oder US-Amerikaner besitzen übrigens sehr viel weniger Firmen hierzulande. Der Inlandsnachrichtendienst BIS veröffentlichte gemeinsam mit der Polizeizentrale für die Bekämpfung organisierter Kriminalität (NCOZ, Anm. d. Red.) vor drei Jahren eine Information, dass sie eine russische Hackergruppe in Tschechien enthüllt hätten, die von russischen Geheimdiensten organisiert worden sei. Diese Hackergruppe verbarg sich eben hinter einer kleinen Firma. Das Problem besteht unter anderem darin, dass es bei rund einem Drittel russischer Firmen unmöglich ist, den tatsächlichen Eigentümer zu finden.“

Platz vor der russischen Botschaft | Foto: ŠJů,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Jaroslav Spurný zufolge ist eines der Probleme auch, dass die Namen russischer Unternehmer unterschiedlich transkribiert sind. Daher könnten diese Leute nicht überprüft werden…

„Hinter einer der 18.000 Firmen kann sich auch ein Spion verstecken oder einfach jemand finden, der Tschechien schädigen will. Andererseits ist die russische Botschaft heutzutage aber fast leer. Nur sechs Diplomaten arbeiten dort noch. Ich denke zudem, dass die Botschaft jetzt zu Kriegszeiten von den tschechischen Nachrichtendiensten sorgfältig überwacht wird.“

Illustrativesfoto: TheDigitalArtist,  Pixabay,  Pixabay License

Letztlich hält Spurný die russische Propaganda, die der Kreml über seine Desinformationskanäle verbreitet, für die größte Gefahr der sogenannten „fünften Kolonne“:

„Wir haben gelernt, dafür auch den Begriff des ,hybriden Kriegs‘ zu verwenden. Darunter wird nicht der Kampf mit Waffen verstanden, sondern mit Mitteln von Wirtschaft und Ideologie oder durch Cyberangriffe und Desinformationen. Das sind derzeit die von Russland ausgehenden Sicherheitsrisiken in Tschechien.“

Autoren: Martina Schneibergová , Jan Burda
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