Bestes Programm in Europa: Kino Pilotů in Prag erhält renommierte Auszeichnung
Dem kleinen Programmkino Pilotů in Prag ist vor kurzem eine große Ehre zuteil geworden: Es hat von Europa Cinemas den Preis für das beste Programm erhalten. Was bedeutet das für die Betreiber? Und was ist das Besondere an dem Lichtspielhaus?
Das Kino Pilotů liegt um die Ecke von der Prager Partystraße Krymská im Stadtteil Vršovice. Schon in der Zwischenkriegszeit wurden dort Filme gezeigt, später dienten die Räume aber anderen Zwecken. So war hier etwa ein Squash-Zentrum untergebracht oder ein Konzertsaal. 2016 eröffneten Alžběta Macolová und ihr Mann, der Filmproduzent Jan Macola, in der Donská 19 aber wieder zwei Kinosäle. In der Zwischenzeit ist ein dritter Vorführraum hinzugekommen.
Anfang Dezember haben die Macolas in Paris die wohl wichtigste Auszeichnung für Arthouse-Kinos in Europa entgegengenommen: den Preis Europa Cinemas, und zwar konkret für das beste Programm. Im Interview für Radio Prag International erläutert Programmdirektorin Alžběta Macolová das Konzept des Kinos Pilotů:
„Unser Kino ist dadurch so besonders, dass wir schon seit langem ein sehr buntes Angebot an Filmen haben. Es richtet sich an Zuschauer im Alter von zwei bis 99 Jahren – oder vielleicht auch jenseits der 100 Jahre, je nachdem, wer herkommt. Ein wichtiges Kriterium, das uns zu den heißen Kandidaten für den Preis gemacht hat, war der Umstand, dass wir viele europäische Filme zeigen.“
Dem Filmtheater-Netzwerk Europa Cinemas gehören mehr als 1200 Kinos aus 739 Städten in 42 Ländern an. In dieser Konkurrenz konnte sich das Kino Pilotů durchsetzen, und zwar als erstes Lichtspielhaus in Tschechien. Für Alžběta Macolová, die für die Auswahl der Filme verantwortlich ist, bedeutet die Auszeichnung sehr viel. Dabei sagt sie:
„Für mich war die Auszeichnung erst einmal eine große Überraschung. Das hatte ich nicht erwartet. Das Programm ist das Herz eines Kinos. Wenn ich dieses zusammenstelle, denke ich über die Menschen nach, die zu uns in die Säle kommen, und darüber, welche Filme meinem Mann und mir gefallen. Es gibt bestimmte Arten von Filmen, die wir gar nicht anbieten wollen, weil sie unserer Vorstellung einer Dramaturgie widersprechen. Und mich freut, dass meine Kollegen dies anerkannt haben.“
Denn über die Vergabe der Preise entscheiden die Mitglieder des Netzwerks Europa Cinema.
Besucherzahlen wie vor Corona
Aber nicht nur andere Programmkino-Betreiber sind von Macolovás Arbeit angetan. Es müssen auch die Besucher sein, sonst läge ihre Zahl derzeit nicht wieder so hoch wie vor der Corona-Pandemie. Insgesamt 80.000 Film-Fans besuchen jedes Jahr die drei Säle des Kino Pilotů, das ein relativ dichtes Programm hat bei 4000 Ausstrahlungen pro Jahr.
Alžběta Macolová setzt dabei unter anderem auch auf tschechische Filme. Zu ihnen gehört derzeit „Il Boemo“. Der Streifen von Regisseur Petr Václav wurde beim diesjährigen Filmfestival in San Sebastián uraufgeführt. Für dessen Vertrieb ist im Übrigen die Firma von Jan Macola verantwortlich…
„Den Film ‚Il Boemo‘ kann ich auf jeden Fall empfehlen. Und auch für in Prag lebende Ausländer dürfte die Ausstellung zu dem Streifen im Clam-Gallas-Palais interessant sein, denn sie ist nicht nur auf Tschechisch, sondern ebenso auf Englisch. Dort sind Kostüme und Arien zu sehen, die nicht in den Film gepasst haben. Von den aktuellen Kino-Produktionen möchte ich noch ‚America‘ von Ofir Raul Graizer nennen. Und im neuen Jahr freue ich mich zum Beispiel auf den amerikanischen Großfilm ‚Babylon‘ mit Brad Pitt. Mal schauen, wie er sich macht“, so Macalová.
Bei der Auswahl für das Programm ist Alžběta Macolová aber nicht ausschließlich auf das angewiesen, was andere Vertriebe für den tschechischen Markt anbieten. Denn in den Vertrieb ihres Manns nehmen beide ab und zu auch Filme auf, die weitere hiesige Anbieter nicht haben.
Doch dies ist nicht alles:
„Wir sind auch selbst Mitorganisatoren einiger Festivals. Dazu gehört vor allem das Festival israelischer Filme Kolnoa, das immer im Herbst bei uns stattfindet. Eine eher ungewöhnliche Veranstaltung ist das Festival von Surfer-Filmen. Darauf freuen wir uns immer, denn dann haben wir hier ganz andere Besucher, die sonst nicht hier herkommen.“
Zudem arbeitet das Kino Pilotů mit den Schulen im Stadtteil zusammen und bietet auch spezielle Vorstellungen für Senioren. Eine Herausforderung war allerdings die Corona-Zeit…
„Besonders schwierig war, dass von den zwei Jahren der Corona-Pandemie das Kino ein Jahr lang geschlossen war. In der restlichen Zeit haben wir zum Teil mit Einschränkungen kämpfen müssen. Angenehm war dann aber, als wir festgestellt haben, dass die Besucher danach relativ schnell wieder zu uns zurückgekehrt sind. Wir haben wirklich treue Kinogänger. Eine weitere Sache ist die aktuelle Lage mit der Inflation. Wir versuchen, sowohl die Eintrittspreise, als auch die Preise für Erfrischungen auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten, das zugleich aber das Kino weiter am Leben hält. Ansonsten bemühen wir uns, mit einem möglichst breiten Angebot viele Besucher anzulocken“, sagt die Programmdirektorin.
Filmschauen als gemeinsames Erlebnis
Während der Corona-Pandemie wurde zudem befürchtet, dass nun tatsächlich das letzte Stündlein für Kinos geschlagen habe. Denn vor vielen Jahren schon wurde der Abgesang auf die klassischen Filmvorführungen in einem großen Saal angestimmt. Wie sieht dies Alžběta Macolová?
„Dieses Thema wird in unseren Kreisen immer wieder diskutiert. Dass die Kinos verschwinden, hat sich bisher aber nicht bewahrheitet. Dies wurde bereits behauptet, als das Fernsehen aufkam, dann als die Videokassetten zur Mode wurden, später die DVDs und letztlich auch die Streamingdienste. Immer wurde bange gefragt, ob die Kinos das überleben. Sie haben aber auch Corona überlebt. Über das Thema wurde gerade bei der Konferenz von Europa Cinemas gesprochen, zu der Betreiber nicht nur aus ganz Europa gekommen waren. Die Schlüsse waren eigentlich relativ optimistisch. Man müsse sich zwar immer neue Attraktionen ausdenken, spezielle Angebote und Veranstaltungen, doch das Wichtige sei – und das bietet auch das Kino Pilotů – die Begegnung mit anderen Menschen, das gemeinsame Erlebnis. Und ich denke, dies lässt sich nicht ersetzen.“
Und was sind in diesem Sinne die nächsten Vorhaben im Kino Pilotů? Alžběta Macolová:
„Da wir schon 2016 aufgemacht haben, würden wir gerne die Innenräume des Kinos verschönern und verbessern. Aber vor allem wollen wir weitere gute Filme anbieten. Da werden wir sehen, was die Distributoren und wir alles an Land ziehen. Aber wir freuen uns immer aufs neue Jahr und sind gespannt, mit welchen Filmen es uns überrascht.“
Das Kino Pilotů befindet sich im Prager Stadtteil Vršovice in der Straße Donská 19. Eintrittskarten können sowohl online erworben werden, als auch an der Bar des Kinos. Mehr Infos bietet die Website www.kinopilotu.cz.