Dirigent Jakub Hrůša: „Hans Rotts Musik hat wirklich eine besondere Qualität“
Der renommierte tschechische Dirigent Jakub Hrůša hat mit den Bamberger Symphonikern vorige Woche den International Classical Music Award gewonnen. Martina Schneibergová hat mit dem Chefdirigenten des Orchesters über diese Ehrung gesprochen.
Herr Hrůša, Sie haben mit den Bamberger Symphonikern zum zweiten Mal den International Classical Music Award in der Kategorie Symphonische Musik gewonnen, diesmal für die Einspielung einer CD mit der Symphonie Nr. 1 von Hans Rott. Auf der CD finden sich auch noch zwei weitere Kompositionen – von Gustav Mahler und von Anton Bruckner. Was bedeutet dieser Preis für Sie und wie waren die Reaktionen der Musiker?
„Die Reaktionen der Musiker waren hervorragend. Denn es ist wirklich ungewöhnlich, dass in derselben Kategorie zwei Jahre nacheinander das gleiche Orchester einen solchen Preis bekommt. Und zudem hatten wir in derselben Kategorie drei Nominierungen – mit anderen Worten: Wir haben im vergangenen Jahr drei CDs aufgenommen und alle drei waren unter den für den Preis Nominierten. Also haben wir uns sozusagen selbst konkurriert. Das ist etwas Phantastisches. Hinzu kam noch, dass das Orchester und ich die anderen zwei Ensembles, die das Finale erreicht haben, sehr schätzen. Es waren die Tschechische Philharmonie mit Semjon Bytschkow, auch ein Orchester von mir, obwohl ich nicht sein Chefdirigent bin (Hrůša ist Erster Gastdirigent, Anm. d. Red.), und die Philharmonie aus Oslo mit Klaus Mäkelä. Klaus Mäkelä ist heute unter den jüngsten Dirigenten der beste oder der meistgefragteste. Wir haben den Preis wirklich gefeiert, weil auch die Dramaturgie mit Hans Rott ein wenig ungewöhnlich war. Als wir das aufgenommen haben, wusste niemand, ob die Aufnahme Erfolg haben wird. Dass das nun der Fall ist, freut uns wirklich sehr.“
Hans Rott ist hierzulande praktisch unbekannt. Wie haben Sie ihn entdeckt? Wie kamen Sie auf die Idee, gerade seine Symphonie aufzunehmen?
„Um ein wenig lustiger zu antworten, würde ich sagen, ich habe ihn im Bett entdeckt. Eigentlich stimmt das auch. Als ich mich mit Anton Bruckner befasst haben und wir uns auf die Symphonie Nr. 4 vorbereitet haben – das war die Aufnahme, mit der wir den Preis im letzten Jahr gewonnen haben – wollte ich mich intensiver mit Bruckner als Mensch und Lehrer beschäftigten. Ich erfuhr, dass er viel gelehrt hat, nicht nur Orgel, sondern auch Improvisation und Komposition. Dabei habe ich über seine Studenten gelesen. Von ihnen schien mir Hans Rott der wichtigste zu sein. Für Bruckner war es ganz sicher so. Er sagte über Rott, dass er seinen Kollegen neue Wege der Symphonie und Komposition zeigt. Deswegen wollte ich Rotts Musik für mich selbst entdecken. Ich war dabei erstaunt, was die Qualität und Originalität angeht. Ich wollte diese Musik unbedingt mit einem Orchester in Bamberg im Konzert spielen und möglicherweise auch aufnehmen. Das haben wir im Laufe der Zeit auch gemacht. Wir haben uns das Ergebnis angehört und es gefiel uns sehr. Ich glaube, es ist toll, dass diese Symphonie durch die Verbindung mit der Deutschen Grammophon eine solche Resonanz bekommen hat. Hans Rotts Musik ist sehr wertvoll und sie hat wirklich eine besondere Qualität.“
Hans Rott starb sehr jung. Wurde sein Werk von seinen Zeitgenossen geschätzt oder wurde es eher übersehen?
„Beides. Es gab Leute, die Rotts Musik schrecklich fanden, wie beispielsweise Johannes Brahms. Für ihn war die Originalität ein Mangel an Qualität. Aber Bruckner, Rotts Lehrer, hat sehr für ihn gekämpft und auf seiner Seite gestanden. Gustav Mahler war etwas jünger als Rott. Er fand bei Rott Inspiration für seine späten Werke. Wenn man sich heute Rotts Musik anhört und nichts über Musikgeschichte weiß, denkt man, Rott habe Dinge von Mahler geklaut. Wenn überhaupt, ist es aber eigentlich umgekehrt. Mahler war zweifelsohne ein großes Genie. Aber trotzdem fand er nach Rotts Tod bei ihm Inspiration.“
Darum ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass Sie Rotts Symphonie auf der CD durch Mahler und Bruckner ergänzen?
„Genau. Das ist dramaturgisch klar und konsequent. Diese zwei Komponisten wurden nicht nur als Werke von Rotts Lehrer und Rotts Mitschüler ausgesucht, sondern auch, weil sie ein wenig vergessen worden sind. ,Blumine‘ ist ein Stück, das ursprünglich zu Mahlers erster Symphonie gehörte. Später nahm der Komponist das Stück jedoch heraus. Bruckners symphonisches Präludium aufzunehmen, war ein bisschen ein Experiment.“
Könnte die CD zur Popularität aller drei Werke beitragen?
„Das hoffe ich sehr. ,Blumine‘ ist populär genug, aber das symphonische Präludium und vor allem Rotts Symphonie Nr. 1 verdienen mehr Aufmerksamkeit. Musikkritiker sagen, dass Rotts Symphonie noch nie so schön gespielt wurde. Diese Resonanz zeigt die Schönheit dieser Musik. Ich bin davon überzeugt, dass die CD nie erfolgreich gewesen wäre, wenn die Qualität der Musik nicht so hoch wäre.“