Hasskommentare und Desinformationen: Präsidentschaftswahl hat tschechische Gesellschaft polarisiert

Petr Pavel und Andrej Babiš

Am Freitag beginnt die zweite und entscheidende Runde der Präsidentschaftswahl in Tschechien. Der Wahlkampf der beiden Kandidaten Petr Pavel und Andrej Babiš (Ano) wurde scharf geführt. Und ihre Unterstützer und Gegner verbreiten im Internet oft Hasskommentare und Desinformationen.

Zuletzt wurde es ganz absurd. Am Donnerstag tauchte im Internet die Falschmeldung auf, Petr Pavel sei tot. Der Präsidentschaftskandidat und Gewinner der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen schrieb daraufhin auf Twitter, er habe nie gedacht, dass er einmal in den Netzwerken bestätigen müsse, er sei am Leben.

Dass der Wahlkampf vor der Stichwahl und die Diskussion darum mittlerweile zu scharfe Züge annehmen, haben offenbar sowohl Pavel als auch sein Herausforderer Andrej Babiš (Partei Ano) erkannt. Der Ex-Premier kündigte am Dienstag an, alle öffentlichen Auftritte in der Bevölkerung bis zum Wahlwochenende einzustellen, weil er Morddrohungen erhalten habe. Einen entsprechenden Brief sowie eine Postsendung, mit der Babišs Ehefrau schon vergangene Woche eine Patronenhülse erhalten hatte, untersucht inzwischen die Polizei.

Anna Shavit vom Fachbereich Marketingbezogene Kommunikation und Public Relations an der Prager Karlsuniversität kommentierte das Geschehen im und um den Wahlkampf in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Die politische Kultur und damit die Rhetorik sind in den letzten zehn Jahren hierzulande sehr gesunken. Man hört Begriffe, die früher nicht benutzt wurden. Dies liegt zu einem großen Maße an der verkürzten und schnellen Kommunikation, die die sozialen Medien bewirken.“

Foto: Radek Petrášek,  ČTK

Hasskommentare von außen und Angriffe auf die Kandidaten sind das Eine. Ein scharf geführter Wahlkampf ist aber das Andere. Auch Shavit macht auf den Einfluss der politischen Auseinandersetzung auf die Bevölkerung aufmerksam:

„Der diesjährige Wahlkampf ist zweifellos hochprofessionell. Die Beteiligten sind sehr versiert im Umgang mit den sozialen Medien. Es ist aber erkennbar, dass alles sehr schnell abläuft und der Wahlkampf mitunter über das Mobiltelefon geführt wird. Dann kann es auch zu vorschnellen Äußerungen kommen. Dass die derzeitige Lage polarisiert ist, ist leider eine klare Folge dieser Wahlen.“

Foto: Ondřej Hájek,  ČTK

Beobachter und Kommentatoren kritisieren vor allem, dass der Wahlkampf mit dem Thema Krieg bewusst angeheizt wurde. Dies begann, als zu Beginn der vergangenen Woche Plakate von Andrej Babiš auftauchten mit dem Versprechen, er würde Tschechien nicht in den Krieg führen und sei – im Gegensatz zu einem General – ein Diplomat. Dies wurde als indirekter Angriff auf Pavel verstanden, der als General früher hohe Posten in der tschechischen Armee sowie der Nato einnahm.

Die Regierungsbeauftragte für Menschenrechte, Klára Šimáčková Laurenčíková, warnte angesichts dessen:

„Wir haben schon sehr lange mit Desinformationen zu tun. Was wir aber in den letzten Tagen beobachten, ist meiner Ansicht nach sehr alarmierend. Wenn jemand absolut unverantwortlich von Mobilisation und Krieg spricht, und diese Informationen auf keinerlei rationaler Grundlage bestehen und nur Panik hervorrufen sollen, dann ist es nötig, sich dagegen klar abzugrenzen.“

Klára Šimáčková Laurenčíková | Foto: Tomáš Vodňanský,  Tschechischer Rundfunk

Am Dienstag riefen dann auch beide Kandidaten – Pavel auf Twitter und Babiš bei einer Pressekonferenz – zu einer Beruhigung des Wahlkampfes auf. Die Folgen der bisherigen Auseinandersetzung und der in der Öffentlichkeit kursierenden Desinformationen seien aber für viele Menschen schon sehr konkret, mahnt Klára Šimáčková Laurenčíková:

„Ich bekomme ganz verschiedene Berichte. Das beginnt bei Menschen, die schwerkranke Familienmitglieder mit Handicap pflegen. Sie haben große Bedenken, was sie tun sollen, wenn Tschechien in den Krieg einbezogen wird. So überlegen sie etwa, wohin sie einen kranken Angehörigen, der womöglich eine dauerhafte Versorgung mit einem Atemgerät braucht, dann bringen sollen.“

Zudem würden viele Kinder in der Schule besorgte Fragen stellen, ob ihre Väter oder älteren Brüder in den Krieg ziehen müssten, berichtet die Menschenrechtsbeauftragte weiter. Und auch Senioren seien stark beunruhigt. Gerade in diesen verletzlichen Bevölkerungsgruppen herrschten derzeit also große Panik und Angst, so Klára Šimáčková Laurenčíková.

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