Schwarzes Gold aus Südmähren: Geschichte der Erdölförderung in Tschechien

Südmähren ist allgemein als landwirtschaftlich geprägtes Gebiet mit Weinbergen bekannt. Nur wenige Leute wissen aber, dass sich dort Erdölvorkommen befinden. Sie sind zwar nicht sehr umfangreich, aber dennoch von Bedeutung, schon allein deshalb, weil sie einen Rohstoff von überdurchschnittlicher Qualität liefern. 

Das Öl | Foto: Nefronus,  Wikimedia Commons,  CC0 1.0 DEED

Erdöl ist eine wichtigste, aber auch umstrittene Energiequellen der Gegenwart. Auf Tschechisch heißt es „ropa“. Der Name stammt aus dem Polnischen und bedeutet Eiter. Denn das Öl, das in der Nähe von Salzquellen aus dem Boden fließt, wurde von den Menschen einst als der Eiter der kranken Erde wahrgenommen. Dies hinderte sie aber nicht daran, die aus der Erde entspringende schwarze Flüssigkeit zu nutzen. Eine andere Bezeichnung dafür ist schließlich „schwarzes Gold“.

Pferdekopfpumpen in der Landschaft

Auch Tschechien hat seine Öllagerstätten, und zwar in Südmähren – an der Grenze zu Österreich und der Slowakei. Stanislav Benada ist Geologe und Mitbegründer des Museums für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín:

Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín | Foto: Petr Slinták,  Tschechischer Rundfunk

„Entscheidend ist die geologische Struktur, Erdöl kommt nicht überall vor. Es müssen spezifische geologische Bedingungen erfüllt werden, damit Öllagerstätten entstehen können. Bei uns in Mähren betrifft es das Gebiet entlang der Karpaten, von den Beskiden im Norden über die Weißen Karpaten und deren Vorland bis in die Slowakei und nach Österreich. Das erste Gebiet in unserer Region, auf dem Erdöl und Erdgas entdeckt und erschlossen wurden, war das Wiener Becken.“

Die ersten Hinweise auf das Vorhandensein von Öl an der mährisch-slowakischen Grenze im ehemaligen Österreich-Ungarn stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals wurden an mehreren Orten Gruben gegraben und Öl gefördert. In seiner rohen Form wurde es beispielsweise von Apothekern verwendet oder von Handwerkern als Schmiermittel und Imprägnierungsmittel für Leder.

Foto: Museum für Erdölbergbau und Geologie

„Die Menschen kennen Erdöl seit mehreren Tausend Jahren. Dort wo es in großen Mengen vorkommt, also in Nahost, wurde es im rohen Zustand genutzt. Aber erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts lernte man, Erdöl zu destillieren und die Produkte daraus herzustellen. Das erste war Petroleum. Man begann, Petroleumlampen zu verwenden. Ihr Licht war stärker und ruhiger als das der bis dahin gebräuchlichen Öllampen. Und der Rohstoff war billiger. Deswegen wurde nach Erdöl gesucht und es gefördert.“

Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín | Foto: Petr Slinták,  Tschechischer Rundfunk

Die Geschichte des mährischen Erdöls wird im Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín präsentiert. Dieses befindet sich im historischen Gebäude der ehemaligen Hodoníner Kaserne in der Nähe des Bahnhofs. Unübersehbar ist es auch wegen der vielen Geräte, die in der Außenausstellung zu sehen sind. Stanislav Benada nennt die typische Anlage, die im Tschechischen als „kozlík“, also Bock bezeichnet wird:

„Das Erdöl wird mit Hilfe von Tiefpumpen gefördert. Dazu dient meist eine Pferdekopfpumpe, deren Stange sich auf und ab bewegt und das Öl nach oben drückt.“

Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín | Foto: Petr Slinták,  Tschechischer Rundfunk

1919 erste Lagerstätte

Die ersten Versuche, Erdöl in Südmähren zu gewinnen, gab es am Anfang des 20. Jahrhunderts:

„Aus verschiedenen Orten Europas, vor allem aus Polen kamen Informationen über Erdölvorkommen. Reiche Menschen begannen daher auch hier, nach dem Rohstoff zu suchen. Einer der Pioniere war Julius May, der Besitzer einer Zuckerfabrik in Staré Město. Er hörte davon, dass in Bohuslavice an mehreren Stellen Öl an die Erdoberfläche fließt. Er warb eine polnische Firma an, die dort die ersten Bohrungen machte. Aus drei Ölquellen floss aber nur eine geringe Menge, es wurde keine Lagerstätte gefunden, und der Ort wurde verlassen. Aber noch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammen Belege, dass die Menschen dort Erdöl für Lampen entnahmen.“

Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín | Foto: Petr Slinták,  Tschechischer Rundfunk

Die erste Lagerstätte wurde 1919 in der Nähe von Hodonín entdeckt. Sie hieß Nesyt. Bis in die 1980er Jahre wurde dort Erdöl gefördert. In der Zwischenkriegszeit folgten weitere Lagerstätten, manche davon boten nicht nur Öl, sondern auch Erdgas. Im Zweiten Weltkrieg gewann die Erdölförderung stark an Bedeutung:

„Die Deutschen, die im Zweiten Weltkrieg die Lagerstätten besetzten, brauchten dringend Erdöl. Es war sozusagen das Blut ihrer Armee. Sie brachten moderne Rotorförderanlagen hierher und starteten eine intensive Erkundung.“

Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín | Foto: Petr Slinták,  Tschechischer Rundfunk

Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten sowjetische Experten die Kontrolle über die Förderung übernommen, fährt der Experte fort:

„In jener Zeit herrschte die Vorstellung, dass die Tschechoslowakei bei der Erdölversorgung autark sein könne. Die Prospektion in den 1950er Jahren war sehr intensiv. Bis zu 40 Bohrgarnituren gleichzeitig waren hier im Einsatz, um nach Erdöl zu suchen. Die tiefste Bohrung erfolgte in der Gemeinde Jablůnka in der Nähe von Vsetín, dort gelangte man auf 6506 Meter Tiefe. Nach und nach zeigte sich, dass das Potential nicht so hoch ist. In den 1960er Jahren wurden die Untersuchungen zurückgefahren.“

Erdöl-Autarkie der Tschechoslowakei?

Insgesamt gibt es in Mähren rund 50 Lagerstätten. Das sei eine hohe Zahl, von einer Selbstversorgung Tschechiens könne aber bei weitem nicht die Rede sein, so Benada:

„Die Produktion deckt heute etwa ein Prozent des Erdölverbrauchs in Tschechien. Manchmal ist die Lagerstätte ergiebiger, manchmal schwächer. Die Produktion schwankt, ist aber nie besonders hoch.“

Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín | Foto: Petr Slinták,  Tschechischer Rundfunk

Das Erdöl, das in der Region gewonnen wird, zeichnet sich laut dem Experten aber durch eine hohe Qualität aus:

„Es enthält keinen Schwefel, der immer ein negatives Element ist. Er muss vor der Verarbeitung entfernt werden, damit er bei der Verbrennung nicht in die Luft entweicht. Das hiesige Öl ist sehr geschätzt. Und da es paraffinisch ist, wird es bis heute zur Herstellung von Arzneimitteln, Kosmetika und Schmiermitteln verwendet. Aber der Bedarf an diesen Dingen ist heute geringer als der Bedarf an Kraftstoffen, so dass der größte Teil des Öls zu Kraftstoffen verarbeitet wird.“

Museum für Erdölbergbau und Geologie in Hodonín | Foto: Petr Slinták,  Tschechischer Rundfunk

Im Museum in Hodonín findet man zum Beispiel funktionierende Modelle von Bergbaumaschinen und Hunderte von Exponaten von privaten Sammlern und Unternehmen. Ebenso gibt es Beispiele für die Endprodukte von Erdöl wie Petroleum, Benzin, Diesel und Heizöl. Und nicht zuletzt werde veranschaulicht, wie Erdöl entstanden ist, so Stanislav Benada:

„Das Öl ist aus abgestorbenen Algen und Kleinstlebewesen, dem Plankton, im Meer entstanden. Die Überreste dieser Organismen sanken nach ihrem kurzen Leben auf den Meeresgrund. Dies dauerte mehrere Hundert, Tausend oder Millionen Jahre lang. Auf dem Meeresgrund bildeten sich einige Schichten schwarzen Schlamms mit Schwarzschiefer. Diese wurden mit anderen Sedimenten überdeckt und sanken bis auf eine Tiefe von zwei Kilometern unter den Meeresspiegel. Dort, bei Temperaturen von 90 bis 100 Grad Celsius, begann eine langsame Verwandlung des organischen Materials zu Kohlenhydraten wie Methan und Ethan. Diese stiegen zur Erdoberfläche auf, bis sie etwa auf eine Schicht Sandstein stießen. Wenn eine solche Schicht gebogen oder gebrochen war, konzentrierten sich die Kohlenhydrate dort, und es bildete sich die Lagerstätte.“

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Autoren: Markéta Kachlíková , Petr Slinták
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