Konferenz zu Franz Kafka in Prag: Wie zeigt sich das Ländliche im Schreiben des Schriftstellers?
Am Prager Goethe-Institut findet derzeit eine literaturwissenschaftliche Konferenz statt, bei der sich alles um Franz Kafka dreht. Bei dem Kongress unter dem Titel „Landvermessungen“ wird ein Aspekt in Kafkas Schreiben beleuchtet, der bisher eher weniger im Zentrum stand. Es geht um Darstellungen des Landlebens in seinem Werk. Die Tagung ist der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Veranstaltungen. Denn der berühmteste Prager deutsche Literat hätte in diesem Jahr seinen 140. Geburtstag gehabt, 2024 jährt sich zudem Kafkas 100. Todestag.
Den Namen Franz Kafka verbinden die meisten Menschen mit der Stadt Prag und den dunklen Gassen des damaligen jüdischen Viertels. Doch im Werk des Schriftstellers spielte auch das Leben auf dem Land eine Rolle. Mit diesem Aspekt von Kafkas Schreiben setzt sich derzeit eine Konferenz auseinander, die am Prager Goethe-Institut stattfindet. Sonja Griegoschewski ist Direktorin des Hauses:
„Wir freuen uns sehr, dass die Konferenz hier stattfindet. Das Goethe-Institut hat eine lange Tradition mit Kafka. Schon im Gründungsjahr, vor über 30 Jahren, gab es die ersten Veranstaltungen über ihn.“
Und seitdem ist man einem der berühmtesten Söhne Prags auch weiterhin treu geblieben. So gab es etwa 2018 etwa eine VR-Installation zu Kafkas Buch „Die Verwandlung“.
Geburtsjubiläum und Todestag als Anlass für Veranstaltungen
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Aktuell bestehe ein ganz besonderer Anlass, sich wieder einmal mit dem Autor zu befassen, sagt Sonja Griegoschewski weiter im Interview für Radio Prag International.
„2024 jährt sich sein Todestag zum 100. Mal. Wir planen dazu verschiedene großangelegte Projekte. Aber auch in diesem Jahr gibt es bereits ein kleines Jubiläum: Franz Kafka hätte seinen 140. Geburtstag. Ich finde es deshalb toll, dass wir nun zwei Jahre Kafka machen und diesen Zyklus mit der Konferenz starten.“
Laut Griegoschewski hat Kafkas Werk auch heute noch einen aktuellen Bezug:
„Von Kafka stammen Sätze wie: ‚Die Zerstörung der Natur ist die Zerstörung des menschlichen Raums.‘ Das könnte doch ein Zitat sein, das heute Klimaaktivisten verwenden.“
Ebenso seien weitere Aspekte nach wie vor relevant, so die Leiterin des Goethe-Instituts:
„Die Einsamkeit bei Kafka etwa, das ist heutzutage wieder sehr aktuell. Wir freuen uns deshalb, im nächsten Jahr durch andere Projekte auch weitere Seiten des Autors zu zeigen, etwa durch ein Kafka-Game, das an Schulen eingesetzt wird.“
Doch zunächst findet nun die Konferenz in Prag statt. Dabei sprechen führende Kafka-Forscher aus Tschechien, Deutschland und weiteren Ländern Europas. Geplant ist auch ein Programm für die Öffentlichkeit. So wird am Freitagabend etwa der Schriftsteller Jaroslav Rudiš seine Kafka Band vorstellen und im Anschluss daran mit der Literaturwissenschaftlerin Monika Schmitz-Emans und dem Kafka-Biographen Reiner Stach ins Gespräch kommen – eine Veranstaltung, auf die sich Sonja Griegoschewski besonders freut…
„Ich muss schon gestehen: Ich bin ein großer Fan von Jaroslav Rudiš. Er war bereits öfter hier im Haus, und die Abende mit ihm sind immer besonders. Aber ich freue mich ehrlich gesagt auch auf die wissenschaftliche Tagung. Denn es sind einige Themen dabei, bei denen ich mir dachte: ‚Wow, so habe ich Kafka noch nie gesehen.‘“
Braucht es überhaupt noch eine Kafka-Konferenz?
Der Kongress in Prag steht unter dem Titel „Landvermessungen. Franz Kafka und das Landleben“. Organisiert wurde die Tagung von der „Kurt Krolop Forschungsstelle für deutsch-böhmische Literatur“, die an die Philosophische Fakultät der Prager Karlsuniversität angegliedert ist. Manfred Weinberg leitet die Institution und hat die Konferenz gemeinsam mit seinem Kollegen Marc Weiland organisiert.
Aber braucht es überhaupt eine Kafka-Tagung? Ist der deutschsprachige Schriftsteller aus Prag nicht mittlerweile schon überforscht? Der Literaturwissenschaftler Manfred Weinberg sieht beide Seiten:
„Zu Kafka ist schon so viel geschrieben worden, und ich glaube, eigentlich zu viel. Trotzdem gibt es leere Flächen in der Kafka-Forschung, und dieses Thema ist ein solches. Über diese Land-Thematik ergibt sich durchaus ein anderer Blick auf den Schriftsteller.“
Ländliche Motive in städtischen Texten
Marc Weiland schildert im Interview, dass Kafka zumeist als ein städtischer Autor angesehen werde. Dabei fänden sich sogar in den urbanen Geschichten Elemente des Ländlichen:
„Ich bin kein Kafka-Forscher. Aber wenn man eine harte These formulieren möchte, könnte man sagen, dass Kafka ein rurbaner Autor ist. Er verbindet das Rurale und das Urbane.“
Beispiele dafür fänden sich in zahlreichen von Kafkas Werken, wie etwa dem „Process“:
„Da fällt uns etwa der ‚Mann vom Lande auf‘, der vor dem Gesetz steht. Dann ist da noch der Onkel. Er wird als ‚Gespenst vom Lande‘ eingeführt. Und der Maler Titorelli malt die ganze Zeit nur Heidelandschaftsbilder, die sich immer wieder gleichen.“
Aber auch in eher unbekannteren Titeln ließen sich Verweise auf das Landleben entdecken, vor allem in Nebenfiguren und Nebenschauplätzen, so der Germanist. Dies zeige sich etwa in den „Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande“, zu denen Weiland dann auch bei der Konferenz sprach.
Die Tagungsbeiträge sollen nach Ende des Kongresses in einen Sammelband einfließen, der im kommenden Jahr anlässlich Kafkas 100. Todestages veröffentlicht wird.