Seit 30 Jahren in der ganzen Welt: Tschechische Zentren auf vier Kontinenten feiern
Die Tschechischen Zentren feiern in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Das Netzwerk von tschechischen Kulturinstituten hat seit 1993 mehr als 50.000 Veranstaltungen in der ganzen Welt angeboten. Generaldirektor der Tschechischen Zentren Ondřej Černý im Gespräch.
Das Jahr 1993 gilt als ein Meilenstein in der Geschichte der tschechischen Zentren in der Welt. Man müsse sich manchmal entscheiden, wann man den Geburtstag feiern wolle, sagt Generaldirektor Ondřej Černý:
„Ein Netzwerk wurde eigentlich schon zu sozialistischen Zeiten gegründet, konkret in den 1950er Jahren. Das erste Zentrum gab es in Sofia, dann folgte Warschau. Aber wir haben uns für 1993 als Meilenstein entschieden, weil in jenem Jahr die Organisation ‚Tschechische Zentren‘ eingerichtet wurde. Wir sind zwar weiterhin mit dem Auswärtigen Amt verbunden, aber agieren durchaus selbständig. In den Jahren nach 1993 wurden hauptsächlich die Tschechischen Zentren in Westeuropa gegründet.“
Deswegen feiert diese Kultureinrichtung, die mit den Goethe-Instituten in Deutschland vergleichbar ist, nun ihren 30. Geburtstag. Der Auftrag der Zentren hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Von den anfänglichen Überlegungen, neben der Kulturdiplomatie auch Handelsbeziehungen zu pflegen, haben sich die Zentren in den letzten Jahren als Kulturinstitute etabliert. Der Begriff Kultur werde heute aber breit definiert, dazu gehörten ebenso die Menschenrechte, aber auch Wissenschaft, Bildung sowie gesellschaftliche Themen, betont Černý.
Das Netzwerk umfasst heute insgesamt 26 Zweigstellen, wenn man auch Moskau einbezieht, wo das Zentrum in Folge des Krieges derzeit leer steht. An der Wand im Büro des Generaldirektors hängt eine Weltkarte. Kleine Flaggen markieren darauf all jene Städte, in denen heute ein Tschechisches Zentrum tätig ist. Ondřej Černý hat gerade eine neue Flagge in die Karte gestochen, und zwar in Belgrad. Dort wurde das bisher letzte Zentrum eröffnet:
„Das ist für uns sehr wichtig, denn wir waren auf dem Balkan bisher nicht präsent. Das halte ich für einen großen Fehler, denn wir wissen, dass der Balkan für die EU immer sehr wichtig ist – und in Konfliktsituationen noch einmal mehr. Sonst kann man merken, dass wir stark europakonzentriert sind. In den 1990er Jahren haben wir uns logischerweise so geprägt. Aber jetzt ist es langsam an der Zeit, sich auch mehr global zu orientieren. Nach den Zentren, die es schon früher gab – wie in Seoul, New York, Tokio und Tel Aviv –, haben wir im vorletzten Jahr eine Niederlassung in Tiflis in Georgien und voriges Jahr in Kairo eröffnet. Und für den Herbst dieses Jahres planen wir ein neues Zentrum in Hanoi.“
Die Leiter der Institute treffen sich in dieser Woche zu einer Beratung in Prag. Die Frage nach den zu behandelnden Prioritäten beantwortet Ondřej Černý zunächst mit einem Rückblick. Drei Ereignisse hätten die Überlegungen über die Programmgestaltung stark beeinflusst, merkt er an:
„Die Corona-Pandemie hat unsere Kommunikation sehr verstärkt und effizienter gemacht, aber wir haben in ihrer Folge auch neue Programmformate, nämlich Online-Formate, entdeckt. Des Weiteren ist es die russische Aggression in der Ukraine. Diese hat uns zwei Sachen gelehrt: Einerseits dass es keine reine, unpolitische Kulturdiplomatie gibt. Wir müssen unser Engagement für europäische Werte stärken und auch in den Ländern intensiver arbeiten, in denen diese nicht selbstverständlich sind. Und andererseits hat sie gezeigt, dass die europäische Integrität und Solidarität sehr wichtig sind. Es ist zu spüren, dass die russische Aggression Europa wirklich zusammengefügt hat. Und die dritte Sache war die tschechische EU-Ratspräsidentschaft. Durch diese Erfahrung mit einem so großen Ereignis haben wir sogenannte Netzprojekte entdeckt. Das sind Projekte, die in Prag initiiert und von den Leitern der Zentren in der Welt effektiv weiterentwickelt werden.“
Die Rolle der Tschechischen Zentren in klassischen Bereichen wie Musik, Literatur und bildende Kunst bleibt auch weiter bestehen. Man will dabei aber nicht auf einem Einzelweg gehen, sondern die tschechische Kultur im europäischen Kontext präsentieren, mit Partnern zusammenarbeiten und den Austausch fördern. Die wichtigsten Themen für die nächsten Monate heißen Nachhaltigkeit und der Kampf gegen Desinformationen.
„Das ist ein Paradox. Man hat heute alle Möglichkeiten, die Wahrheit zu entdecken, aber es gibt heute so viele Wahrheiten in der Welt, dass man sehr aufpassen und eine gewisse Wahrheitshygiene entwickeln muss. Es geht nicht nur um einen Kampf gegen Desinformationen, die in die Welt gestreut werden, sondern es ist auch eine Sache, die mit uns selbst verbunden ist, mit unserer Selbstwahrnehmung – also damit, wie man mit Informationen arbeiten, die Sachen benennen und die Realität beschreiben soll.“
Bis 2018 leitete Ondřej Černý das Tschechische Zentrum in München. Dann wurde er Generaldirektor in der Zentrale in Prag und steht seitdem dem gesamten Netzwerk vor:
„Ehrlich gesagt, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass ich diese Rolle des Generaldirektors ohne die Erfahrung in München hätte effektiv erfüllen können. Die Tschechischen Zentren sind eine sehr spezifische Organisation, und man muss zwei Perspektiven im Sinn haben: die eine aus Prag und die andere aus den Territorien, die sehr verschiedenartig sind. Jeder Kulturkontext ist ganz anders, und etwas, das in Polen funktioniert, klappt vielleicht in den USA überhaupt nicht. Deswegen müssen die jeweiligen Leiter das Programm gestalten. Aber sie brauchen natürlich die Unterstützung aus Prag und ein Themenangebot, mit dem sich arbeiten lässt und das Neues bringt. Eben diese Zusammenarbeit, diese ständige Kommunikation ist das Interessante an dieser Arbeit.“
Zudem müsse der Generaldirektor herauslesen können, was das Außenministerium von den Tschechischen Zentren wolle, sagt Černý. Dazu brauche man Zeit und Erfahrung, fügt er hinzu:
„Für uns ist zum Beispiel die Zusammenarbeit mit den Botschaften sehr wichtig. Wir sollen zusammen mit ihnen ein integriertes Bild schaffen, wozu eine starke Kommunikation und Partnerschaft nötig sind. Und dazu braucht man Zeit. Ich muss ehrlich sagen, dass ich vielleicht nach den fünf Jahren jetzt sagen kann: Ich weiß nun, was unser Ministerium ist. Ich bin auch persönlich sehr zufrieden mit der heutigen Besetzung des Ministeriums. Ich habe schon viele Minister erlebt. Es ist eine sehr wichtige Sache, wenn man fühlt, dass man zusammen daran arbeitet, das Bild Tschechiens in der Welt zu verbessern.“