Etikettenschwindel? Bezeichnung von tschechischen Weinen entspricht oft nicht EU-Vorschriften
Etwa die Hälfte der tschechischen Winzer hält bei der Etikettierung ihrer Weine nicht die EU-Vorschriften ein. Das Landwirtschaftsministerium will die entsprechende Verordnung deswegen anpassen lassen.
Wein ist nicht gleich Wein. Und vor allem darf nicht jeder Hersteller die Begriffe „Weingut“ oder „Weinkeller“ auf dem Etikett verwenden. Dazu müssen in der Flasche nämlich ausschließlich Trauben aus dem eigenen Anbau enthalten sein, die zudem auch im örtlichen Betrieb verarbeitet wurden. Sobald Früchte von anderen Weinbergen aufgekauft werden, greift eine EU-Vorschrift zum Schutz der Herkunftsangabe.
Diese will Tschechien aber erst nach einer Änderung der strengen Vorschriften umsetzen. Den entsprechenden Antrag hat die Europäische Kommission nun jedoch an das hiesige Landwirtschaftsministerium zurückgeschickt, ohne die Notifizierung für den Rechtsakt zu erteilen. Vojtěch Bílý ist der Sprecher des Ressorts:
„Die Europäische Kommission meint, dass die Bedingungen der beantragten Novelle der EU-Verordnung aus dem Jahr 2019 widersprechen. Diese reguliert die Nutzung der geschützten Bezeichnungen zu Ursprung und geographischer Lage.“
Das heißt, dass man sich bei der EU nicht auf eine Lockerung der Bezeichnungsvorschriften einlassen will. Martin Chlad, Präsident der Winzer-Vereinigung (Svaz vinařů), hält dagegen:
„Wir erwarten von einer Neuregelung, dass sie die nationalen Gewohnheiten und Bräuche mehr berücksichtigt. Hierzulande gibt es 14.000 Weinzüchter. Handelsbeziehungen zwischen Weinherstellern und Anbauern sind durchaus üblich, auch wenn beide in verschiedenen Weingebieten angesiedelt sind.“
Will ein Weinproduzent aber einen konkreten Herkunftsort des Getränks auf das Etikett drucken, müssen mindestens 85 Prozent der verwendeten Trauben auch aus dieser Gemeinde oder der Stadt stammen. Auch diese Bedingung der EU-Vorschrift hält der stellvertretende Vorsitzende der Winzer-Assoziation (Vinařská asociace ČR), Jiří Maděřič, für kaum erfüllbar. Sein Argument: Tschechische Winzer hätten häufig mehrere Betriebe, die über eine größere Region angesiedelt seien.
„Für viele Unternehmen ist diese Vorgabe schwierig. Und das nicht, weil sie die Vorschrift nicht einhalten wollten, sondern weil sie sich gar nicht über deren Existenz bewusst sind. Man könnte sagen, dass für 50 Prozent der Firmen oder auch mehr diese Anweisung zumindest teilweise ein Problem darstellt“, so Maděřič.
Seiner Ansicht nach kann man von den Unternehmern nicht erwarten, dass sie sich durch die umfangreichen Dokumente der Europäischen Kommission kämpfen:
„Jeder Winzer müsste Zehntausende Seiten durcharbeiten. Dies ist vielleicht theoretisch möglich, aber praktisch macht das niemand.“
Mit dieser Haltung, die einmal mehr an die Mentalität des „braven Soldaten Schwejk“ erinnert, fahren die tschechischen Weinproduzenten bisher offenbar ganz gut, weil auch kein großer Druck von den inländischen Kontrollbehörden ausgeübt wird. Marek Bartík, Sprecher der Staatlichen Landwirtschafts- und Lebensmittelinspektion, teilt zumindest mit, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung über eine Novelle die EU-Verordnung von 2019 nur einschränkend herangezogen werde.
„Tschechien setzt sich über sein Landwirtschaftsministerium für eine Änderung und genauere Ausformulierung dieser Regulierung ein. Darum hat der Artikel 54 dieser Vorschrift für die Lebensmittelinspektion keine Priorität“, sagt Bartík.
Ob also auf dem Etikett das Weingut korrekt angegeben ist, das heißt gemäß der geschützten Ursprungsangaben zu den verwendeten Früchten, wird in Tschechien folglich nicht genau kontrolliert. Damit ist nicht sicher, dass in tschechischem Wein nicht auch Trauben aus anderen Ländern verarbeitet wurden. Angesichts dieser Praxis fordert der Vizepräsident der Winzer-Union (Vinařská unie ČR), David Šťastný, wiederum:
„Vor allem sollte kontrolliert werden, ob ein Kunde, der Wein aus Mähren oder Böhmen kauft, tatsächlich auch Wein aus Tschechien bekommt.“
Das Landwirtschaftsministerium schickt nun erneut eine Stellungnahme an die Europäische Kommission. Dem Vernehmen nach sei man zuversichtlich, dass die Notifizierung dann erteilt werde und zumindest ein Teil der EU-Vorschrift im Oktober in Tschechien in Kraft treten könne.