Zu wenige Anlaufstellen für Drogenkonsumenten: Suchthilfeeinrichtungen in Tschechien sind überlastet
In Tschechien gibt es nicht genügend Suchthilfeeinrichtungen. In Prag etwa bieten nur zwei Kontaktzentren niedrigschwellige Angebote wie zum Beispiel eine Spritzenausgabe an. Personalmangel ist vielerorts ein Problem.
Etwa ein Viertel aller drogenabhängigen Menschen in Tschechien lebt in Prag. Niedrigschwellige Hilfseinrichtungen gibt es in der Hauptstadt aber nur wenige. Die beiden bestehenden sogenannten Kontaktzentren sind dementsprechend überlastet. Eines davon wird von der NGO Sananim im fünften Prager Stadtbezirk betrieben. Hier tauscht ein Klient gerade seine alten Spritzen gegen neue ein:
„Mit den Leuten hier lässt sich gut reden. Und vor allem kommen sie uns entgegen. Sie unterhalten sich gern mit uns. Wenn es mir mal nicht gut geht, kann ich mich bei ihnen aussprechen.“
Seit acht Jahren sei er abhängig von Opiaten, berichtet der Mann weiter. Früher habe er das Kontaktzentrum „Progressive“ in der Nähe besucht. Dieses hat aber Ende letzten Jahres seinen Betrieb eingestellt. Viele der Klienten würden nun auf die Sananim-Einrichtung ausweichen, sagt Vlaďka Moleková, die dort als Psychologin arbeitet:
„Vorher hatten wir durchschnittlich 80 bis 90 Klienten am Tag hier. Nachdem das andere Kontaktzentrum geschlossen wurde, hat sich die Zahl nun fast verdoppelt.“
Außer der Spritzenausgabe bietet das Sananim-Team auch Bluttests an oder berät die Hilfesuchenden über Therapiemöglichkeiten. Dies alles abzudecken, werde allerdings immer schwieriger, beklagt David Pešek. Er ist der Leiter der Einrichtung:
„Die Belastung übersteigt unseren Kapazitäten bei weitem. Einen solchen Andrang können wir nicht lange durchhalten. Schon jetzt versuchen wir, verschiedene Strategien zu erdenken, wie wir die Überlastung verringern können.“
In ganz Tschechien gibt es etwa 100 Einrichtungen wie die von Sananim. Dem Bericht des Beobachtungszentrums für Drogen und Abhängigkeit für das Jahr 2022 zufolge werden die Kontaktzentren jährlich von etwa 39.000 Klienten genutzt. Zunehmend fehlen allerdings direkte Hilfsangebote für Menschen, die von harten Drogen wie etwa Heroin abhängig sind. Der Nationale Drogenbeauftragte, Jindřich Vobořil, erläuterte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Bei den ambulanten Diensten bezüglich illegaler Drogen verlängern sich die Wartezeiten gerade immens. Wenn jemand therapeutische Hilfe braucht, können wir ihm diese erst in zwei Monaten anbieten. Manchmal ist sie aber sofort nötig.“
Verbesserungspotential gebe es überall im Land, fährt Vobořil fort. Immerhin habe das Gefüge an niedrigschwelligen Hilfseinrichtungen in Tschechien aber ein ähnliches Niveau wie in den westlichen Ländern…
„Für Konsumenten von illegalen Drogen wurde schon in den 1990er Jahren ein Hilfsnetz aufgebaut, das einen großen Teil auffängt und 70 Prozent der Konsumenten eine Anlaufstelle bietet. Komplizierter ist es dann aber mit einer Therapie. Völlig zerfallen ist in den 1990er Jahren allerdings das Netz für Menschen, die ein Problem mit Alkohol haben.“
Ähnliche Schwierigkeiten, professionelle Unterstützung zu finden, hätten Menschen mit Spiel- oder Medikamentensucht, ergänzt der Drogenbeauftragte. Darum schlägt er vor, mehr Hilfseinrichtungen zu schaffen, indem konfiszierte Gelder aus Glücksspielen investiert werden. Eine weitere Finanzquelle könnte die Legalisierung und Versteuerung von Marihuana sein, so Vobořil.