Auf den Spuren von Bruno von Schauenburg: Stadtrundgang durch Kroměříž

Kroměříž

Im Falle von Kroměříž nutzen deutschsprachige Besucher sicher lieber den deutschen Namen der Stadt, nämlich Kremsier. Am westlichen Rand des Kreises Zlín gelegen, ist der Ort mit seinen 28.000 Einwohnern vor allem für seine Unesco-Sehenswürdigkeiten bekannt: das Erzbischöfliche Schloss, den dazugehörigen Park und den sogenannten Blumengarten. Die Unesco-Eintragung ist in diesem Jahr genau ein Vierteljahrhundert her. Und außerdem wurde 2023 das 760. Jubiläum der Stadtgründung gefeiert.

Kroměříž liegt an der Morava. Der deutsche Name des Flusses ist March, und welche Bedeutung er bei der Ortsgründung hatte, berichtet Stadtführerin Věra Křivánková:

Die March | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

„Am Fluss entstand eine Kreuzung, und darauf befand sich eine Brücke mit Mautpflicht. Drumherum entstand ein kleines Dorf mit einer Kirche. Das lag fünf Minuten vom heutigen Stadtzentrum entfernt. Nach 1263 entstand dann die Stadt, und zu verdanken ist dies Bruno von Schauenburg. Er stammte aus einer norddeutschen Familie und war ein wichtiger Bischof sowie Ratgeber des bedeutendsten Přemysliden-Königs, Ottokar II. Bruno von Schauenburg. Er liegt auf eigenen Wunsch in Kroměříž begraben.“

Es ist bemerkenswert, dass von Schauenburg nicht Olomouc / Olmütz als letzte Ruhestätte gewählt hat. Denn eigentlich war diese Stadt der Sitz der mährischen Bischöfe und seit 1777 auch der Erzbischöfe. Das knapp 50 Kilometer südlich gelegene Kroměříž war lediglich ihre Sommerresidenz. Die Ruhestätte für Bruno von Schauenburg bescherte dem Ort also eine noch heute bedeutende Kirche. Bevor wir diese besichtigen, schauen wir uns aber noch genauer auf dem Marktplatz um…

Der Marktplatz mit der Pestsäule | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

„In seiner Mitte befindet sich die Pestsäule mit einer vergoldeten Marienstatue. Auf dem Sockel stehen zudem vier wichtige Patronen. Das sind der Schutzherr Tschechiens, also St. Wenzel, dann St. Rochus, der Schutzpatron gegen die Pest, zudem St. Florian und St. Moritz. Diese Statue entstand nach dem Überfall der Schweden. Die Truppen sind danach noch zweimal zurückgekehrt, haben die Stadt und das Schloss ausgeraubt, und jedes Mal gab es danach eine Pestepidemie. Alles, was heute noch in Kroměříž zu sehen ist, stammt aus der Zeit ab dem 17. Jahrhundert – also nach dem schwedischen Angriff und dem Dreißigjährigen Krieg. Kroměříž war zuvor eine blühende Stadt mit Renaissance- und Gotikbauten. Aber alles wurde im Jahr 1643 durch die Schweden vernichtet. Nur ein Fünftel der Häuser blieb stehen. Erneuert wurde der Ort von Karl II. von Liechtenstein-Kastelkorn – er ist nach Bruno von Schauenburg also der zweite Stadtgründer.“

Außerordentlich reich an Blumen

Der Name Kroměříž ist für Menschen aus dem angelsächsischen Sprachraum nur schwer auszusprechen. Věra Křivánková kennt zwei Theorien zu seiner Herkunft:

„Heute spricht man davon, dass es einen Adligen namens Kroměříž gegeben haben soll. Die zweite Variante: Im Slawischen heißt kromě ‚außer‘. Ríž bedeutet ‚Getreide‘ oder auch ‚reich‘. Das ergibt ‚außerordentlich reich‘. Kroměříž verfügte über Getreide und Essen. Darum kamen die Soldaten oft hierher und raubten alles aus. Man streitet sich heute aber, welche Version die richtige und welche die falsche ist.“

Frühling im Holländischen Garten | Foto: Petr Hudec,  NPÚ

In jedem Falle ist Kroměříž aber außerordentlich reich an Blumen – dem guten Klima und dem Unesco-Eintrag sei Dank. Den Marktplatz zieren große Beete, und im Schlosspark gibt es etwa einen Rosengarten. Zum größten Teil ist das Areal aber als englischer Park angelegt, es bietet großflächige Wiesen, Teiche und Flüsse. Der Park ist unter anderem durch zwei Tore rechts und links vom Schloss zu erreichen. Der Barockbau aus dem frühen 16. Jahrhundert schließt an die nördliche Ecke des Marktplatzes an…

„Rund um das Schloss befand sich früher ein Wassergraben. Seine Mauern wurden Mitte des 19. Jahrhunderts, ähnlich wie in Wien, abgerissen. Daher ist das Schloss etwas niedriger angesiedelt. Das ist untypisch. Normalerweise steht ein Schloss oder auch eine Burg höher als die Stadt. Zunächst lagen die Stadt und das Schloss also separat.“

Das Schloss mit den Fenstern zum Reichstagssaal | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Der berühmteste Raum im Schloss von Kroměříž ist der Kongresssaal. Hier tagte im Zuge der Revolution von 1848 der österreichische Reichstag, um die erste demokratische Verfassung für die Donaumonarchie zu erarbeiten. Das Gremium wurde nach wenigen Monaten wieder aufgelöst, ohne seine Hauptaufgabe erfüllen zu können – aber die genutzte Räumlichkeit trägt bis heute auch den Namen Reichstagssaal. Stadtführerin Křivánková kommt ins Schwärmen:

„Er hat hohe Fenster. Als es einst gebrannt hatte, erneuerte man die Zimmerdecken nicht, sondern machte daraus einen hohen Saal. Er ist höher als der Saal in Schönbrunn in Wien und auch als die Galerie des Glaces in Versailles. Von außen sieht man manchmal die Kronleuchter. Die Beleuchtung stammt aus dem Jahre 1900, und sie war eine der ersten in Tschechien.“

Das Mühlentor | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Um einen Blick auf diese fünf hohen Fenster zu werfen, muss man am Hauptportal des Schlosses entlang durch das einzige erhaltende Stadttor gehen. In jenem Schlossflügel, dessen Verlängerung das sogenannte Mühlentor darstellt, befindet sich aber nicht nur der Reichstagssaal. Auch das Untergeschoss sei einen Besuch wert, findet Křivánková:

„Die Erzbischöflichen Weinkeller sind eine Rarität. Sie wurden ebenfalls von Bruno von Schauenburg gegründet. In den Schlossgärten gibt es Weinreben, diese Trauben eignen sich aber nur zum Essen. Für die Weinkeller werden Früchte aus den südlicheren Teilen Mährens angeliefert. Die Herstellung muss aber in Kroměříž passieren, und es handelt sich dabei um Messwein nach der vatikanischen Norm. Diesen gibt es in ganz Tschechien nur aus den hiesigen Weinkellern, das ist das alleinige Recht der Olmützer Erzbischöfe.“

Durch das Mühlentor gehen wir zurück in die Altstadt, biegen aber gleich nach rechts ab. Das Erzbischöfliche Gymnasium ist eigentlich mehr als einen Blick wert – aber Věra Křivánková läuft zielstrebig weiter zu dem unübersehbaren Kirchenbau dahinter…

Der Altar der St.-Moritz-Kirche | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

„Die älteste Kirche in Kroměříž ist die St.-Moritz- oder auch Mauritiuskirche. Sie stammt aus der gotischen Zeit, wurde aber mehrmals vom Feuer vernichtet. Immer hat man sie mit ihren Türmen aber wieder aufgebaut, und letztlich wurde sie erst im 19. Jahrhundert fertiggestellt. Drinnen gibt es schöne Holzverkleidungen, Beichtstühle und die Bilder des Kreuzwegs. Interessant ist, dass es keinen Altar gibt. Dort steht nur ein Kreuz. Dies war ein Geschenk von Maria Theresia, die die Stadt einige Male besucht hat. Das Altarbild zeigt den heiligen Mauritius, wie er von den Soldaten gefesselt und getötet wird. Das war das Symbol für Bruno von Schauenburg. Darum gründete er in Olmütz die Kathedrale St. Moritz und in Kroměříž diese Kirche. Sie ist mehr als 700 Jahre alt.“

Mariaschmerzkapelle in der St.-Moritz-Kirche | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Václav-Havel-Gedenkbank, Jahrtausendlinde, Kanonikerhäuser

In Kroměříž gibt es mehr als 20 Kirchen. Wer bei ihrer Besichtigung eine Pause braucht, kann sich etwa in einem der Cafés direkt im historischen Zentrum stärken. Und wie es der Zufall wollte, wurde dort am Nebentisch gerade Deutsch gesprochen. Ein Ehepaar aus der Nähe von Hannover war gemeinsam mit einer Freundin für eine Nacht in der Stadt. Was der Gatte schon von mehreren Dienstreisen her kannte, besuchte seine Frau gerade zum ersten Mal…

„Ich durfte mir schon den Park anschauen, der einen sehr guten Eindruck macht. Das war eine sehr schöne Erfahrung, mit der ganzen Botanik, Flora und Fauna. Die Stadt ist sehr gepflegt und auch sehr freundlich im Auftreten. Es gibt schöne Sehenswürdigkeiten, unter anderem eine Kirche mit einem Tetragramm – das fand ich sehr sehenswert.“

Die Václav-Havel-Gedenkbank und der Schlossturm im Hintergrund | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Stadtführerin Věra Křivánková steuert inzwischen zurück zum Marktplatz. Dort lädt nämlich auch eine Václav-Havel-Gedenkbank zum Ausruhen ein. Der zugehörige runde Tisch umfasst eine junge Linde. Der Baum ein Stück weiter links ist allerdings schon stattlicherer Art:

„Dies ist die Jahrtausendlinde aus dem Jahr 2000. Und das Denkmal daneben ist Johannes Militsch aus Kremsier gewidmet. Er war, ähnlich wie Jan Hus, ein Reformator und kritisierte die Kirche. Darum musste er auswandern und ging nach Avignon, wo er auch starb. Dies war eine Flucht, sonst wäre er auch auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Militsch wurde nicht in Kroměříž geboren, aber er arbeitete hier, und zwar in den Kanonikerhäusern. Dies sind die schönsten Häuser in der Stadt. Dort waren die Priester und Angestellte der Kirche untergebracht, also Rechtsanwälte, Ärzte oder auch Ökonomen. Wenn sie in Kroměříž zu Gast waren, wohnten sie also in diesen Häusern.“

Die Jánská-Straße mit den Kanonikerhäusern | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Die farbenfrohe Häuserreihe in der Jánská-Straße wurde Ende des 17. Jahrhunderts von Giovanni Pietro Tencalla erbaut, der ebenso am Schloss und am Blumengarten von Kroměříž mitwirkte und in Wien kaiserlicher Hofbaumeister war. Die Kanonikerhäuser seien schon zu sozialistischen Zeiten aufwendig saniert worden, berichtet Křivánková weiter. Dies habe in den 1970er Jahren Vorbildfunktion gehabt. Und die Besucher hätten schon damals gestaunt, in welch gutem Zustand Kroměříž war, im Gegensatz zu den zerfallenden historischen Zentren vieler anderer Städte in der Tschechoslowakei.

Kroměříž hat auch heute noch vieles mehr zu bieten. Zum Beispiel eine Rathausuhr mit zwei Zifferblättern – eines für die Stunden und eines für die Minuten. Außerdem dient das Geburtshaus von Karel Kryl als kleines, aber sehenswertes Museum zum Leben und Werk des Liedermachers.

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