Festka: Fahrräder ohne Kompromisse aus einem Prager Hinterhof
Wer ein Rennrad oder Gravelbike erstehen will, der kann mit Sicherheit im Fahrradladen um die Ecke fündig werden. Oder aber er schaut bei Festka vorbei. Diese Prager Firma stellt Carbonrahmen nach Maß her. Seit seiner Gründung 2010 hat sich das Unternehmen zur Weltspitze in seinem Gebiet hochgearbeitet.
Ondřej Novotný und Michael Moureček wollten einfach nur ein Fahrrad kaufen. Ein Fahrrad, das ihnen entsprach und gefiel. Doch das habe es nirgends gegeben, so Novotný:
„Wir haben viele verschiedene Marken ausprobiert und darüber gesprochen, was uns gefällt und was nicht. Bei den meisten Rädern haben wir festgestellt, dass wir sicher nicht auf ihnen fahren wollen, und immer gab es dafür einen rationalen Grund. Also haben wir uns überlegt, dass wir uns ein Fahrrad nach Maß anfertigen lassen – ganz nach unseren Vorstellungen.“
Doch laut Moureček war die Suche nach dem idealen Zweirad damit noch lange nicht vorbei.
„Wir haben einfach niemanden gefunden, der uns ein Fahrrad ohne Kompromisse herstellen konnte. Also blieb uns nichts anderes übrig, als es selbst zu machen. Wir waren auch in unserem Ego gekränkt und wollten es nun allen zeigen.“
2010 haben die beiden schließlich ihre Firma gegründet. Festka heißt sie. Aber warum gerade dieser Name?
„Im Tschechischen bezeichnet man mit ‚Festka‘ ein Fixie, also ein Fahrrad mit starrem Gang. Als wir mit dem Gedanken gespielt haben, ein Unternehmen zu gründen, haben wir ganz pragmatisch nach einem Namen gesucht, der überall auf der Welt ausgesprochen werden kann. Außerdem wollten wir, dass eine Domain im Internet frei ist. Und natürlich sollte der Name auch etwas mit Fahrrädern zu tun haben.“
Carbonrahmen aus Vinohrady
Heute ist das Unternehmen in einem unscheinbaren Hinterhof im Prager Stadtteil Vinohrady angesiedelt – und stellt von dort aus Carbonrahmen nach Maß her, die in die ganze Welt geliefert werden. Moureček sagt:
„Es gibt weltweit vielleicht fünf weitere Firmen, die einen maßgefertigten Carbonrahmen herstellen können, denn technisch ist das sehr anspruchsvoll. Bei uns gibt es aber keine Limits. Die Menschen kommen zum Beispiel, weil sie einfach einen Rahmen wollen, der perfekt zu ihnen passt. Das ist wie bei einem Anzug. Man kann ihn entweder von der Stange kaufen, oder man lässt ihn eigens anfertigen. Manche Interessenten haben auch besondere Anforderungen. Sie haben etwa einen Unfall erlitten oder sind extrem groß beziehungsweise sehr klein. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich an uns zu wenden, denn auf dem Massenmarkt werden solche selteneren Maße nicht abgedeckt.“
60 Prozent der verkauften Rahmen von Festka würden besonders an die Maße des Fahrers angepasst, so der Firmengründer. Co-Inhaber Novotný ergänzt:
„Einige Kunden haben bereits Erfahrungen und wissen genau, auf welcher Anfertigung sie gut fahren können und wie lang oder hoch das Fahrrad sein soll. Aber es kommen auch Menschen – und das sind vielleicht die meisten –, die komplette Neueinsteiger sind und die sich von uns beraten lassen.“
Mit der Anpassung des Rahmens beginne aber nur die Individualisierung des Fahrrads, betont er weiter…
„Es geht nicht nur um die physischen Abmessungen, sondern auch um die mentale Ebene. Das heißt, der Kunde bestimmt, wie das Fahrrad etwa farblich aussehen soll und auch, welche Komponenten verbaut werden.“
Kunstwerk oder Fahrrad?
Laut Novotný entscheiden sich die meisten Kunden für klassische Farbvariationen, wenn sie ihr Wunschfahrrad bestellen. Diese Designs ähneln denen von gängigen Rennrädern, wie man sie im Laden um die Ecke erstehen kann.
„Es gibt aber auch Kunden, die ihre Leidenschaft für das Radfahren durch Farben zum Ausdruck bringen wollen. Sie sind in unserem Custom-Programm, und da gibt es wirklich keine Grenzen“, so Novotný weiter. Moureček ergänzt:
„Oft entsteht das Design der Rahmen etwa in Zusammenarbeit mit bekannten Künstlern. Deren Arbeit kostet dann meist mehr als der Materialwert des Fahrrads. Diese Werke werden häufig auch Teil von Kunstsammlungen, sodass ihr Wert noch einmal weiter steigt.“
Für die Gestaltung der Rahmen und Komponenten von Rennrädern arbeiten die Festka-Gründer längerfristig mit einigen Designern zusammen, die bereits erprobt sind. Denn ein Fahrrad zu gestalten sei nicht leicht, betont Moureček:
„Künstler denken oft in 2D, wie auf einer Leinwand. Bei einem Fahrrad stehen sie aber vor einem runden Rohr, das man von links betrachten kann und von rechts, und wenn man darauf fährt auch aus der Vogelperspektive. Es muss also ein Design entstehen, das von allen Seiten Sinn ergibt.“
Rahmen mit Gold-Applikationen
Hinzu kommt, dass die Kunden oft anspruchsvolle Wünsche haben. Einmal hat sich etwa ein Klient aus Bangkok gemeldet. Er war nicht nur begeisterter Radsportler, sondern auch Porzellan-Liebhaber. Ein Rahmen im Look von Bone China sollte also entstehen. Mit dieser kreativen Aufgabe wurde schließlich der tschechische Künstler Michal Bačák betraut. Auf dem weiß lackierten Carbonrahmen verewigte er etwa die Namen der Kinder des Besitzers. Zudem bildete er in blauer Farbe einige Meilensteine aus dem Leben des Radlers ab. Akzente wurde dabei mit 24-karätigem Gold gesetzt. Aber ist solch ein Rad überhaupt noch straßentauglich? Wird ein Fahrrad mit Gold-Applikationen vom Eigentümer überhaupt verwendet? Ja, sagt Novotný:
„Wir stehen mit dem Kunden in Kontakt. Am Anfang hing das Rad an der Wand auf dem Flur vor seinem Badezimmer. Später hat der Klient es jedoch in seine Sammlung von Fahrrädern aufgenommen, auf denen er regelmäßig fährt. Das muss aber nicht immer so sein. Manch einer schafft sich so ein Rad an, um es als Kunstwerk an einem wichtigen Platz abzustellen. Aber die meisten unserer Klienten benutzen die Räder tatsächlich – auch wenn sie nun einmal kosten, was sie kosten.“
Ja, die Preise für die individualisierten Fahrräder sind nicht gerade niedrig. Der Einstiegspreis für den günstigsten Rahmen liegt bei 109.990 Kronen (rund 4500 Euro). Und weitere Bauteile oder etwa eine Sonderlackierung sind darin noch gar nicht inbegriffen.
Ein Rad mit Motiven Franz Kafkas
Ondřej Novotný und Michael Moureček können viel erzählen über abenteuerliche Fahrraddesigns, die sie in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Künstlern bereits realisiert haben. Moureček nennt ein weiteres Beispiel:
„Einmal haben wir eine spannende Anfrage aus Amerika erhalten. Wir sollten ein Fahrrad im Franz-Kafka-Design gestalten. Ein Schriftsteller aus New York stand hinter dieser Idee. Er fand es passend, eine Firma in Prag damit zu beauftragen.“
Der Autor hatte in verschiedenen Werken Kafkas Sätze unterstrichen, die ihm gefielen, und wollte diese nun auf seinem Fahrrad repräsentiert wissen…
„Es war eine große Herausforderung, Kafkas kompliziertes Werk zu studieren und aus den einzelnen Sätzen Bilder zu gestalten. Die einzelnen Darstellungen, die unterschiedlichen Büchern entstammten, mussten wir dann noch so anordnen, dass sie eine visuelle Einheit ergaben. Allein diese Vorbereitungen haben zwei Jahre in Anspruch genommen.“
Doch ganz gleich, ob die Kunden ein rollendes Kunstwerk bestellen oder ein schlichtes Rennrad – die Beratung stehe bei Festka an erster Stelle, betont Moureček weiter:
„Unsere Expertise besteht darin, den Menschen beizubringen, das Radfahren lieben zu lernen. Wir hören ihnen zu und beraten sie nicht nur zu einem Fahrrad, sondern etwa auch zur richtigen Kleidung. In den Gesprächen versuchen wir herauszufinden, was für Radfahrer sie sind. Manch einem geht es darum, Rekorde zu brechen. Ein anderer will Zeit in der Natur verbringen. Wieder ein anderer verbindet das Radfahren mit dem Reisen. Und jemand Weiteres will mit seinem Zweirad in die Bar auf einen Drink fahren und dort alle in Staunen versetzen, was für ein tolles Gefährt er hat. All diese Gründe sind doch vollkommen in Ordnung. Wir versuchen zu erfahren, was auf den jeweiligen Kunden zutrifft, und für ihn dann ein Rad anzufertigen, das seinen Bedürfnissen entspricht.“
Soweit so gut. Aber mit welchen Rädern sind Novotný und Moureček eigentlich selbst unterwegs?
„Wir fahren auch auf Rädern anderer Hersteller. Das gehört dazu, denn man muss ja wissen, wie die Konkurrenz dasteht. Ansonsten verwenden wir häufig Prototypen, die erst noch auf den Markt kommen und noch verbessert werden sollen. Diese Fahrräder sind oft noch nicht einmal lackiert.“