Schnellste Frau der Welt – die Rennfahrerin Eliška Junková
Vor 30 Jahren ist eine der größten tschechischen Sportlerinnen überhaupt gestorben: Eliška Junková. Sie war Rennfahrerin und in den 1920er Jahren die schnellste Frau der Welt. Im Folgenden nun mehr zu ihrer steilen, aber viel zu kurzen Karriere hinter dem Steuer von Rennwagen.
Der Bugatti 35 B – das war eines der Autos, in denen die Tschechin Eliška Junková vor einhundert Jahren Rennen fuhr. Was für eine Exotin sie damit damals war, zeigt auch, dass es 1925 nur 216 Frauen in der Tschechoslowakei gab, die überhaupt einen Führerschein besaßen. In dieser Zeit galten Autobesitzer noch als Snobs. Doch Junková war wagemutig, sie fuhr sogar die schwersten Autorennen der damaligen Welt– und ließ dabei viele männliche Konkurrenten hinter sich.
Martin Straka ist Sportkommentator und Fotograf, sein Spezialgebiet ist der Motorsport. Gegenüber Radio Prag International sagt er:
„Junková war einfach eine außergewöhnliche Frau und Rennfahrerin. Sie hatte fraglos großes Talent. Aber das ist einem gegeben oder nicht. Zu ihren weiteren Eigenschaften gehörten Mut und Wille. Sie hatte den Mut, gegen die stärksten Männer in den schwersten Rennen ihrer Zeit anzutreten. Und Mut gehörte auch dazu, sich gegen den Druck vonseiten der Frauen zu stellen, die ihr ausreden wollten, sich mit den Männern zu messen.“
Zur Welt kam sie im Jahr 1900 im mährischen Olomouc / Olmütz – und zwar als Alžběta Pospíšilová. Bei ihrer Hochzeit änderte sie später auch ihren Vornamen. Schicksalshaft wurde die Begegnung mit ihrem späteren Ehemann Čeněk Junek. Er war ihr Chef, als sie noch während des Ersten Weltkriegs eine Ausbildung in der Olmützer Filiale der Pražská úvěrní banka (Anglo-Tschechoslowakische Bank) begann. Der sechs Jahre ältere Junek interessierte sich brennend für Autos. Um ihn besser zu verstehen, legte Eliška Junková heimlich 1921 ihre Fahrprüfung ab.
1922 startete ihr Mann als Amateur erstmals bei einem Rennen. Im selben Jahr heirateten beide, die Hochzeitsreise erfolgte dann konsequenterweise in einem Mercedes-Rennauto. 1970 schilderte Junková in einem Interview des Tschechoslowakischen Rundfunks:
„Die Reise führte nach Karlsbad, zum Training für das Rennen zwischen den beiden Kurstädten Karlsbad und Marienbad. Auf der Fahrt von Prag hatten wir nur sieben Reifenpannen. Der Mercedes hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 156 Stundenkilometern. Aber die Bremsen und die Reifen konnten nicht mithalten, die waren schlimm.“
Und die Straßen waren selbstverständlich auch noch größtenteils unbefestigt.
Beim Training zum Rennen fuhr Čeněk Junek den Mercedes allerdings zu Schrott.
Freundschaft mit Bugatti
Also musste ein neuer Rennwagen her. Sie fuhren zum Pariser Autosalon und verliebten sich beide in den Bugatti T30. In ihren Memoiren mit dem Titel „Meine Erinnerung heißt Bugatti“ schrieb Eliška Junková 1972:
„Auf dem Pariser Autosalon konnten wir Bugatti persönlich davon überzeugen, uns einen Wagen zu überlassen. Aber dann zögerte ‚le Patron‘. Er hatte Angst, dass sein Wagen die lange Strecke vom Elsass nach Prag über Landstraßen, von denen abenteuerliche Geschichten erzählt wurden, nicht überstehen würde. Einem Mechaniker soll er gesagt haben: ‚Was für eine Dummheit habe ich gemacht. Ich habe versprochen, den Wagen in eines dieser neu entstandenen asiatischen Länder zu liefern‘.“
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Aber der Bugatti kam heil im „asiatischen“ Prag an. Und beim Rennen von Zbraslav nach Jiloviště trat das Ehepaar erstmals als Team an: Weil der Start nur mit Beifahrer genehmigt wurde, setzte sich Eliška Junková neben ihren Mann in den Rennwagen. Noch im selben Jahr fuhr sie dann auch selbst den Bugatti.
„1923 fragte mich Čeněk, ob ich den Rennwagen nicht in die Firmenwerkstatt nach Molsheim im Elsass bringen wolle. Das waren 650 Kilometer. Ich habe es einfach probiert, und es hat geklappt. Nicht nur Čeněk war froh, sondern auch Ettore Bugatti, der gar nicht verstand, wie eine Frau mit seinem Rennwagen alleine – ohne Mechaniker – solch eine Strecke zurücklegen konnte. Er war so begeistert, dass er mich dann in seine Familie einlud“, so die Tschechin.
Es entstand eine lange und innige Freundschaft mit dem Autokonstrukteur aus dem Elsass.
Doch die Entwicklung ging weiter. Ihr Mann ermunterte Eliška Junková, ab 1924 selbst bei Rennen zu starten – und im westböhmischen Plzěn / Pilsen gewann sie mit dem Bugatti auf Anhieb gegen die Konkurrenz in ihrer Wagenklasse. Seitdem mischten also beide die Motorsportwelt auf. Und Eliška Junková machte auch ihrem Mann erfolgreich Konkurrenz. 1926 starteten beide erneut beim Rennen von Zbraslav nach Jiloviště:
„Da geschah das Unglaubliche: Ich gewann gegen alle Männer. Dabei konnte ich den Sieg gar nicht so genießen, weil es regnete – und im Rennwagen war das noch etwas schlimmer. Aber es war zum ersten Mal in der damals 25-jährigen Geschichte des Automotorsportes, dass eine Frau in einem internationalen klassischen Rennen alle Männer besiegte.“
Und auch ihren Mann schlug sie um 1,3 Sekunden. Kein Wunder, dass die beiden „der schnellste Haushalt der Tschechoslowakei“ genannt wurden.
Targa Florio und Nürburgring
1927 starteten die Juneks erstmals auch bei internationalen Rennen – allen voran bei der damals wichtigsten Sportwagenveranstaltung, der Targa Florio auf Sizilien. Fünfmal musste ein 108 Kilometer langer Rundkurs mit 1500 Kurven bewältigt werden. Eliška Junková saß in den ersten drei Runden am Steuer, danach hätte ihr Mann übernehmen sollen. Nach der zweiten Runde lag sie mit ihrem Bugatti 35B sogar in Führung, doch dann versagte die Schaltung, und die Rennfahrerin musste aufgeben.
Junková wurde jedoch zum „Großen Preis von Deutschland“ auf dem neugebauten Nürburgring eingeladen. Das war 1927. Die schnelle Frau gewann in der Sportwagenklasse bis drei Liter und musste sich in der Gesamtwertung nur den unvergleichlich stärkeren Mercedes Benz Typ S geschlagen geben. Bei der Siegerehrung sei dann ein komischer Moment, schilderte die Rennfahrerin:
„Unsere tschechoslowakische Fahne wurde hochgezogen. Ich wartete mit Spannung darauf, dass nun ‚Kde domov můj‘ erklingt. Doch man spielte ‚Proč bychom se netěšili‘.“
Die Veranstalter waren von dem Erfolg überrascht gewesen. Deswegen lagen der Kapelle nicht die Noten der tschechoslowakischen Nationalhymne vor, und die Musiker stimmten eine Arie aus Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“ an.
Elisabeth Junek, wie sie auf Deutsch genannt wurde, sorgte aber weiter für Furore. So stellte sie bei einem Frauenrennen in Paris mit 205 Stundenkilometern einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Dann kam aber das Jahr 1928, das das letzte ihrer Rennkarriere werden sollte. Diesmal trat sie alleine bei der Targa Florio an. Sie kam ins Ziel, und das als Fünfte. Hätte sie nicht Probleme mit der Motorkühlung bekommen, wäre selbst der damalige Sieger Albert Divo unter Duck geraten. Čeněk Junek war in jedem Fall mächtig stolz auf seine Frau und schrieb ein Telegramm, dessen Inhalt sie im Interview 1970 so wiedergab:
„Bravissima. Aber vergiss nicht, die Preisgelder auch einzukassieren. 25.000 Lire für den ersten Platz unter den Privatfahrern, 10.000 Lire als Erste nach der zweiten Runde und 10.000 Lire als schnellste Frau. Zusammen 45.000 Lire. Tschüss, Čeněk.“
Ihre Rückkehr nach Prag war triumphal, tausende Menschen jubelten ihr zu. Zwei Monate später stand erneut der Nürburgring an. Wie sich das Ehepaar Junek diesmal aufteilte, darüber gehen die Berichte auseinander. Laut den offiziellen Unterlagen und Rennbeobachter Alfred Neubauer wechselten sich die Juneks wieder am Steuer des Bugatti ab. Eliška Junkovás eigenen Aussagen von 1970 nach nahm sie jedoch selbst nicht am Großen Preis von Deutschland teil, sondern kam nur als Managerin ihres Mannes in die Eifel. Das heißt, am 15. Juli 1928 saß sie auf der Tribüne unter den Zuschauern. Doch es wurde ein tragisches Erlebnis. Zuvor war schon alles Mögliche schief gegangen, unter anderem war der bestellte Helm nicht angekommen. Und so fuhr ihr Mann ohne Kopfschutz, bis die siebte Runde kam…
„Das Warten war furchtbar, als Čeněk zum Rundenende einfach nicht mehr auftauchte. Und wie schrecklich war die Durchsage durch das Megafon, der ich einfach nicht glauben wollte. Danach hörte ich auf, Rennen zu fahren.“
Čeněk Junek verunglückte im Alter von 34 Jahren tödlich auf dem Nürburgring. Für seine Frau änderte sich damit alles. Ihre Freunde versuchten Eliška Junková zwar nach einiger Zeit zu überreden, wieder Rennen zu fahren. Doch selbst Ettore Bugatti konnte sie nicht überzeugen. Und so ging die steile Karriere der schnellsten Frau der Welt abrupt zu Ende.
Fortschrittliche Trainingsmethoden
Dabei hatten sie und ihr Mann im Motorsport moderne Formen der Vorbereitung eingeführt. Obwohl sie Amateure waren, versuchten sie sich professionell vorzubereiten. Sportkommentator Straka:
„Eliška hat in ihren Memoiren beispielsweise die berühmte Targa Florio beschrieben. Demnach gab ihr Čeněk genaue Anweisungen, wann sie ein Glas Milch trinken, wann sie sich schlafen legen und aufstehen solle oder wie das Training auf dem langen schweren Kurs in Sizilien genau auszusehen habe. Das war sehr fortschrittlich, weil der Motorsport noch in den Windeln lag. Viele der Rennfahrer waren damals dickbäuchige Männer, die sich einfach hinter das Steuer setzten und losfuhren.“
Eliška Junková verkaufte jedoch nach dem tödlichen Unfall ihres Mannes ihre Rennwagen. Sie ging danach auf Reisen und übernahm für Bugatti das Auslandsgeschäft in Ceylon. Ab 1933 war sie für die Baťa-Reifenwerke tätig. Außerdem gehörte sie zu den Organisatoren des Großen Preises von Brno / Brünn. Nach dem Zweiten Weltkrieg heiratete sie erneut und trug den Namen Junková-Khásová. Zu kommunistischen Zeiten durfte sie lange Jahre nicht ins Ausland reisen, obwohl sie dies mehrfach beantragte. Erst 1966 erlaubte man ihr, zur Targa Florio nach Sizilien zu fahren. Anlässlich des 50. Jahrgangs der Rundfahrt war sie zu einem Veteranenrennen eingeladen.
„Ich wurde in Palermo wie überhaupt in ganz Sizilien so wunderbar empfangen, wie es mir wohl niemals wieder im Leben passieren wird. Die Sizilianer haben mich wohl ins Herz geschlossen, und das hat sich sogar auf die jüngste Generation übertragen“, so die frühere Rennfahrerin in dem Radiointerview von 1970.
Eliška Junková erlebte sogar noch die politische Wende nach dem Sturz des Kommunismus. Sie starb am 5. Januar 1994 im Alter von 93 Jahren.