Istanbul-Konvention in Tschechien gescheitert: Senat lehnt Übereinkommen ab
Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention gegen die Gewalt an Frauen ist am Mittwoch in Tschechien gescheitert. Im Senat kam nicht die nötige Mehrheit zusammen.
Mit der traditionellen Fanfarenmusik wurde die Abstimmung über die Istanbul-Konvention am Mittwoch im Senat eingeläutet. Feierlich und fröhlich war nach dem Votum vielen in Tschechien aber nicht zu Mute. 34 Ja-Stimmen, 28 dagegen, der Vorschlag zur Ratifizierung des Vertrages wurde damit nicht angenommen – so das Ergebnis der Abstimmung, die auf eine fast siebenstündige Debatte in der oberen Parlamentskammer gefolgt war. Von den 71 anwesenden Abgeordneten hätten mindestens 36 für die Annahme des Dokuments stimmen müssen.
Die Istanbul-Konvention, um die sich am Mittwoch im Senat alles drehte, heißt offiziell „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“. Fast 40 Staaten Europas haben das Dokument bisher ratifiziert und sich damit verpflichtet, Maßnahmen gegen die Gewalt an Frauen gesetzlich zu verankern und sich für Prävention stark zu machen.
Tschechien hatte die Istanbul-Konvention bereits 2016 unterzeichnet – als eines der letzten Länder. Ratifiziert wurde der Vertrag bisher jedoch nicht, und dazu wird es nach dem Senatsvotum nun auch erst einmal nicht kommen. Dabei hatte sich die Regierung im Juni vergangenen Jahres für den Vertrag ausgesprochen, und auch Staatspräsident Petr Pavel hatte seine Unterstützung zum Ausdruck gebracht.
Gegen die Konvention stimmten nun jedoch die Christdemokraten sowie die meisten Abgeordneten der Fraktion aus Partei Ano und Sozialdemokraten. Die Fraktion aus Bürgerdemokraten und der Partei Top 09 war in ihrem Votum gespalten. Die Kritiker der Istanbul-Konvention merkten an, der Vertrag würde Gewalt an Frauen ohnehin nicht verhindern, und das Dokument sei somit überflüssig. Hinzu käme, dass es im tschechischen Rechtsrahmen ohnehin genügend entsprechende Regelungen gebe. Zdeněk Hraba sitzt als Parteiloser für die konservativen Bürgerdemokraten im Senat. Bei seinem Auftritt ließ er verlautbaren:
„Ich sage das schon zum wiederholten Male: Die Istanbul-Konvention ist ein vergifteter Apfel. Die Schale sieht schön aus, in dem Dokument wird viel Nettes erzählt, und dahinter mögen ja auch gute Absichten stehen. Aber darunter wurden einige heimtückische Dinge verborgen.“
Für die Ratifizierung hatten sich hingegen die meisten Vertreter der Bürgermeisterpartei Stan ausgesprochen, ebenso wie die Fraktion SEN21 und Piraten. Václav Láska sitzt für diese Gruppierung im Senat und merkte an:
„Das Dokument beinhaltet Prinzipien und Hinweise, damit die Vergewaltigung von Frauen – aber nicht nur von Frauen – bestraft wird. Als ich diesen Vertrag zum ersten Mal las, ging ich davon aus, dass wir ihn natürlich automatisch annehmen. Aber nun hat sich gezeigt, dass daraus ein Kulturkrieg geworden ist.“
Auch Hana Kordová Marvanová aus der Fraktion von Bürgerdemokraten und Top 09 sprach sich für die Ratifizierung aus:
„Es wird immer behauptet, die Istanbul-Konvention sieht die traditionelle Familie als Feind an. Das geht so aus dem Vertrag jedoch nicht hervor.“
Dem stimmte nach dem Votum auch Europaminister Martin Dvořák (Stan) zu. Die Entscheidung des Senats bezeichnete er als „internationale Schande“. Denn mit dem Vorgehen, den Vertrag zwar zu unterzeichnen, nicht jedoch zu ratifizieren, gehört Tschechien zu einer Reihe weiterer Staaten im Osten Europas wie Armenien, Ungarn oder die Slowakei. In den meisten anderen Ländern des Kontinents ist das Übereinkommen mittlerweile hingegen in Kraft getreten.
Beim Verband Hlas proti násilí (Stimme gegen Gewalt), in dem Menschenrechtsvereine sowie Organisationen sitzen, die sich gegen häusliche Gewalt stark machen, herrschte am Mittwoch Bestürzung über das Urteil. Es sei ein sehr trauriger Tag für die Menschenrechte in Tschechien, teilte Verbandssprecherin Hana Stelzerová mit. Die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Klára Šimáčková Laurenčíková, rief dazu auf, das Votum zu wiederholen – gegebenenfalls dann, wenn es eine neue Regierung und eine neue Zusammensetzung des Parlaments gebe.
In Tschechien werden der Polizei jährlich etwa 600 Vergewaltigungen gemeldet. Schätzung gehen davon aus, dass dies nur rund fünf Prozent der tatsächlichen Fallzahlen entspricht. Landet ein Sexualstraftäter dann doch vor Gericht, gibt es für ihn oftmals niedrige Urteile. So wird derzeit in der tschechischen Öffentlichkeit ein Fall diskutiert, in dem ein Mann für die mehrfache Vergewaltigung seiner Stieftochter lediglich mit einer Bewährungsstrafe belegt wurde.