„Lebende Fackel Nummer zwei“: Oberschüler Zajíc wurde vor 55 Jahren zum Nachahmer Palachs
Der 19-jährige Oberschüler Jan Zajíc zündete sich am 25. Februar 1969 in einer Hauseinfahrt auf dem Prager Wenzelsplatz selbst an – und ahmte damit die Verzweiflungstat von Jan Palach nach.
Am 16. Januar des Jahres hatte sich Palach auf dem Prager Wenzelsplatz ebenfalls selbst angezündet. Er wollte seine Mitmenschen wachrütteln, damit sie sich gegen die sowjetische Besatzung der Tschechoslowakei erheben. Nach Palachs Protest kam es im Land zu einer Selbstverbrennungswelle junger Menschen. Praktisch alle diese verzweifelten Taten hatten aber eher einen persönlichen Hintergrund, bis auf die von Jan Zajíc. Er griff das politische Motiv seines Namensvetters Palach auf und folgte ihm gut einen Monat später in den Feuertod.
Politischer Abschiedsbrief
Der junge Mann hatte alles detailliert geplant. Zajíc ging in die Einfahrt des Hauses Nummer 39 auf dem Prager Wenzelsplatz. Dort übergoss sich der Oberschüler mit Waschbenzin und zündete sich selbst an. Um nicht so sehr leiden zu müssen, hatte er Salzsäure mitgebracht. Sein Plan war, auf den Wenzelsplatz hinauszurennen – als „lebende Fackel Nummer zwei“, wie er schrieb. Das schaffte Zajíc jedoch nicht mehr, auch die Salzsäure konnte er kaum noch schlucken, sodass er in Qualen starb. Menschen, die ihn retten wollten, fanden am Ort seinen Brief, gerichtet an die Bürger der Tschechoslowakei. Darin heißt es unter anderem:
„Ich habe mich zu dieser Tat entschlossen, damit Ihr Euch endlich aufrafft und Euch nicht von den Diktatoren mitschleifen lasst!“
In seinem Aufruf an die Mitbürger berief sich Jan Zajíc bewusst auf Palach. Und der Tag war ebenfalls genau gewählt: 21 Jahre zuvor – am 25. Februar 1948 – hatten die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei übernommen.
Tausende Menschen bei Bestattung
Zajíc stammte aus dem Städtchen Vítkov / Wigstadt in Nordmähren. Er ging damals in Šumperk / Mährisch Schönberg auf die Fachoberschule für Verkehrswesen. Die Selbstverbrennung von Jan Palach am 16. Januar 1969 wühlte Zajíc sehr auf. Er fuhr nach Prag, um sich dort am 19. Januar einigen jungen Menschen anzuschließen, die am Ort von Palachs Tat einen Hungerstreik begannen.
Der Streik wurde am 23. Januar gewaltsam von der Staatssicherheit beendet. Auch Zajíc wurde festgenommen. Als er wieder auf freiem Fuß war, nahm er an Palachs Begräbnis teil. Erst danach kehrte er nach Šumperk zurück. In ihm reifte aber der Entschluss, ebenfalls als „lebende Fackel“ zu protestieren.
Nach Jan Zajíc‘ Selbstverbrennung versuchte das kommunistische Regime, die Tat möglichst unter den Tisch zu kehren. So wurde verhindert, dass der Leichnam in Prag bestattet wurde. Dennoch verbreitete sich die Nachricht von Palachs Nachahmer. Laut dem Historiker Petr Blažek vom Prager Institut für das Studium totalitärer Regime (ÚSTR) kamen über 10.000 Menschen zur Beerdigung nach Vítkov / Wigstadtl in Schlesien. „Zajíc wurde zu jenem Nachahmer von Palach, der den Menschen hierzulande am meisten im Gedächtnis geblieben ist“, so Blažek.