Langer Weg zu würdigem Erinnerungsort: Gedenkstätte für ermordete Roma und Sinti in Lety eröffnet

Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust an den Roma und Sinti in Böhmen

Der Weg zu dieser Gedenkstätte war lang und für die Überlebenden und Nachkommen teils leidvoll: Am Dienstag ist im südböhmischen Lety der Erinnerungsort an den Völkermord an den tschechischen Roma und Sinti eingeweiht worden.

Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust an den Roma und Sinti in Böhmen | Foto: Matěj Vodička,  Tschechischer Rundfunk

In Lety stand während des Zweiten Weltkriegs ein Konzentrationslager für Roma und Sinti. Es war Teil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Dass die tschechischen Roma und Sinti systematisch ermordet wurden, daran wurde zu kommunistischen Zeiten nicht erinnert. Und noch schlimmer: Ab den 1970er Jahren befand sich am Ort des früheren KZ eine Schweinemastfarm.

Rudolf Murka ist der Sohn einer der wenigen Überlebenden des Völkermords an den tschechischen Roma. Am Dienstag sprach er bei der Eröffnung der neuen Gedenkstätte in Lety:

„Entwürdigend und erniedrigend war aber nicht nur die schiere Existenz der Schweinemast, sondern auch die tschechische Gesellschaft davon zu überzeugen, dass wir genauso Menschen sind und es verdienen, einen angemessenen Ort der Erinnerung an unsere toten Verwandten zu haben.“

Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust an den Roma und Sinti in Böhmen | Foto: Matěj Vodička,  Tschechischer Rundfunk

Murka spielte darauf an, dass der tschechische Staat erst 2018 das Gelände aufkaufte und so die Möglichkeit für den Bau des Erinnerungszentrums schuf.

Petr Pavel bei der Einweihung | Foto: Petr Kubát,  Tschechischer Rundfunk

Zu der Einweihung kamen auch die Spitzenpolitiker des Landes. Damit stellten sie sich demonstrativ gegen den Rassismus, der weiterhin in Teilen der tschechischen Gesellschaft zu spüren ist. Staatspräsident Petr Pavel:

„Es ist mir eine Ehre, an der Eröffnung der Gedenkstätte teilzunehmen. Denn wir standen jahrzehntelange in der Schuld gegenüber den Opfern des Völkermords an den Roma und Sinti in Tschechien und allen Überlebenden.“

Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) bekannte ebenfalls in seiner Ansprache, dass die tschechische Politik nach 1989 unverständlicherweise erst einmal untätig geblieben ist:

Petr Fiala bei der Einweihung | Foto: Matěj Vodička,  Tschechischer Rundfunk

„Wir müssen offen zugeben, dass alles viel zu lange gedauert hat. Über die Umgestaltung dieses Ortes wurde bereits vor 30 Jahren gesprochen. Aber der Staat hat den Aufkauf des Geländes lange herausgezögert. Die Gedenkstätte hätte schon viel früher hier entstehen müssen.“

Lety war eines von zwei Konzentrationslagern für Roma und Sinti auf dem Boden des damaligen „Protektorats Böhmen und Mähren“. Das andere befand sich in Hodonín u Kunštátu in Südmähren. Das KZ in Lety wurde bereits 1940 als Arbeitslager eingerichtet und stand wie das spätere Lager in Hodonín unter Leitung der tschechischen Gendarmerie. Obwohl beide Einrichtungen maximal für mehrere Hundert Menschen Platz boten, wurden hier über 1300 Roma und Sinti eingepfercht. 330 von ihnen starben an den unmenschlichen Bedingungen, weitere 500 wurden ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust an den Roma und Sinti in Böhmen | Foto: Matěj Vodička,  Tschechischer Rundfunk

Von den insgesamt 6500 tschechischen Roma und Sinti überlebten nur etwa zehn Prozent die Zeit des Nationalsozialismus. Aber 80 Jahre dauerte es, bis nun auch hierzulande mit einer Gedenkstätte an den Völkermord erinnert wird. Einer, der sich nach der Wende dafür eingesetzt hat, war der Roma-Aktivist Čeněk Růžička. Er konnte die Eröffnung nicht mehr erleben, weil er vor zwei Jahren bereits gestorben ist. Seine Nichte Jana Kokyová war jedoch bei der Feier am Dienstag.

Eröffnung der Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust an den Roma und Sinti in Tschechien | Foto: Matěj Vodička,  Tschechischer Rundfunk

„Als mein Onkel vor 27 Jahren mit der Idee der Gedenkstätte kam, hat er vielleicht selbst an die Umsetzung geglaubt, aber nicht der Rest der Familie. Er hat jedoch mit seiner unvergleichbaren Dickköpfigkeit die Politiker auf seine Seite gezogen. Und deswegen ist es dazu gekommen“, so Kokyová gegenüber Radio Prag International.

Allerdings glaubt Jana Kokyová nicht, dass die Gedenkstätte etwa die tschechische Gesellschaft in ihrer Einstellung zu Roma grundlegend verändern könne:

„Nimmt man die Menschen, die man in den Geschäften oder anderswo in der Öffentlichkeit trifft, dann halte ich das nicht für möglich. Ich würde mir aber wünschen, dass es dazu in einigen Jahren oder in der nächsten Generation kommt. Dass unsere Kinder nicht mehr mit dem Stigma geboren werden, Roma zu sein und ihre Startlinie einen Kilometer weiter hinten liegt.“

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