Vierte Erlassaktion „Milostivé léto“ in Tschechien betrifft Schulden gegenüber Krankenversicherungen
Das tschechische Abgeordnetenhaus hat am Dienstag eine weitere Aktion des „Milostivé léto“ (Erlassjahr) gebilligt. Die betroffenen Menschen können sich dabei ihrer Schulden bei öffentlichen Institutionen entledigen, diesmal konkret bei den Krankenkassen. Die anstehende Erlassaktion ist allerdings umstritten, da sie nur einem sehr begrenzten Kreis an Schuldnern helfen wird.
Zum vierten Mal in Folge organisiert der tschechische Staat die Erlassaktion „Milostivé léto“. Die vorangegangenen bezogen sich auf Zwangsvollstreckungen, die Sozialversicherung und Steuerrückstände. Diesmal wird der Schuldenerlass auf Krankenversicherungen ausgeweitet. Daniel Hůle, Verschuldungsexperte bei der NGO „Člověk v tísni“ (Mensch in Not), nennt eine typische Situation, bei der man in solch eine Schuldenfalle geraten kann:
„Schulden bei der Krankenversicherung entstehen häufig bei jungen Menschen, die nach dem Abschluss der Schule oder des Studiums nicht rechtzeitig anfangen zu arbeiten oder sich auf eine Stelle zu bewerben. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die Beitragsschulden zu wachsen, weil die jungen Menschen nicht ausreichend über ihre Verantwortung als Erwachsene informiert sind. Daher betreffen diese Schulden einen sehr breiten Teil der Gesellschaft.“
Umstritten ist allerdings die Fassung, in der die Vorlage angenommen wurde. Der ursprüngliche Entwurf von Gesundheitsminister Vlastimil Válek (Partei Ano) bezog sich nur auf sogenannte Steuervollstreckungen. Der Abgeordnete der Ano-Partei Patrik Nacher ist einer der Verfasser der Vorlage:
„Betroffen sind solche Fälle, in denen die Krankenkassen ihre Forderungen selbst eintreiben und nicht durch einen privaten Gerichtsvollzieher.“
Der Senat wollte die Voraussetzungen für einen Schuldenerlass lockern, um mehr Menschen helfen zu können. Miroslav Plevný ist Senator für die Bürgermeisterpartei Stan:
„Die Vorlage führt dazu, dass manche Schuldner an der Aktion nicht teilnehmen können, nur weil die Krankenversicherungen ihre Forderungen auf unterschiedlichen Wegen eintreiben.“
Letztlich wurde allerdings der Senat überstimmt und die ursprüngliche Fassung vom Abgeordnetenhaus erneut verabschiedet. Diese wird von Verschuldungsexperten grundsätzlich kritisiert. Daniel Hůle von „Člověk v tísni“ sagte in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wir sprechen hier eigentlich von grundlegend unterschiedlichen Versionen. Was von den Abgeordneten genehmigt wurde, war in einer solch schrecklichen Form, dass sich ‚Mensch in Not‘ öffentlich davon distanziert hat. Denn unsere NGO ist mit der Aktion ‚Milostivé léto‘ so eng verbunden, dass dies eine echte Schande für uns wäre. Hätten sich hingegen die Senatoren mit ihrem Vorschlag durchgesetzt, hätte dies zu grundlegenden Änderungen geführt.“
Der Kreis an Schuldnern, auf den sich die verabschiedete Fassung bezieht, ist relativ klein. In jedem Fall werden sie von Juli bis November dieses Jahres die Gelegenheit erhalten, nicht bezahlte Krankenversicherungsbeiträge zu begleichen und einen Schuldenerlass für entsprechende Strafgebühren zu beantragen.