Weltpremiere von Trtíks Kafka-Oper bei Prager Festival Opera Nova

Die Spielzeit des Prager Nationaltheaters und der Staatsoper erreicht im Juni mit dem Festival Opera Nova ihren Höhepunkt. Und dort wird unter anderem Jiří Trtíks Oper „Kafkas Brief an den Vater“ in Weltpremiere aufgeführt.

Auf dem Programm des Festivals Opera Nova in Prag stehen gleich drei Weltpremieren und zwei tschechische Premieren. Das Opernensemble des Nationaltheaters und der Staatsoper trägt mit diesen Veranstaltungen zum Jahr der tschechischen Musik bei. In der Goldenen Stadt treffen dabei mehrere international anerkannte Künstler zusammen. Offiziell eröffnet wird das Festival am 14. Juni in der Staatsoper mit György Ligetis Oper „Le Grand Macabre“.

Das Begleitprogramm wurde jedoch schon am vergangenen Mittwoch gestartet, und zwar mit einem Kammerkonzert, das im Foyer der Staatsoper stattfand. Dabei konnte das Publikum unter anderem eine Kostprobe aus Jiří Trtíks Oper „Kafkas Brief an den Vater“ hören, die eine der Weltpremieren sein wird. Dirigent Jiří Rožeň ist der künstlerische Kurator des Festivals. Am Rande des Konzerts entstand das folgende Gespräch mit dem Dirigenten:

Herr Rožeň, hatten Sie als künstlerischer Kurator des Festivals Opera Nova sozusagen freie Hand, das Programm zusammenzustellen?

Jiří Rožeň | Foto: Hana Görlichová,  Nationaltheater Prag

„Ja, das Hauptprogramm habe ich komplett zusammengestellt. Im Fall von zwei Werken, den Opern ,Kafkas Brief an seinen Vater‘ und ,Motýli z Terezína‘ (zu Deutsch „Schmetterlinge aus Theresienstadt“, Anm. d. Red.) kenne ich die beiden Komponisten schon länger. Jiří Trtík hat gesagt, ihn reize ein Kafka-Thema. Und Charles Baumstark (französischer Komponist und Dirigent, Anm. d. Red.) war an einer Art Fortsetzung von Hans Krásas ,Brundibár‘ interessiert. Uns war es wichtig, auch ein Stück für Kinder aufzuführen. Das Werk über Kafka wiederum spielen wir gerade in einer Zeit, in der an den 100. Todestag des Schriftstellers erinnert wird. Jede der beim Festival aufgeführten Opern hat ein anderes Thema, das in der heutigen Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielt.“

Kommen wir auf die Kafka-Oper zurück. Wie finden Sie die Musik?

„Im Werk kommen viele ,Ambiente-Sounds‘ vor: Zu Beginn sind Regentropfen sowie eine Straßenbahn zu hören. Die Instrumentierung ist nicht groß, aber die Musik entfaltet eine starke Wirkung. Die Hauptpartie von Kafka ist ein Tenor, es ist keine einfache Rolle. Ich bin glücklich, dass ich diese Oper einstudieren kann. Es ist meine erste Zusammenarbeit mit Jiří Trtík und dem Stro.My-Ensemble, das in letzter Zeit sehr erfolgreich ist. Es trat oft auch im Ausland auf. Ich freue mich sehr auf die Produktion.“

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem für den Grammy nominierten kasachisch-amerikanischen Künstler Timur, der die Titelpartie singt?

Eir Inderhaug und Timur Bekbosunov | Foto: Hana Görlichová,  Nationaltheater Prag

„Es ist eine sehr schöne Zusammenarbeit – künstlerisch sowie menschlich. Wir haben an der tschechischen Sprache, an der Diktion viel gearbeitet. Er macht das sehr gut. Übrigens erinnert er uns ein bisschen an Kafka, wenn man ihn auf der Bühne sieht. Das finde ich wichtig. Alles passt sehr gut zusammen.“

Drei Weltpremieren und zwei tschechische Premieren stehen auf dem Festivalprogramm. Das tschechische Publikum wird manchmal eher für konservativ gehalten. Wie ist Ihre Meinung?

„Vielleicht schon. Aber die Besucher müssen keine Angst haben, die Stücke sind ziemlich tonal, mit Melodien und Harmonien. Es gibt aber auch interessante harmonische Verbindungen, die vielleicht etwas unkonventionell klingen. Das Wichtigste ist, offen zu bleiben. Ich bin davon überzeugt, dass die Musik das Publikum beeindrucken wird. Für Prag ist es wichtig, neue Stücke aufzuführen. Ich lade alle herzlich zum Festival ein.“

Die Oper „Kafkas Brief an den Vater“ stammt vom tschechischen Komponisten Jiří Trtík. Im Gespräch für Radio Prag International sagt er, er habe schon lange davon geträumt, ein Werk nach einer Vorlage von Franz Kafka zu schreiben.

„Als mir Jiří Rožeň das Angebot machte, eine Oper für das Nationaltheater zu schreiben, war es klar, dass es ein Kafka-Opus sein muss. Wir haben nur überlegt, für welches seiner Werke ich mich entscheide. Ich bin davon überzeugt, dass sein ,Brief an den Vater‘ sehr aktuell ist – was die psychische Gesundheit sowie die Auseinandersetzung mit Traumata anbelangt. Es ist kein depressiver Kafka, sondern ein Autor, der die Kraft hat, nach Lösungen zu suchen. Und es steckt viel Licht darin.“

Das Libretto für die Oper sei vom Dichter Jan Škrob geschrieben worden, erzählt der Komponist:

„Er hat Kafkas Brief bearbeitet und einige wesentliche Teile ausgesucht, um daraus das Libretto zu schreiben. Dazu muss man anmerken, dass wir das ganze Vorgehen mit Kafkas Übersetzerin Věra Koubová konsultiert haben. Sie gehört zu unserem Team, ohne sie wäre das Werk nicht entstanden.“

Welche Personen treten in der Oper auf?

Jiří Trtík | Foto: Hana Görlichová,  Nationaltheater Prag

„Franz Kafka ist Tenor. Den Vater singt ein Männerchor, dieser besteht aus zwölf Basssängern. Kafkas Mutter, Kafkas Schwester und Felice Bauer, also das Frauenelement in Kafkas Leben, sind alle Sopran.“

Für den Hauptprotagonisten Timur Bekbosunov hat der Komponist nur lobende Worte:

„Das ist einfach unser Kafka. Wir haben den Kafka am anderen Ende der Welt gefunden. Ursprünglich sollte der tschechische Tenor Petr Nekoranec die Partie singen, aber er konnte aus zeitlichen Gründen nicht. Auf diese Weise fanden wir Timur. Er sollte noch einige Vorstellungen in den USA haben, aber hat diese abgesagt. Als er sich die Noten anschaute, meinte er, das passe genau zu ihm. Wir haben uns gegenseitig gefunden. Er ähnelt ein bisschen Kafka, es ist unglaublich."

Denkt Jiří Trtík daran, die Oper auch im Ausland zu präsentieren?

„Das wäre fantastisch. Das würde uns sehr freuen, aber bisher ist nichts bestätigt. Warten wir die Premiere ab. Wir werden sehen, wie das Echo dann ist. Ich denke, dass sich auch das Nationaltheater überraschen lassen wird.“

Vor einem Jahr begann Trtík an der Oper zu arbeiten. Es handle sich keinesfalls um ein zum 100. Todestag Kafkas schnell kreiertes Werk, betont er:

„Es ist eine lang geplante und durchdachte Oper. Das gefällt mir daran so sehr. Und das kreative Team ist hervorragend. Mit dabei ist Stardesigner Maxim Velčovský, der das Bühnenbild entworfen hat.“

Die Regie der Oper hat Josef Doležal. Die Kostüme stammen von Marianna Stránská. Dirigent Jiří Rožeň hat die Oper zusammen mit dem Kammerensemble Stro.My einstudiert.

Neben Trtíks „Kafkas Brief an den Vater“ und den „Schmetterlingen aus Theresienstadt“ von Charles Baumstark findet beim Festival Opera Nova noch eine dritte Weltpremiere statt: Am 17. Juni wird das Oratorium „Stvůry“ von Šimon Voseček im Theater Divadlo Bez zábradlí (Theater ohne Geländer) aufgeführt. Und in tschechischer Premiere erklingt am 18. Juni im Theater ABC die Kammeroper „The Yellow Wallpaper“ der britischen Komponistin Dani Howard.

Das Festival Opera Nova wird am 14. Juni in der Staatsoper eröffnet, auf dem Programm steht die tschechische Premiere der Oper „Le Grand Macabre“ von György Ligeti. Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr. Das Begleitprogramm mit Filmvorstellungen, Diskussionen und Treffen mit den Künstlern läuft schon ab kommender Woche.

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