Festival „Smetanas Litomyšl“ im Zeichen der Belle Époque
Am Donnerstag wurde im Geburtsort des Komponisten Bedřich Smetana das internationale Musikfestival eröffnet, das nach ihm benannt wurde.
„Smetanas Litomyšl“ ist das zweitälteste Musikfestival in Tschechien. Bei der 65. Auflage der Festspiele stehen insgesamt 37 Hauptveranstaltungen auf dem Programm. Es handelt sich dabei vorwiegend um große Orchesterkonzerte und Opernvorstellungen. Zudem gibt es ein buntes Begleitprogramm in den Klostergärten. Zum 19. Mal werden außerdem im Rahmen von „Smetanas künstlerischen Litomyšl“ viele Ausstellungen und Kunstinstallationen in der Stadt und ihrer Umgebung gezeigt. Und nicht zuletzt gibt es diesmal auch ein Lyrikfestival. Für die Besucher wurde in der malerischen Stadt also ein wahrhaft vielfältiges Kulturangebot vorbereitet. Das Thema des diesjährigen Festivals ist die ,Belle Époque‘, historisch also die Epoche ungefähr zwischen 1871 und 1914. Vojtěch Stříteský ist der künstlerische Leiter und Dramaturg des Musikfestivals:
„Es erklingen mehr als 30 Werke und Ausschnitte aus großen Kompositionen, darunter Opern, die aus der Epoche des ,Belle Époque‘ stammen. Dazu gehören vor allem die Gurre-Lieder von Arnold Schönberg, das zweite Klavierkonzert c-Moll von Sergei Rachmaninow und die sinfonische Dichtung ,Also sprach Zarathustra‘ von Richard Strauss. Diese wird vom Orchester Česká Sinfonietta unter der Leitung von Radek Baborák erklingen. Beim Festival erlebt zudem der zweite Teil der ,Sinfonia Fišeriana‘ die Premiere. Es handelt sich dabei um Tondichtungen, die nach Motiven der Filmmusik des Komponisten Luboš Fišer entstanden sind. Ich habe dafür unter anderem die Musik aus den Streifen ,Morgiana‘ und ,Das Attentat von Sarajewo‘ ausgewählt. Denn mit diesem Attentat ging die ,Belle Époque‘ zu Ende.“
Das Renaissanceschloss von Litomyšl steht auf der Liste des Weltkulturerbes der Unesco. Der Großteil der Festivalkonzerte und Opernvorstellungen fand in den vergangenen Jahren im Schlosshof statt. Die Residenz wird derzeit restauriert, sie ist jedoch weiterhin für Besucher geöffnet. Von den Veranstaltern kann der Schlosshof in diesem Jahr aber nicht genutzt werden. Von den Restaurierungsarbeiten im Schloss erfuhren die Organisatoren im Januar, gerade an dem Tag, als sie bei einer Pressekonferenz das Festivalprogramm vorstellten. In der Folge mussten sie sich nach anderen Räumlichkeiten umsehen. Diese fand man schließlich in einer modernen Eissporthalle in Litomyšl. Dazu der Festivaldirektor Jan Pikna:
„Der Weg dahin war verhältnismäßig anspruchsvoll. Denn das Sportstadion wurde nicht als Mehrzweckhalle erbaut, zu einem Kulturraum ist es jetzt erst geworden. Zudem war es technisch kompliziert, die Sporthalle so umzugestalten, dass dort auch Opern aufgeführt werden können. Besucher, die den Zuschauerraum im Schlosshof kennen, erinnern sich vermutlich an die dortigen Sitze in silberner Farbe, die aus den Straßenbahnen stammten. Dieselben Sitze gibt es nun auch in der Sporthalle, sie sind jedoch bequemer, weil sie gepolstert sind. Die Halle ist zudem zu einer Galerie geworden. Ausgestellt wird dort das Werk ,Die Apotheose‘ von Jiří David, das er für die Biennale in Venedig schuf. David reagierte damit auf die ,Apotheose‘ von Alfons Mucha, die zum Zyklus ,Slawisches Epos‘ gehört. Das Gemälde ist sehr groß, es hängt an einer Wand der Sporthalle. Gegenüber davon sind Originalbilder von Mucha zu sehen. Es handelt sich also um die Auseinandersetzung David gegen Mucha.“
Die Veranstalter laden jedes Jahr mehrere international anerkannte Musiker und Sänger nach Litomyšl ein. So wird beispielsweise beim Konzert der Opernstars die lettische Sopranistin Kristīne Opolais auftreten. Dazu der Dramaturg:
„Sie wird mit dem renommierten tschechischen Tenor Pavel Černoch singen. Die beiden sind gute Freunde. Es freut uns sehr, dass Opolais zum Konzert kommt, das jedes Jahr unter dem Titel ,Die Opernstars ‘ stattfindet. Auf dem Programm stehen Arien aus den Opern von Giuseppe Verdi sowie aus veristischen Opern. Zum Schluss werden die beiden Arien aus Antonín Dvořáks ,Rusalka‘ vorgetragen.“
Auch einer der meistgefragten Baritone der Welt, Adam Plachetka, ist seit einigen Jahren Residenzkünstler des Festivals. Bei zwei Wunschkonzerten wird er gemeinsam mit Ondřej Havelka und seinen Melody Makers auftreten, die sich auf Swing spezialisieren. Zudem wird Plachetka bei einem Konzert singen, mit dem Dramaturg Vojtěch Stříteský 40 Jahre Arbeit beim Festival feiern wird.
Als ein jüngerer Ableger des Musikfestivals gilt das Programm „Smetanas künstlerisches Litomyšl“. Über die mittlerweile 19. Auflage des Festivals der bildenden Kunst sprach Radio Prag International mit Martina Zuzaňáková. Sie leitet die Stadtgalerie und auch das Kunstprojekt:
Was steht alles auf dem Programm von „Smetanas künstlerischem Litomyšl“?
„Wir haben insgesamt 19 Ausstellungsprojekte für die Festivalgäste vorbereitet. Das Hauptprojekt heißt ,Plan B‘, es sind Ausstellungen im öffentlichen Raum. Wir haben elf Künstlerinnen und Künstler nach Litomyšl eingeladen, die immer ein Kunstwerk für einen bestimmten Ort kreierten. Der Prager Künstler Matěj Cimala schuf beispielsweise aus unterschiedlichem Material eine fünf Meter hohe Plastik, die den Golem darstellt. Sie steht neben der Hauptbühne des Festivals.“
In Litomyšl gibt es elf oder zwölf Galerien. Beteiligen sich diese auch am „künstlerischen Litomyšl“?
„Ja, natürlich. Alle Kultursubjekte aus der Stadt sind da miteinbezogen. Es sind städtische und staatliche Organisationen sowie private Kunstgalerien – wie beispielsweise die Galerie von Zdeněk Sklenář.“
Partizipieren vielleicht auch kleinere Galerien aus der Umgebung von Litomyšl?
„Ja, schon. Im Dorf Lubná hat Jiří Příhoda sein Studio, in dem er ein Projekt für das Festival kreierte. In Osík befindet sich die White Gallery, in der eine Ausstellung aus dem Werk von Marek Ormandík eröffnet wird.“
Litomyšl wird manchmal als das Mekka der Architektur bezeichnet. Denn die Stadt beherbergt mehrere historische Bauten, die sehr sensibel restauriert worden sind, aber auch moderne Gebäude. Können Sie den Besuchern empfehlen, was sie bei ihrem Stadtbummel unbedingt sehen sollten?
„Litomyšl ist wirklich auch wegen der modernen Architektur bekannt. Wir haben ein sogenanntes ,Leitomischler architektonisches Manual‘ für die Besucher zusammengestellt. Die Informationen stehen auf der Website in Englisch, Deutsch und Tschechisch https://lam.litomysl.cz/de/. Wir haben dort alle Gebäude aus der Zeit von 1900 bis in die Gegenwart zusammengefasst. Zudem bieten wir Stadtführungen auch auf Deutsch an.“
Neben dem Festival der bildenden Kunst wird diesmal in Litomyšl zum ersten Mal auch der Lyrik Aufmerksamkeit geschenkt. Filip Janouch leitet das Projekt „Poetisches Litomyšl“:
„Schon bei der vergangenen Auflage des Festivals wurde Lyrik in den Festivalgärten rezitiert. Daran knüpfen wir nun an. Am Freitag und am Samstag stellt sich immer einer der Gäste des Musikfestivals vor, der Gedichte der sogenannten ‚verdammten Dichter‘ lesen wird. Unter den Vorlesenden sind der Klaviervirtuose Ivo Kahánek sowie der Direktor der Tschechischen Philharmonie, David Mareček. Sie tragen die Poesie in den Klostergärten vor. Wir arbeiten auch mit dem Projekt „Smetanas künstlerisches Litomyšl“ zusammen. Die Brünner Künstlerin Anna Borovičková Ročková kreiert Collagen, aus denen sie Wörter ausschneidet, und daraus Gedichte zusammenstellt. Diese werden im Dachboden der Schlossbrauerei gezeigt. Jeder Besucher kann dort auch sein eigenes Gedicht zusammenstellen. Im Rahmen unseres Projektes können die Besucher zudem einem Poeten in der Stadt begegnen, der ihnen maßgeschneiderte Gedichte schreiben wird. Und schließlich wird auch Slam poetry nicht fehlen: Am ersten und am letzten Festivalwochenende treten die Dichter auf dem Smetana-Platz auf. Dieses Genre ist sehr interaktiv und kann ohne Publikum gar nicht existieren.“
Das Musikfestival „Smetanas Litomyšl“ findet bis 2. Juli statt. Für einige der Veranstaltungen gibt es noch Restkarten.