Labyrinth unterirdischer Gänge und Schutz vor den Preußen – die Festung Josefov

Festung Josefov

In den Gängen von Josefov / Josefstadt kann man schnell die Orientierung verlieren. Die Festungsstadt in Ostböhmen wurde Ende des 18. Jahrhunderts gebaut, nachdem Österreich-Ungarn seine Gebiete in Schlesien verloren hatte.

Zunächst steigt man über Treppen steil hinab. Dann geht es mit einem Lämpchen durch unbeleuchtete und teils feuchte Gänge. Ab und zu muss man den Kopf einziehen, damit man nicht an die Decke stößt. An manchen Stellen hängen auch Fledermäuse herab, die geschützt sind. Die Kälte der Tiefe spürt man auf der Haut. Immerhin befinden wir uns vier bis sechs Meter unter der Erde.

Vojtěch Dolana führt durch das Gewirr an Gängen der Festungsstadt Josefov und erläutert:

Vojtěch Dolana | Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

„Insgesamt waren hier früher 45 Kilometer an Gängen. Erhalten sind immer noch rund 35 Kilometer. Der Rest wurde – wie häufig auch im Fall von Burgen – auseinandergenommen, nachdem die Festung aufgelöst war. Angeblich besteht hier das weitläufigste unterirdische Verteidigungssystem in Europa. So schreibt es jedenfalls der britische Militärhistoriker Christopher Duffy in seinem Buch ‚Fire and Stone‘. In diesem erwähnt er Josefov als einen der besten Orte mit ausgedehnten unterirdischen Gängen.“

Josefov liegt in Ostböhmen oberhalb der Mündung des Flusses Metuje / Mettau in die Elbe. Entworfen wurde die Anlage vom Militärarchitekten Claude-Benoit Duhamel de Querlonde (1721–1808).

„Er war ursprünglich Franzose und entstammte einer Familie, die sich schon seit mehreren Generationen mit dem Bau von Festungen befasst hatte. Querlonde entwarf hier ein einzigartiges Befestigungssystem. Josefov befindet sich auf einem Felsen, deswegen musste man sich nicht so sehr um die Statik sorgen wie in Theresienstadt. Die Gänge hier entstanden meist so, dass sie von oben in den Boden gezogen und dann zugeschüttet wurden. Es handelte sich also nicht um das klassische Anlegen von Stollen. Das Festungssystem sollte die Feinde davon abhalten, in der Nähe ihre Schützengräben auszuheben. Hätten sie sich der Festung unmittelbar genähert, wären sie in die Luft gesprengt worden“, so Dolana.

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Spukender Schreiner

Josefov wurde auf Befehl des österreichischen Kaisers Joseph II. errichtet. 1780 wurde mit dem Bau begonnen, die ersten drei Jahre leitete Querlonde selbst die Arbeiten. Voraussetzung für eine Beschäftigung an dem Projekt war, dass man Schweigsamkeit und Geheimhaltung schwor. Das wurde dem Schreiner Ignác Pabil aus Pardubice / Pardubitz zum Verhängnis, der aus Schlesien emigriert war.

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

„Er hatte von staatlicher Seite den lukrativen Auftrag erhalten, das Holz für den Bau der Festung zu liefern. Nach drei Jahren wurde gemunkelt, dass er ein preußischer Spion sei und von hier die Baupläne dem Feind aus Preußen zugesteckt habe. Deswegen wurde bei ihm eine Haussuchung durchgeführt. Unglücklicherweise wurden tatsächlich die Pläne bei ihm gefunden. Er wurde vor ein Standgericht gestellt, zum Tod verurteilt und am 5. Dezember gehängt. Drei Monate lang hing er dann am Galgen, damit alle anderen sahen, was sie erwartet, falls sie Verrat begehen würden. Danach wurden seine Überreste an einem unbekannten Ort begraben. Die Sage geht aber, dass er hier in Josefov unter der Erde seitdem herumspukt – und zwar so lang, bis von der Festung kein einziger Ziegel mehr übrig ist“, schildert unser Begleiter.

Josefov entstand, um die k. u. k. Monarchie nach Norden gegen Preußen zu sichern. Im Frieden von Hubertusburg von 1762 hatte Österreich die Grafschaft und Festung Glatz in Schlesien verloren, diese sollte nun ersetzt werden. Und gerade die Mündung der Mettau in die Elbe habe sich angeboten, sagt Vojtěch Dolana:

„Von hier aus lässt sich dieser Teil von Ostböhmen gut beherrschen. Zugleich kann man einen möglichen Marsch nach Prag blockieren. Die Bauarbeiten dauerten sieben Jahre lang. Aber den letzten Schliff erhielt die Festung bis 1790.“

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Gedacht war die Festung für bis zu 10.000 Soldaten, das aber nur im Kriegsfall. So viele waren nie hier stationiert, da Josefov praktisch nur einmal in gewisser Weise seine Funktion auch wirklich erfüllen musste. Zudem war dies bereits zu einer Zeit, als die Festungsanlage eher als Garnisonsort und Gefängnis genutzt wurde.

„Die höchste Zahl an Soldaten war 7000, und das während des Preußisch-Österreichischen Krieges im Jahr 1866. Damals wurde Josefov allerdings nicht so richtig belagert. Denn eigentlich war die Anlage schon veraltet. Sie war nicht wie zum Beispiel Olmütz um Forts erweitert worden. Das heißt, die Preußen umgingen zunächst die Festung, aber sie mussten dennoch Acht geben. Nach der Schlacht bei Königgrätz kehrten sie hierher zurück. Und so kam es zu einigen Scharmützeln, mit denen die Preußen versuchten, die Besatzung in Josefov nervös zu machen. Diese gab sich aber nicht einfach geschlagen und jagte etwa eine Eisenbahnbrücke und den Bahnhof in die Luft. So konnte der Feind nicht weiteres Material auf der Schiene herantransportieren. Außerdem unterstützte Josefov den Widerstand der örtlichen Bevölkerung gegen die Preußen“, so Dolana.

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Aus den Tiefen des Untergrunds geht es wieder an die Oberfläche. Dort kann man auch auf die Festungswälle steigen, wo Vojtěch Dolana verrät, wie es weiterging. Denn die Festung wurde 1888 vollständig aufgehoben. Dennoch sei sie nicht in Vergessenheit geraten, betont der Fremdenführer:

„Bereits 1883 war hier das 9. Korpskommando angesiedelt worden. Das blieb so bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts, als dieser Teil der österreichischen Armee nach Litoměřice umzog. Nach der Aufhebung der Festung erlebte Josefov noch so etwas wie einen zweiten Boom. Es entstanden hier einige repräsentative Bauten wie zum Beispiel das Rathaus oder der Saal des Offiziershauses, der wahrscheinlich vergrößert wurde, weil hier nun noch mehr Militär stationiert war.“

Im Ersten Weltkrieg diente der Ort dann als Kriegsgefangenenlager für 40.000 russische, serbische, italienische und ukrainische Soldaten.

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Metal-Festival und Schlachtnachstellungen

Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik wurde Josefov recht bald zur Sehenswürdigkeit. Schon vorher waren die Menschen gerne auf den Wällen spazieren gegangen. Nun aber begann bereits der Tourismus…

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

„Wie wir wissen, wurden 1926 erstmals Führungen angeboten. Wir feiern also übernächstes Jahr einhundertjähriges Jubiläum als Besucherziel. Damals wurden bereits kleine Ausbesserungsarbeiten durchgeführt, damit die Besucher auch etwas zu sehen bekamen. Die meisten Sanierungsmaßnahmen gab es aber erst in den 1970er Jahren. Die Initiative ging von Geschichtsbegeisterten aus der Gegend aus, und es wurden eben die Katakomben ausgebessert. Und genau durch diese Teile der Gänge werden auch heute noch die Besucher geführt“, sagt Dolana.

Es handelt sich um die Bastion I inklusive Katakomben. Seit 2016 liegt die Verwaltung beim städtischen Kulturzentrum von Jaroměř / Jermer, das auch fremdsprachige Führungen organisiert. Ilona Monzerová kümmert sich für die Festung Josefov um Fördergelder sowie um die Entwicklung des Areals und erläutert:

Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

„Die Festung hat mehrere Eigentümer. Der größte Teil gehört der Stadt, aber auch unterschiedliche Vereine verwalten gewisse Objekte. Die größten Investitionen in den vergangenen Jahren wurden in Umbauten und Sanierungsmaßnahmen gesteckt, die für ein Metal-Festival hier notwendig waren.“

Es ist das Festival Brutal Assault, das immer Anfang August stattfindet. Dabei sind die Bühnen – in diesem Jahr sind es vier – direkt vor den Festungsmauern aufgebaut.

„Die Menschen vor Ort haben sich bereits mit dem Festival arrangiert. Die Besucherzahlen liegen bei rund 20.000 Menschen, die aus der ganzen Welt angereist kommen“, schildert Monzerová.

Am nächsten Freitag und Samstag (12. und 13. Juli) gibt es aber auch eine große Veranstaltung unmittelbar in der Festung. Sie nennt sich Oživlý Josefov (Belebtes Josefov). Und weiter Ilona Monzerová:

„Dann wird der Masaryk-Platz durch einen Jahrmarkt belebt, der an die Gründerzeit der Festung angelehnt ist. Gezeigt werden zudem historische Schlachtnachstellungen und die Ankunft des Kaisers, es sind also viele Kostümträger zu sehen. Das Festival ist die größte Veranstaltung direkt in Josefov.“

Jetzt im Juli und August ist die Anlage jeden Tag für Besucher geöffnet. Und wer eine Führung in einer Fremdsprache wünscht, kann diese im Voraus absprechen.

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