Filme, Orte, Themen: „Das Sommerküno“ in Prag
Prag ist eine Stadt mit langer Kinotradition. Eher selten schaffen es heute jedoch Filme in deutscher Sprache auf die Leinwand. Das Goethe-Institut, das Österreichische Kulturforum und die Schweizer Botschaft in Tschechien organisieren deshalb seit vielen Jahren in der Ferienzeit eine Filmreihe mit deutschsprachigen Produktionen. Sie knüpft an „Das Filmfest“ im Herbst an. Gezeigt werden Klassiker, aber auch neuere Filme. In diesem Jahr findet bereits die zehnte Auflage von „Das Sommerküno“ statt. Seit Juni werden in drei Kinos in Prag spannende Filme gezeigt. Das Programm läuft aber noch bis Ende der Ferien weiter.
Karolína Bukovská und Sebastian Halbauer vom Österreichischen Kulturforum gehören zu den Organisatoren des Festivals. Die Motivation zu dem Gemeinschaftsprojekt beschreibt Halbauer so:
„Das Österreichische Kulturforum, die Schweizer Botschaft und das Goethe-Institut haben zusammen an der Konzeption für ‚Das Filmfest‘ gearbeitet. Vor zehn Jahren wurde dann die Entscheidung getroffen, auch ein Sommerecho des Festivals zu machen. Sich als deutschsprachige Kulturinstitutionen zusammenzutun und somit auch auf ein größeres Publikum hinzuzugehen, ist die einzig richtige Entscheidung.“
„Das Sommerküno“ schreibt sich mit einem „ü“ anstatt einem „i“ im Wort Kino. Laut Karolína Bukovská ist das ein Wortspiel, das mittlerweile zur visuellen Identität des Festivals gehöre. Es spiele auf einen klassischen Aussprachefehler an, denn die deutschen Umlaute seien für Menschen aus Tschechien eine große Herausforderung. Aus dem „ü“ wird häufig ein gesprochenes „i“. Im Wort „Küno“ wurde dieser Fehler einfach umgedreht.
Das Programm ist auch in diesem Jahr facettenreich. Darunter sind Filme, die bereits in den vergangenen Jahren schon einmal gezeigt wurden. Bei der Zusammenstellung spielen verschiedene Aspekte eine Rolle.
„Es geht darum, eine breite Auswahl an Filmen zusammenzupacken, die eine große Gruppe an Zuschauern anspricht. Das setzt sich aus den erfolgreichsten Filmen der letzten Jahre unseres Filmfests zusammen, aber auch aus Klassikern und weiteren Streifen, die sich anbieten, einem tschechischen Publikum im Sommer zu zeigen“, so Sebastian Halbauer.
Karolína Bukovská betont, wichtig sei eine breite Themenauswahl über unterschiedliche Genres hinweg. Das Programm in diesem Jahr bietet Schwerpunkte wie Musik oder Kunst, es sind genauso Dramen sowie auch Filme, bei denen man herzhaft lachen könne – also klassische Komödien. Ein weiterer wichtiger Punkt sei zudem die sommerliche Atmosphäre gewesen, ergänzt Bukovská:
„Das heißt, man geht spät am Abend in den Park, sitzt draußen, trinkt ein Bierchen oder zwei – und natürlich sollen auch die Themen und die Stimmungen der Filme dazu passen.“
Von den Veranstaltungsorten bietet sich besonders das Sommerkino Kinská für einen solchen Abend an. Es ist am Rande des Kinský-Gartens gelegen, und vor dem Filmbesuch kann man zum Beispiel über den Petřín / Laurenziberg spazieren und einen Blick auf das bunte Treiben der Stadt unter sich werfen.
Die Großstadt ist in mehrfacher Hinsicht ein guter Freund des Films. Sie bietet nicht nur genügend Leinwände, die darauf warten, bespielt zu werden, sondern auch eine breite Auswahl an Themen. Denn wenn man die Augen etwas schärft, wird in den Alltagsgeschichten der Großstadt sichtbar, was die Menschen einer Gesellschaft bewegt.
Die Großstadt als Kulisse für den Film
Auch im aktuellen Programm des Sommerkinos ist die Großstadt ein wichtiger Ort des Geschehens. In dem Coming-of-Age-Film „Kokon“ der Regisseurin Leonie Krippendorf wird der Berliner Bezik Kreuzberg zum Schauplatz des Innen- und Außenlebens einer 14-Jährigen Schülerin.
Am Mittwoch wurde bereits der Dokumentarfilm „B-Movie: Lust & Sound in Westberlin“ gezeigt. Auch in diesem Film streift die Kamera durch die Straßen Berlins, allerdings zu einer anderen Zeit, als die Stadt noch von einer Mauer umgeben war.
Sebastian Halbauer glaubt, Berlin sei als Drehort so beliebt, weil es dort eine besonders aktive Filmszene gebe und wegen der besonders bewegten Geschichte. Seine Kollegin Karolína Bukovská fügt hinzu, dass auch die besondere Lebendigkeit der Stadt bei vielen Menschen Faszination auslöse:
„Ich glaube, Berlin ist auch für viele Menschen in Tschechien so ein Sehnsuchtsort. Es ist ja schließlich nur vier Stunden mit dem Zug entfernt, und ich denke, dass in unserem Filmangebot diese Sehnsucht nach Berlin befriedigt wird.“
Berlin ist jedoch nicht der einzige Kosmos einer urbanen Welt, den die Besucherinnen und Besucher des Sommerkinos erkunden können. Im Programm ist zudem ein Film, der die alltäglichen Herausforderungen eines Lebens in der Stadt Wien verbildlicht.
Der Low-Budget-Film „Die Vermieterin“ vom Wiener Regisseur Sebastian Brauneis ist eine unbedingte Empfehlung von Sebastian Halbauer…
„Eine Komödie, die aber auch zu einem Drama wird, denn sie behandelt das Thema der aktuellen Wohnungskrise in Wien. Dieses Thema betrifft aber nicht nur Menschen in Wien, sondern ist weltweit in jede Großstadt übertragbar. Der Film schafft es mit einem guten Cast und einer guten Atmosphäre, diese tragischen Dinge trotzdem sehr witzig rüberzubringen, und bringt mit Sicherheit alle Zuschauerinnen und Zuschauer zum Lachen“, so der Projektkoordinator des Österreichischen Kultrurforms.
Selbstverständlich ist die Stadt nicht der einzige Schauplatz der diesjährigen Filmauswahl. Wen die Sehnsucht nach weiten Landschaften, Bergen und Natur plage, der solle sich unbedingt „Réduit“ des Schweizer Regisseurs Leon Schwitter anschauen, sagt Karolina Bukovská. Er erzählt in minimalistischen Bildern eine Vater-Sohn-Beziehung inmitten der Schweizer Alpen.
In den Bergen und zwischen den Gängen
Außerdem empfiehlt sie einen weiteren Film. Er spielt sich weder im Dschungel der Großstadt, noch im Universum der Berge ab, sondern zwischen den Regalen und Gängen eines Großmarktes:
„Weiterhin kann ich das romantische Drama ‚In den Gängen‘ empfehlen, in dem die Zuschauerinnen und Zuschauer auch Sandra Hüller sehen können. Sie ist zum Rising Star des deutschsprachigen Films geworden – eine Oscar-nominierte Schauspielerin aus Deutschland, die auch in Hollywood-Filmen zu sehen ist.“
Die Filme werden nicht nur im Sommerkino in Kinská gezeigt. Auch die anderen beiden Orte garantieren ein Kinoerlebnis mit besonderer Atmosphäre. Der eine ist die Pragovka-Galerie im Prager Stadtteil Vysočany. Sie befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Fabrik. Besonders erfreulich finden die Organisatorinnen und Organisatoren, dass sie in diesem Jahr den Innenhof des Clam-Galas-Palais für ihr Festival gewinnen konnten. In dem Barockbau inmitten der Prager Altstadt werden in diesem Jahr zwei Filme gezeigt. In diesem Fall habe man sich ebenfalls bemüht, die Programmauswahl an die Stimmung des Ortes anzupassen, so Bukovská:
„Dieses wunderschöne Palais gehört zum Museum der Stadt Prag. In Bezug auf das Museum und das Gebäude haben wir einen künstlerischen Schwerpunkt gewählt. Deswegen haben wir hier bereits den erfolgreichen Film ‚Alma und Oskar‘ gezeigt, der die Liebesgeschichte von Alma Mahler und Oskar Kokoschka behandelt.“
Am Donnerstag kommender Woche wird im Clam-Galas-Palais noch der Film „Moskau einfach!“ von Regisseur Micha Lewinsky zu sehen sein. Dort erhält ein Polizeibeamter in Zürich zur Zeit des Kalten Krieges den Auftrag, Theaterschaffende in einem Schauspielhaus zu bespitzeln.
Das Sommerkino verbindet also Orte, Atmosphären, Städte und Sprachen. Dadurch ist es eine Besonderheit im Kulturkalender Prags. In der Stadt an der Moldau sind aber auch im Herbst weiter regelmäßig Filme in deutscher Sprache zu sehen. Und der Termin für die nächste Auflage von „Das Filmfest“ steht bereits. Es findet vom 16. bis 20. Oktober im Kino Lucerna und Edison Filmhub statt. Anders als beim Sommerkino wird es dann auch wieder in Brno / Brünn und Olomouc / Olmütz einige Filmvorführungen geben. Bei beiden Festivals werden alle Streifen in Originalfassung gezeigt und mit tschechischen Untertiteln, einige auch mit englischen Untertiteln.
Tickets und Informationen zum Programm finden sie hier. Nähere Informationen zum Programm im Herbst gibt es bereits auf der Website: www.dasfilmfest.cz. Alle Neuigkeiten werden von den Veranstaltern auch auf Facebook und Instagram veröffentlicht.