„Staatsmännische Entscheidung“ – tschechische Reaktionen auf den Rücktritt Bidens von der Kandidatur

Joe Biden

Der Schritt war zuletzt immer wahrscheinlicher geworden, nur wusste man nicht, wann er kommt: Am Sonntag hat der US-amerikanische Präsident Joe Biden angekündigt, sich doch nicht um eine zweite Amtszeit bewerben zu wollen. Der demokratische Amtsinhaber trat mitten im Wahlkampf zurück. Wir haben tschechische Politiker auf die Entscheidung reagiert?

Biden schrieb über den Kurznachrichtendienst X, es sei im besten Interesse seiner Partei und seines Landes, wenn er sich zurückziehe. Als Ersatzkandidatin schlug der 81-Jährige seine Stellvertreterin Kamala Harris vor.

Auch in Tschechien haben sich Spitzenpolitiker zu diesem Umschwung in den USA geäußert. Premier Petr Fiala von den konservativen Bürgerdemokraten (ODS) schrieb über X:

„Es ist zweifellos die Entscheidung eines Staatsmannes, der jahrzehntelang seinem Land gedient hat. Der Schritt zeugt von Verantwortungsbewusstsein und war persönlich für ihn sicher nicht leicht. Das macht ihn aber umso wertvoller. Ich drücke den USA die Daumen, dass aus einem demokratischen Wettstreit zweier starker und gleichwertiger Kandidaten nun ein guter Präsident hervorgehen wird.“

Der tschechische Außenminister, Jan Lipavský (Piraten), reagierte ebenfalls noch am Sonntag auf die Neuigkeit aus Übersee. In einer Sondersendung des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (ČT) zu Bidens Rückzug aus dem Wahlkampf sagte der Minister, dass eine Entscheidung in diese Richtung zum jetzigen Zeitpunkt eine Überraschung sei, so früh sei sie nicht erwartet worden. Als Diplomat betonte Lipavský, dass dies natürlich als Sache der amerikanischen Innenpolitik bewertet werden müsse. Doch er ergänzte:

„Wir verfolgen eine der dramatischsten Präsidentschaftswahlen in den USA der zurückliegenden Jahrzehnte – inklusive des glücklicherweise erfolglosen Attentats auf den zweiten Kandidaten Donald Trump.“

Und in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks kommentierte der Außenminister ebenfalls  das Geschehen…

Jan Lipavský | Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

„Das ist natürlich eine rasante Änderung im Wahlkampf. Wir werden sehen, in welche Richtung sich das nun weiterentwickelt. Ich denke, Joe Biden hat gezeigt, dass er ein großer Staatsmann ist, der grundlegende Entscheidungen zu treffen vermag“, so Lipavský.

Auch bei der größten tschechischen Oppositionspartei, der populistischen Ano, verfolgt man aufmerksam das Geschehen in Übersee. Biden habe sich zuletzt nicht mehr in guter psychischer und körperlicher Verfassung gezeigt, befand Vize-Parteichef Karel Havlíček im Fernsehen ČT. Seiner Meinung hätten es die Demokraten aber gar nicht so weit kommen lassen dürfen.

„Eine Sache ist sein jetziger Zustand. Die andere ist die Frage, wie es denn in einem, in zwei oder in vier Jahren um Joe Biden stehen würde. Es war eigentlich klar, dass er selbst bei einem möglichen Wahlsieg sein Amt nicht hätte geregelt ausüben können. Daher halte ich dies für eine pragmatische und vernünftige Entscheidung“, sagte Havlíček.

Karel Havlíček | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

Die Abgeordnetenhauschefin und Top-09-Vorsitzende, Markéta Pekarová Adamová, lobte Biden über den Kurznachrichtendienst X:

„Er hat die Interessen seines Landes und seiner Partei über die eigenen Ambitionen gestellt. Biden stand immer auf der Seite von Freiheit und Demokratie, was ich sehr anerkenne. Seine staatsmännische Entscheidung zeigt, dass er sich höheren Zielen verschrieben hat.“

Der Chef des tschechischen Senats, Miloš Vystrčil (Bürgerdemokraten), verwies auf die außenpolitische Dimension von Bidens Rückzug und von den amerikanischen Präsidentschaftswahlen ganz allgemein:

Miloš Vystrčil | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

„Für uns ist es von Bedeutung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika einen starken und einen demokratisch denkenden Präsidenten bekommen. Denn als stärkstes demokratisches Land sind sie ein Stützpfeiler im Rahmen des transatlantischen Bündnisses. Es liegt auch in unserem Interesse, dass die USA voll funktionsfähig sein werden.“

Jetzt ist es laut Vystrčil wichtig, wie den Demokraten in den USA die notwendigen nächsten Schritte gelingen: also die Nominierung eines neuen Kandidaten – beziehungsweise eher einer Kandidatin – und das nötige Engagement im Wahlkampf.

Foto:  Alex Brandon,  ČTK/AP
Autor: Till Janzer | Quellen: Česká televize , Český rozhlas , ČTK
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