Die Elbe als Spiegel der Gesellschaft: „Schwimmender Professor“ untersucht Mikroplastik

Andreas Fath

Vom Riesengebirge bis nach Cuxhaven fließt die Elbe 1083 Kilometer lang. Diese Strecke schwimmt Professor Andreas Fath innerhalb von 23 Tagen. Das ist das Ziel. Während des Schwimmens sammelt er Mikroplastik ein und klärt über die Umweltverschmutzungen auf. Nach einer seiner ersten Tagesetappen hat Radio Prag International den „schwimmenden Professor“ in Tschechien an der Elbe getroffen.

Es ist halb sieben Uhr abends: An der Elbe in der Gemeinde Záryby Kostelec nad Labem / Elbekosteletz tummeln sich vereinzelte Spaziergänger*innen herum. Das Wasser ist ruhig und hier und da treibt eine Ente umher und lässt sich vom verbliebenden Sonnenlicht wärmen. Es scheint, als würde niemand mehr auf dem Gewässer sein, außer einer, der „schwimmende Professor“. Begleitet von seinem Schwager im Kajak macht er die letzten Züge seiner Tagesetappe und schwimmt zunächst glatt am Ziel vorbei.

Andreas Fath und sein Schwager | Foto: Mietje Kuhnhardt,  Radio Prague International

Professor Andreas Fath: Seitdem er acht Jahre alt ist, schwimmt er. Damals noch in Schwimmhallen, heutzutage in den Flüssen der Welt. Seit 2018 durchquert er verschiedene Gewässer, um auf die Umweltverschmutzungen in diesen Aufmerksam zu machen. Begonnen hat er im Rhein, weiter ging es zur Donau, dann in die USA nach Tennessee und in diesem Jahr schwimmt er die Elbe von Tschechien nach Deutschland entlang. Faths Ziel: 1083 Kilometer in 23 Tagen. Er schwimmt damit um die 70 Kilometer täglich und ist jeweils circa acht Stunden im Wasser.

Fath kombiniert hierbei seine Leidenschaft des Schwimmens, mit der des Forschens. Aber wer ist dieser „schwimmende Professor“?

„Mein Name ist Andreas Fath, ich bin Chemiker und unterrichte an der Hochschule Furtwangen Chemie und Umwelttechnik. Ich leite dort auch ein Praktikum – ‚Umweltanalytik‘. Und das, was ich mit den Studenten dort im Labor mache, das machen wir jetzt auch hier draußen.“

Foto: Andreas Fath,  Pure Elbe

Sie untersuchen Mikroplastik und die daraus entstehenden Schadstoffe in den Gewässern, so Fath.

Begonnen hat das Schwimmprojekt dort, wo das Wasser noch am saubersten ist: An der Quelle der Elbe im Riesengebirge. „PureElbe“ heißt die Aktion, und entstanden ist die Idee in Kooperation vom Nationalpark Sächsische Schweiz sowie weiteren Umweltschutzorganisationen, die Faths Schwimm- und Analysekünste angefragt haben.

„Ich habe aus den Vorgängerprojekten gelernt. Beim Rhein-Schwimmprojekt und dem in der Donau sowie dem Tennessee River habe ich gemerkt, dass man mediale Aufmerksamkeit durch so ein Umweltbildungsprojekt bekommt, in dem ein ‚verrückter‘ Professor durch Flüsse schwimmt. Damit kann ich mehr Menschen erreichen, als durch ein wissenschaftliches Paper.“

Neben Bildungsangeboten rund um das Projekt, wird auch ein Dokumentarfilm entstehen, erzählt Fath.

Auftakt Smiřice | Foto: Benjamin Heberling,  Pure Elbe

Mit dem Strom schwimmen

An Tag drei ist Fath in Záryby angekommen und sagt im Interview für Radio Prag International:

„Ich bin das erste Mal in Tschechien und mir fällt es ein bisschen schwer mit den Namensschildern und der richtigen Aussprache der Orte. Ich glaube ich bin heute in Osíček gestartet“, so Fath.

Auf dem Weg passierte er einige Schleusen, die das Schwimmen verkomplizierten. Auch seien die ersten Tage besonders anstrengend gewesen, da die Elbe zu Beginn nicht viel Strömung hatte. Da hilft dann nur noch die eigene Muskelkraft.

Auch wenn das Wasser anfangs in Tschechien noch recht sauber war, sei Fath an einigen

Andreas Fath | Foto: Michel Mues,  Pure Elbe

Uferböschungen vorbeigeschwommen, die voll mit Plastikmüll waren. Auch die Seerosen auf der Elbe sammeln Mikroplastik an. Fath hält eine Wasserprobe in der Hand, in der er die Schadstoffe von der Seerose eingesammelt hat. Ganz schön dreckig.

8,3 Milliarden Tonnen an Kunststoff hat die Menschheit bereits produziert. Nur ein Bruchteil davon, gerade einmal neun Prozent, werden recycelt. Eine große Menge landet in den Gewässern. Fath erklärt, dass das Makroplastik durch Sonne, Wasser und Strömung zu Mikroplastik zerkleinert wird und so von Fischen und anderen Lebewesen in den Seen und Meeren aufgenommen wird:

„An die Mikroplastikoberfläche hängen sich die Schadstoffe an. Dadurch ist die Konzentration des Mikroplastiks um das Zigtausendfache höher. Die Wasserlebewesen wie Fische nehmen dieses Mikroplastik auf – manche Arten sogar mit Vorliebe, an Stelle von natürlicher Nahrung. Das Mikroplastik gelangt dann in den Magen-Darm-Trakt der Fische, von wo aus es ausgeschieden wird. Was zurückbleibt sind die Giftstoffe aus dem Mikroplastik. Und diese gelangen dann zu uns auf den Teller“, erklärt Fath.

An der Elbe in Záryby | Foto: Mietje Kuhnhardt,  Radio Prague International

„Ich bin das Messgerät“

Die Kombination aus Schadstoffspuren und Plastikvermüllung an den Ufern – beziehungsweise später Mikroplastik im Wasser – werde die Menschheit in Zukunft noch beschäftigen, verdeutlicht Fath. Denn alles Mikroplastik landet früher oder später im Wasser, zum Beispiel durch Starkregenereignisse. Deswegen führen Fath und sein Team das Umweltbildungsprojekt durch, um darauf aufmerksam zu machen.

Foto: Andreas Fath,  Pure Elbe

„Tatsächlich bin ich dabei selbst das Messgerät, der Lachs, der dicke Fisch, der im Fluss unterwegs ist und auf dessen Oberfläche sich dann die Schadstoffe ansammeln und anlagern.“

Um das Mikroplastik einsammeln zu können, trägt Andreas Fath einen Neoprenanzug mit einer Membran. Fath beschreibt diese als künstliche Fischhaut. Die Membran, die in Form eins Pflasters auf dem Anzug haftet, sammelt während des Schwimmens die Schadstoffe ein:

„Das ist eine Kunstoffmembran. Ich habe sie etwas durch ein Metallgitter geschützt. Die Konstruktion sitzt auf meinem Neoprenanzug, auf der Haut wäre das unangenehm. Deswegen trage ich den Anzug. Es könnte sonst auch passieren, dass ich durch meine eigenen Körperausscheidungen die Membran, beziehungsweise die Ergebnisse verfälsche“, so Fath.

Die Membran bleibt die ganze Zeit feucht. Wenn Fath gerade nicht schwimmt, legt er sie in Wasser ein. Und wenn er im Fluss unterwegs ist, nimmt sie die Schadstoffe auf. Nach einer Woche werden durch ein Lösungsmittel die Stoffe herausgefiltert und für eine Analyse eingeschickt. Der Prozess funktioniert ähnlich wie das Heißwasser, dass das Koffein aus der Kaffeebohne herauszieht, erklärt Fath.

Foto: Pure Elbe

Im Rhein seien es 128 verschiedene Stoffe gewesen, die am Ende erkannt werden konnten. Pflanzenschutzmittel, Süßstoffe, Drogen, Medikamente und viele weitere schädliche Chemikalien. Die Dosis mache bekanntlich das Gift, so Fath. Was bei der Analyse der Elbe herauskommen wird, kann der Forscher noch nicht sagen. Die nächsten Tage, die er schwimmen wird, sieht er positiv:

„Ich blicke mit Freude auf die nächsten Tage, weil dann irgendwann die Staustufen zu Ende sind und der Fluss etwas stärker strömt. Je nach Wasserstand bin ich dann sechs bis sieben Stundenkilometer schneller, und dann komme ich entsprechend viel weiter und es ist weniger anstrengend.“

Vielleicht ergibt es sich dann auch, dass der „schwimmende Professor“ nochmal in den Sonnenuntergang in Tschechien hineinschwimmen kann, wie es heute für ihn möglich war.

Für weitere Informationen über den „schwimmenden Professor“ finden Sie auf der Internetseite PureElbe alle wichtigen Inhalte zum Projekt: www.pureelbe.org/projekt.

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